Irgendwo zwischen dem 3-Zinnen Blick und dem höchsten Punkt bei Cimabanche frage ich mich, wie ich dieses Tempo bis nach Cortina halten soll. Egal, das Laufen hier ist so genial, ich gebe einfach weiter Gas.
Ich kenne die Strecke von Cortina nach Toblach schon seitdem die Tour de Ski hier langführte. Vor zwei Jahren bin ich dann zusammen mit meinem Bruder an einem Vormittag auf der ehemaligen Bahntrasse gemütlich von Fiames (bei Cortina) zurück nach Toblach gelaufen. Dieses Mal soll es etwas flotter sein. Ich habe mich für den Volkslanglauf Toblach-Cortina angemeldet und will mich mal wieder mit anderen Skimarathonläufern messen. Nach meiner Ankunft am Freitag hole ich mir zunächst mein Starterpaket im altehrwürdigen Grand Hotel in Toblach ab und treffe dabei mehrere bekannte Gesichter, mit denen ich mich über das Rennen am Sonntag unterhalte. Etwas Respekt habe ich schon, erwarte ich schließlich ein Highspeed-Rennen auf der zunächst leicht ansteigenden und später leicht abfallenden Strecke zwischen Südtirol und Venetien.
Am Samstag sind dann zunächst die Profis der Ski Classics Serie und zahlreiche Hobbyläufer in klassischer Technik dran. In der Nordic Arena von Toblach verfolge ich den Zwischensprint und erlebe hautnah, mit welchem Aufwand die TV-Bilder produziert werden. Danach mache ich noch einen kurzen Skitest, um für den kommenden Tag das richtige Paar herauszusuchen. Mittags gönne ich mir noch eine Pizza in der Traditionspizzeria „Hans“ und am Nachmittag präpariere ich meinen Wettkampfski. Das fällt leicht vor so einer Traumkulisse draußen auf dem Balkon. Auch beim Abendessen lange ich noch einmal kräftig zu. Italienische Küche ist einfach das Beste, um seine Speicher aufzufüllen. Trotz der Vorbereitung auf den nächsten Tag will ich mir das „Get together“ bei der Party im Grand Hotel nicht entgehen lassen und schaue dort noch auf ein Getränk vorbei. Schließlich hat so ein Skimarathon nicht nur Konkurrenz- sondern auch sozialen Charakter. Und ich treffe auch Steffi Santer, deren Einladung „Komm doch mal zu Toblach-Cortina“ ich meine Teilnahme zu verdanken habe.
Dann ist er da der Renntag und mit ihm diese leichte Anspannung, die ich trotz meiner Erfahrung noch immer vor jedem Wettkampf erlebe. Beim Frühstück schaffe ich es lediglich, eine Semmel zu vertilgen. Aber ich verlasse mich auf meine gebunkerten Reserven vom Vortag. Am Start in Toblach angekommen ist schon einiges los. Auf dem Weg in meine Startgruppe, wo ich meine Rennski platzieren will, treffe ich Saskia Santer. Die ehemalige Weltcup-Biathletin ist wie ihre beiden Schwestern Steffi und Nathalie Teil des Organisationskomitees, dem ihr Vater vorsteht. Schön, wenn man weiß, dass hier Profis am Werk sind! Immer wieder treffe ich in der Folge Freunde und Bekannte, worauf ich das Warmlaufen fast vergesse. Schließlich stehe ich aber doch noch gut aufgewärmt und pünktlich zum Start zwischen meinen Konkurrenten.
Der Startschuss fällt und meine Startreihe setzt sich in Bewegung. Eher entspannt kann ich mich auf dem ersten Kilometer etwas nach vorne arbeiten. Etwas hektisch wird es erst vor der Unterführung der Eisenbahnlinie. Aber auch hier komme ich ohne größere Probleme durch. Auf dem Weg Richtung Ortsmitte und weiter zur Nordic Arena versuche ich dann, mein Tempo und eine passende Gruppe zu finden. Das Dach des Stadiongebäudes ist dann die erste nennenswerte Steigung und ab hier entzerrt sich das Feld. Die Strecke wird schmaler und Überholen schwieriger. Inzwischen bin ich aber mit meinen Mitläufern soweit zufrieden, auch wenn ich meist die Tempoarbeit mache. Es folgt nun der langezogene Anstieg über 16 Kilometer bis zum höchsten Punkt bei Cimabanche. Meist kann man ihn im 1-1er laufen, nur manchmal stelle ich auf 2-1 oder Pendelschritt um. Das Tempo ist für mein Gefühl ziemlich hoch, aber es macht trotzdem Spaß bei diesen Top-Bedingungen durch diese traumhafte Gegend zu laufen. Es geht vorbei am Kriegerfriedhof unterhalb der Nasswand und hinauf zum 3-Zinnen-Blick. Für den habe ich heute keine Zeit und Muße, laufe ich doch inzwischen in einer kleineren Gruppe, die mich auf Trapp hält.
Wir passieren die Verpflegungsstelle am Dürrensee und es beginnen die letzten etwas mehr ansteigenden Kilometer. Langsam sehne ich Cimabanche herbei, weiß ich doch, dass die Strecke danach nur noch abfällt bis Cortina. Allerdings ist mir auch bewusst, dass diese letzten zwölf Kilometer keineswegs nur in der Abfahrtshocke zu meistern sind. Schließlich kommt zwischen den Bäumen das Ortsschild in Sichtweite. Ich verzichte auf die angebotene Verpflegung und lasse meine Begleiter kurzzeitig zurück. Im leicht fallenden Gelände greife ich dann zum Schlauch meines Trinkgürtels und nehme ein paar kräftige Schlucke. In dem Moment preschen von hinten zwei aus meiner Gruppe vorbei und ich muss Gas geben, um dranzubleiben. Bei Ospitale sind wir dann allerdings alle wieder beisammen und es geht mit langen Schritten und Stockschüben in Richtung des spektakulärsten Abschnitts der Strecke. Durch zwei Tunnel und über eine Brücke spült es uns schließlich nach Venetien, wo es spürbar wärmer ist, als noch in Südtirol.
Irgendwie muss ich bei der Passage durch die Tunnels etwas zu verhalten gelaufen sein. Jedenfalls verliere ich zusammen mit einem meiner Begleiter den Anschluss an die Gruppe. Es sind nur 50 Meter und ich versuche verbissen, den Kontakt wieder herzustellen. Jetzt ist es ein echtes Highspeed-Rennen und die einzelnen Kilometerangaben kommen ungewohnt schnell hintereinander ins Blickfeld. Es geht vorbei an Fiames, wo ich kurzzeitig an den Start zur gemütlichen Tour vor zwei Jahren denken muss. Schnell lenke ich meine Gedanken aber wieder zurück zum Rennen, denn ich bin der Gruppe immer noch nicht näher gekommen. Auf der schmalen Trasse auf den letzten beiden Kilometern durch den Olympiaort Cortina d’Ampezzo muss ich schließlich erkennen, dass ich diese nicht mehr erreichen werde. Deshalb konzentriere ich mich auf den Verfolger direkt hinter mir. Normalerweise kann ich mich auf meinen Zielsprint verlassen, doch heute bin ich etwas angeknockt. Eine kleine Unsicherheit auf der Zielgeraden und ich werde übersprintet. Egal! Meine Uhr zeigt eine Zeit von unter 1:38 Stunden an. Das bedeutet schließlich Platz 135 und ich bin mehr als zufrieden.
Im Ziel bekomme ich die obligatorische Finisher-Medaille überreicht und schaue noch schnell im Ski Classics Truck vorbei. Dort findet gerade die Siegerpräsentation statt. Danach wechsle ich bei herrlichem Sonnenschein und fast frühlingshaften Temperaturen meine Kleidung und fülle bei der Pasta-Party noch meine Speicher wieder auf. Dann geht es zurück nach Toblach und von dort mache ich mich wenig später auf den Heimweg.
Wie gewohnt lasse ich im Auto bei meiner Fahrt über den Brenner das Wochenende noch einmal Revue passieren. Alles in allem habe ich mich wohl noch bei keinem Skimarathon so wohl gefühlt wie bei Toblach-Cortina!