Es waren mal wieder einige spannende und nervenaufreibende Tage bei der Tour de Ski im Rahmen des Langlauf Weltcups, bei der nur sechs der sieben Etappen auch durchgeführt werden konnten. Für einige ging es dabei um die Olympianorm, für andere um den Sieg und das Podium nach all den Strapazen.
Oberstdorf: Kritik am Veranstalter
Schon die Vorhersagen vor Tour-Beginn waren schlecht, aber es wurde noch schlimmer: In erster Linie schlechtes Wetter sorgte dafür, dass die Tage in Oberstdorf nur wenigen in guter Erinnerung bleiben werden. Natürlich haben die freiwilligen Helfer in stundenlanger Arbeit alles Menschenmögliche getan und dafür gebürt ihnen auch viel Dank. Tagelanger Dauerregen und Sturmtief Burglind mit orkanartigen Böen sorgten dennoch für die Absage der vierten Etappe. Der Sprint gehört damit zu den wenigen Langlaufrennen in der Vergangenheit, die aufgrund von Wind abgesagt werden mussten – der Teamsprint in Düsseldorf im Jahre 2002 gehört zu den wenigen Ausnahmen. Hier und da gab es jedoch auch Stimmen, dass ein Wettkampf möglich gewesen wäre – wie von einigen Norwegern, die am Nachmittag noch einen internen Sprint austrugen, um im Rhythmus zu bleiben. Doch die Sicherheit ging vor und es war keine Alternative möglich bei umfallenden Bäumen, die auf der Strecke landeten. Dennoch gab es viel Ärger um das Vorgehen der Verantwortlichen nach der Absage. Viele waren mit dem ersatzlosen Streichen des Sprints nicht einverstanden und hätten statt des Massenstarts lieber den Sprint nachgeholt, auch wenn die Regularien das laut Tour de Ski Basic Rules Nr.15 gar nicht möglich machen (Seite 39). So wurde der Massenstart ausgetragen, allerdings auf einer fast flachen und sehr kurzen Runde, weil auf dem geplanten Kurs die Bäume immer noch auf der Strecke lagen und das Risiko weiterer fallender Bäume und Äste bestand. Generelle Kritik am Austragungsort Oberstdorf kam aus Russland: „Es war ein sehr schnelles Rennen mit vielen Stürzen und Stockbrüchen und vor allem war es ein gefährliches Rennen im Hinblick auf unsere Gesundheit, wir hätten uns verletzen können!“, sagte Gleb Retivykh in einem Statement, das über den russischen Skiverband verbreitet wurde. „Ich kann nicht verstehen, dass die Organisatoren immer wieder hier Rennen ausrichten. In meiner Erinnerung gab es nur einmal keinen Regen und immer gab es Probleme mit dem Wetter.“ In derselben Veröffentlichung äußerte sich Anastasia Sedova ganz ähnlich: „Ich mag es hier nicht besonders, hier ist immer schlechtes Wetter. Aber so schlecht, das war das erste Mal. Aber wir haben es überlebt. Aber mit welchen Erinnerungen!“, lachte sie.
Ustiugov verliert Tour in Oberstdorf
Was Gleb Retivykh zu dem Zeitpunkt seiner Aussage wohl noch nicht wusste: Es hatte sich tatsächlich jemand verletzt und das beeinflusste die weitere Tour de Ski. Sergey Ustiugov zog sich bei einem Sturz eine Rückenverletzung zu, die wohl muskulärer Ursache ist. Andere Quellen zitieren ebenfalls Markus Cramer, Ustiugov könne seit dem Sturz den Kopf schlecht vor und zurück bewegen. Mit Schmerzen lief er ins Ziel und hatte auch im Massenstart zwei Tage später noch seine Probleme. Da er in der Nacht vor der Alpe Cermis vor Schmerzen kaum schlief, verzichtete er auf einen Start. Der harte Aufstieg wäre wohl auch sicher noch unangenehmer für ihn gewesen als normalerweise. Um die Ursache für die Schmerzen festzustellen, reiste der Russe nun nach Dresden, wo in der Klinik ein MRT werden soll, wie Verbandschefin Elena Välbe erklärte. Verloren war die Tour de Ski aber schon vorher – durch die unvermeidbare Absage des für den Russen wichtigen Sprint: „Ustiugov war richtig wütend“, sagte Trainer Markus Cramer beim norwegischen Fernsehen. „Ich kann nicht wiederholen, was er alles sagte. Das waren viele Ausdrücke, die man im Fernsehen nicht wiederholen darf. Es war ein verrücktes Rennen. Ustiugov ist dreimal gestürzt, davon einmal mit zwei anderen Russen. Er verlor viel Zeit, wieder heranzulaufen, kam aber nict ganz nach vorne. Er lief etwa an 15. Stelle auf der letzten Runde, als er erneut stürzte.“ Wie seine Sportler versteht auch Markus Cramer in Unkenntnis der FIS-Regel nicht, dass nur noch ein Sprint Bestandteil der Tour de Ski war, so dass sein Schützling chancenlos war und sichtlich demotiviert.
Cologna überlegener Sieger
Nachdem Ustiugov wegen seiner Schmerzen und durch den fehlenden zweiten Sprint, bei dem er wichtige Bonussekunden hätte herausholen können,für die Tour-Titelverteidigung ausfiel, war der Weg frei für Dario Cologna. Dem Schweizer kam der Ausfall des zweiten Sprints zugute, allerdings ist die Frage, ob der 31-Jährige in seiner derzeitigen Form von einem fitten Ustiugov mit zwei Sprints überhaupt zu schlagen gewesen wäre. Der Bündner ist im olympischen Winter so stark wie schon seit Jahren nicht mehr und zog die Tour de Ski ohne schwache Etappe durch, obwohl er nach wie vor nicht schmerzfrei durchs Leben kommt. Die Achillessehne ist immer noch seine Achillesferse und sorgt seit Jahren für Probleme. Zwar behindern ihn im Rennen keine Schmerzen, beim Einlaufen und im Alltag spürt er aber immer noch Einschränkungen. Hoffen wir, dass der überlegene Gewinn seiner vierten Tour de Ski diesmal ein gutes Rennen für das Großereignis ist – anders als nach seinen Siegen 2009 und 2011, wo er danach bei Weltmeisterschaften medaillenlos blieb. Diesmal ist der Schweizer aber besser als je zuvor, dominanter und souveräner. Er hat durch die Verletzung intensiver an seiner Technik gearbeitet, ebenso wie im Kraftbereich. Das, und sein großes Selbstvertrauen nach dem Tour de Ski-Sieg, sind gute Vorzeichen für Südkorea…
Trotz Asthma aufs Podium
Kaum jemand hätte es von ihm erwartet – auch er selbst offenbar nicht: Martin Johnsrud Sundby hat es auf das Podium der Tour de Ski geschafft! Nach der Verschlimmerung seiner Asthmaproblematik vor Weihnachten konnte der Norweger nicht mehr draußen trainieren, wollte die Tour de Ski aber trotzdem in Angriff nehmen. Dabei hatte er gute und schlechte Tage und gab trotzdem nie auf. Vor allem beim Massenstart im Val di Fiemme lief es gar nicht: Er schnaufte mit weit aufgerissenem Mund der Spitze hinterher und war tief enttäuscht. Im Anstieg gab er nochmal alles und sagte: „Ich war mit beschäftigt, das Podium zu sichern, aber als Harvey dann angriff, war ich bereit zu kontern. Es war einfach purer Wille. Ich war blau. Aber ich hatte beschlossen, einen guten Tag zu haben und die Tour mit Stil zu beenden.“ Das ist dem Norweger definitiv gelungen. Neben der überraschend guten Performance von Klassikspezialist Alexey Poltoranin am Berg, schlug sich auch Alex Harvey beachtlich. Jahrelang hatte er Probleme mit der Blutzirkulation in den Schienbeinen, so dass sich Taubheitsgefühle einschlichen, je länger der Anstieg dauerte. Daran ließ sich der Kanadier 2015 operieren und seitdem läuft es von Jahr zu Jahr besser an der Alpe Cermis – diesmal war er mit 24 Sekunden Rückstand auf Sundby sogar der Sechstschnellste und schaffte dadurch den Sprung aufs Podium. Geglaubt hat er daran selbst nicht richtig: „Ich dachte im Laufe der Tour: Wenn ich aufs Podium laufe, dann diesmal. Aber am Berg lief es für mich über Jahre immer so schlecht, dass das das Best-case-Szenario war. Ich habe es gehofft, aber es war schwer, wirklich dran zu glauben. Ich wusste, meine Form ist besser als in den letzten Jahren, aber da war noch ein großes Fragezeichen über der Alpe Cermis.“
Weng verteidigt Titel
Heidi Weng heißt die alte und neue Siegerin der Tour de Ski. Nachdem ihre Teamkollegin Ingvild Flugstad Østberg über weite Strecken der Tour de Ski das Leadertrikot getragen und damit (zusätzlich zu Etappen-Erfolgen) gutes Geld verdient hatte, hatte die Norwegerin einen schwachen Tag im Massenstart der vorletzten Etappe. Schon danach war ihr klar: „Heidi wird die Siegerin sein!“ Beide starteten quasi gleichzeitig in die Schlussetappe und Heidi Weng zog erwartungsgemäß mit Beginn des steilen Teilstücks das Tempo an, dem ihre Teamkollegin nicht mehr folgen konnte. Mit dem Tour de Ski-Erfolg überholte Weng Østberg noch in der Preisgeld-Rangliste. Ein paar Schweizer Franken, Weltcuppunkte und Bonussekunden waren der Norwegerin in Oberstdorf durch die Lappen gegangen, als sie sich im Kampf um den Sieg auf der Zielgeraden auf die Nase legte – das Bild der unglücklich weinenden Norwegerin wird jedem noch in Erinnerung sein. Fast 60.000 Schweizer Franken dürften sie darüber hinwegtrösten, Bestverdiener ist allerdings Dario Cologna, der im Laufe der Tour de Ski noch 1000 Franken mehr verdiente. An Johannes Høsflot Klæbo kommt aber auch er nicht heran: Der Norweger gewann bei den Dezember-Weltcups schon mehr.
Flaggenskandal und Familienduell
Neben einem „kleinen Flaggenskandal“ bei der Siegerehrung der Damen, wo die norwegische Flagge für Weng (und auch die amerikanische) nicht richtig aufgehängt waren, waren auch die Laufzeiten am Final Climb Gesprächsthema in Norwegen. Heidi Weng war die schnellste Dame und dabei schneller als so mancher Herr. Darunter wäre fast auch ihr Ex-Freund Emil Iversen, der wenige Zehntelsekunden schneller war als sie. Bei den Männern reichte das nur für die 38. Zeit im Anstieg. Er nahm die Sache mit Humor: „Das war wichtig! Über Jahre habe ich mich immer mit Heidi abgerackert, also denke ich, dass das nicht schlecht war. De Sekunde ist wichtig“, lachte er.
DSV: Fünfmal die volle Norm geknackt
Für die deutschen Langläufer war die Tour de Ski eine lohnende Strapaze, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht – vor allem für Gelegenheitszuschauer, die die Resultate mit Biathlon, Skispringen oder der Nordischen Kombination vergleichen. Zwar erreichten von den jeweils zehn gestarteten Damen und Herren nur drei Athletinnen und sieben Athleten das Ziel auf der Alpe Cermis. Das war aber auch nicht das Hauptziel. Die Gesamtwertung hatte in diesem Winter keine Priorität, es ging darum mit guten Einzelresultaten die Olympianorm zu knacken. Das gelang neben Sandra Ringwald, die schon vor Weihnachten alles klar gemacht hatte, nun mit Nicole Fessel, Steffi Böhler, Hanna Kolb, Lucas Bögl und Thomas Bing fünf Sportlern, Victoria Carl und Jonas Dobler schafften zumindest die halbe Norm. Hanna Kolb gelang es dabei, mit dem nicht für die Tour gewerteten Prolog in Oberstdorf die Norm zu knacken – immerhin gab es FIS-Punkte, so dass der Deutsche Skiverband den Prolog für die Qualifikation anerkannte. Steffi Böhler, dem „Dieselmotor“ im Team, fiel nach Erfüllung ihrer eignen Norm ein Stein vom Herzen: „Wenn ich so drüber nachdenke, ist das richtig geil, wenn man das Ticket in der Tasche hat.“ Am Final Climb gelang ihr, was sie sich immer gewünscht hatte: „Das Ziel war, einmal unter die besten Zehn zu laufen bei der Tour. Nach gestern war ich da sehr skeptisch, ob ich das noch schaffen kann. Es war cool, als Zehnte über die Ziellinie zu fahren. Hart ist es immer wieder. Aber man vergisst einfach den Schmerz vom letzten Jahr, 365 Tage sind da genug, um zu vergessen, was letztes Jahr war, und dann freut man sich, die Tour hier oben abschließen zu können.“ Lucas Bögl, Pionier mit zwei verschiedenen Schuhmarken, sagte nach der neunten Laufzeit an der Alpe Cermis: „Die Olympiaquali war die ganze Saison im Hinterkopf. Das war ein Damoklesschwert, das über einem hängt. Es ist immer so, gute Ergebnisse kommen, aber der 16. Platz ist knapp vorbei und man hat dann doch nichts auf der Karte. Eigentlich wusste ich, dass ich es heute mache. Das war schon immer mein Ding hier hoch. Ich bin scheinbar ein kleiner Masochist. Aber das sind wir wohl alle im Langlauf, weil es einfach weh tut und dann muss man kämpfen. Aber ich bin froh, dass es geklappt hat. Da ist die volle Quali in der Tasche! Korea, ich komme!“ Katharina Hennig hatte wie schon vor Weihnachten viel Pech und auch am Silvestertag verhagelte ihr ein Sturz ein mögliches Topergebnis: „Katha hatte einen Sturz direkt hinter dem Stadion in der zweiten Runde und bis dahin war sie im Bereich Top10. Dann ist sie gestürzt, darum ist das extrem schade für sie. Aber sie zeigt ihr Potenzial und ich bin sicher, dass das nur eine Frage der Zeit ist, bis Spitzenergebnisse kommen“, ist Torstein Drivenes vom Können seines Schützlings überzeugt. Für die, die es bisher noch nicht geschafft haben, ist der Olympiazug noch nicht abgefahren. Ein paar Rennen verbleiben noch, um die Norm zu schaffen. Bei Grenzfällen ohne volle Norm müsste der DOSB sein „Okay“ geben.
Sensationssieg zum Auftakt
Der überraschendste Schweizer Erfolg ist aber nicht der vierte Tour de Ski-Erfolg von Dario Cologna, auch wenn eine derartige Dominanz nicht vorherzusehen war. Die größte Überraschung war Laurien van der Graaff, die sensationell den Sprint auf der ersten Etappe vor heimischen Publikum gewann. Der erste Sieg einer Schweizerin seit 30 Jahren, wo das einmal Evi Kratzer gelang. So war die gebürtige Niederländerin einfach nur überglücklich: „Ich wusste schon in der Qualifikation, dass mit mir heute zu rechnen sein würde. Es ist so großartig, das erste Weltcuppodium zu holen. Es ist unfassbar! Ich meine, auf dieser Strecke zu gewinnen, zu Hause, das ist verrückt!“ Im weiteren Tour de Ski-Verlauf blieben weitere Schweizer Siege mit Ausnahme von Dario Cologna aus – Curdin Perl überraschte sogar wegen anhaltender Formschwäche mit seinem plötzlichen Karriereende im Weltcup. Nathalie von Siebenthal lieferte dagegen ab Oberstdorf ein Top10-Ergebnis nach dem anderen ab und verpasste das Podium in Oberstdorf nur knapp. An der Alpe Cermis fühlte sie sich in den letzten Jahren nicht wohl, aber „In diesem Jahr ist es besser gegangen.“. Mit Anastasia Sedova konnte sie allerdings nicht mithalten. „Auf einmal ging sie los, wie vom Affen gebissen.“
Starke Stadlober mit Bestleistungen
Noch mehr als die Schweizerin konnte Teresa Stadlober für Österreich erreichen – ohne ihren Sturz mit Zeitverlust und Schürfwunde auf der zweiten Etappe wäre noch mehr möglich gewesen. Doch viele starke Rennen, das erste Podium und Platz fünf in der Endabrechnung mit zweitschnellster Laufzeit sind aller Achtung wert, auch wenn der angestrebte Podestplatz in der Gesamtwertung nicht mehr möglich war. Ihre männlichen Kollegen hatten viel Pech, vor allem in Oberstdorf. Sowohl Bernhard Tritscher als auch Dominik Baldauf lagen auf Top10-Kurs, als sie auf der letzten Runde durch Stürze bis auf Plätze jenseits der Fünfziger zurückgeworfen wurden. Bernhard Tritscher traf den Nagel auf den Kopf: „Wie viel Pech kann man eigentlich haben??“
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