Eine Saison im Langlauf Weltcup ohne Großereignis endet früher als geplant. Über den Gewinn des Gesamtweltcups konnte sich erstmals Alexander Bolshunov freuen – sowie Therese Johaug zum dritten Mal. Doch auch die deutschsprachigen Athleten konnten viele Top-Leistungen abliefern wie das erste Podium von Katharina Hennig oder die ersten Sprint-Podien von Nadine Fähndrich.
Bolshunov bezwingt Klæbo im Kampf um die Kugel
Im Langlauf Weltcup der Herren entwickelte sich ein spannender Zweikampf zwischen Alexander Bolshunov und Johannes Høsflot Klæbo, der schließlich aber nach Fingerverletzung und Absage der Sprint-Tour relativ klar an den Russen ging. In Sprints war der Norweger wie gewohnt unschlagbar – egal, ob im normalen Sprintrennen oder im Bergsprint bei der Ski Tour in Åre. Mit neun Saisonsiegen, acht im Sprint sowie einem im Massenstart, und dem Gewinn des Ruka Triples schien Klæbo auf einem guten Weg, den Gesamtweltcup zum dritten Mal in Folge zu gewinnen, bis ihm Anfang Februar eine Verletzung in die Quere kam: Bei einem netten Bowling-Abend mit Freunden brach er sich den rechten Ringfinger an einer Boxmaschine und musste den Weltcup in Falun auslassen. Zwar stand er bei der Ski Tour überraschend schon wieder am Start, war aber zunächst vorsichtig mit dem Finger, bis er grünes Licht von Arzt bekam, so dass er auf den ersten Etappen nicht seine gewohnte Leistung abrufen konnte. Mit einem Sieg bei der Ski Tour hätte Alexander Bolshunov nach seinem Triumph bei der Tour de Ski und insgesamt neun Saisonsiegen schon in Trondheim den Sack im Gesamtweltcup zumachen können, aber da sein Team gegen seinen Wunsch den völlig falschen Ski für die Schlussetappe der Ski Tour auswählte, fiel der Russe noch vom ersten auf dem siebten Platz hinter Johannes Høsflot Klæbo zurück und verlor wichtige Punkte. Nach dem 50er am Holmenkollen trennten die beiden Athleten 495 Punkte, so dass der Norweger in Übersee (350 Punkte bei der Sprint-Tour, 200 Punkte in Canmore) nur noch bei Krankheit des Russen geringe Chancen auf den dritten Gewinn der großen Kristallkugel gehabt hätte. Durch den Verzichts des norwegischen Teams auf die Reise nach Kanada und USA wegen der Ausbreitung des Corona-Virus ging die Kugel vorzeitig an Bolshunov – die kleine Kristallkugel hätte der Norweger aber noch verlieren können, wenn die Rennen durch den Druck von immer mehr abreisenden Teams nicht abgesagt worden wären. Auch das obligatorische Kristallkugel-Fotoshooting von NordicFocus fiel somit auch aus – Bolshunov behalf sich zunächst mit einer Alternative, bis die Kristall-Alternative ankommt:
Johaug völlig ungefährdet
Die Distanzrennen der Damen wurden während der gesamten Saison von Therese Johaug dominiert, zunächst in Abwesenheit von Ingvild Flugstad Østberg, Ebba Andersson und Frida Karlsson. Østberg und Karlsson erhielten zu Saisonbeginn ein Startverbot ihrer nationalen Verbände, das im Falle der Norwegerin schon seit dem Sommer andauerte. Die offizielle Begründe waren „medizinische Gründe“, aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes wurde nie auf die genaue Ursache eingegangen und keine Interviews zu dem Thema gegeben, Gerüchten zufolge geht es aber um Essstörungen und Untergewicht. Ein Thema, dem skandinavische Skiverbände schon länger den Kampf ansagen und zu dem Jessie Diggins kürzlich ein Buch veröffentlichte – mit ihren eigenen Erfahrungen aus ihrer Jugendzeit. Østberg stieg mit einem dritten Platz bei der Tour de Ski hinter Johaug und Nepryaeva wieder in den Weltcup ein und auch Ebba Andersson, die nach einem Sturz aufs Knie kurz vor Saisonbeginn pausieren musste, kehrte zur Tour de Ski zurück, die sie wegen eines Infekts aber kurz vor Schluss abbrechen musste. Dennoch bewiesen beide, dass sie nach ihrer Zwangspause wieder um das Podium mitkämpfen können, auch wenn die Siege in Distanzrennen weiter an Therese Johaug gingen. Nur Frida Karlsson konnte die Siegesserie im letzten Saisonrennen beenden, nachdem sie schon in der letzten Saison bei wenigen Starts bewies, dass sie in der Lage ist, in Johaugs Fußstapfen zu treten. Nachdem sie erst Mitte Februar in den Weltcup zurückkehrte, benötigte sie einige Rennen, um wieder in Form zu kommen, startete dann aber eine beeindruckende Aufholjagd am Holmenkollen. Sie schnappte Therese Johaug mit besserer Taktik noch den Sieg weg und feierte ihren ersten Weltcupsieg – sie traf der Abbruch der Saison besonders hart, nachdem sie endlich ihre Topform gefunden hatte. Im Gesamtweltcup konnte Therese Johaug nach souveränen Siegen in Ruka Triple, Tour de Ski und Ski Tour schon lange niemand mehr den Rang ablaufen, sie gewann mit mehr als 800 Punkten Vorsprung vor Heidi Weng zum dritten Mal den Gesamtweltcup sowie zum vierten Mal die kleine Kristallkugel für den Distanzweltcup.
Linn Svahn neue Sprintkönigin
In Sprintrennen ging in dieser Saison der Stern von Linn Svahn auf: Die Schwedin kam in Davos wie Phönix aus der Asche und feierte ihren ersten Weltcupsieg, dem sie im Laufe der Saison noch zwei weitere sowie zwei Siege im Teamsprint folgen ließ. Damit legte sie die Grundlage für den Gewinn der kleinen Kristallkugel, die ihr durch die Absage der Sprint Tour niemand mehr streitig machen konnte. Aber es war nicht alles eitel Sonnenschein: Wenn etwas mal nicht so gut läuft, wie zum Beispiel nach einem Sturz und die 20-Jährige nicht aufs Podium kommt, schießt sie ihren gefürchteten bösen Blick ab oder wirft später mit Gegenständen um sich, wie es in Trondheim gefilmt wurde. Ihre größte Konkurrenz kam neben der Slowenin Anamarija Lampic, die bei der Tour de Ski beide Sprints gewann, mit Jonna Sundling in erster Linie aus dem eigenen Lager, so dass sich der fast komplette Ausfall von Stina Nilsson verkraften ließ. Die 26-Jährige überraschte nun kürzlich mit einem sofortigen Wechsel zum Biathlon, zwei Jahre früher als ursprünglich in ihrer Karriereplanung vorgesehen. Pål Golberg ist ein weiterer Name, der in dieser Saison immer wieder von sich reden machte – nicht nur durch seinen überraschenden Sieg bei der Ski Tour, bei dem er allerdings auch vom schlechten Material Bolshunovs profitierte. Aber das war dennoch kein Zufallserfolg, denn der Norweger war schon seit Anfang Januar Dauergast in den Top10 gewesen. Der Sprintsieg in Falun sollte aber mit Ausnahme des Ski Tour-Triumphs sein einziger Saisonsieg bleiben, während Iivo Niskanen die einzigen beiden Klassik-Einzelstarts der Saison gewann – beide vor heimischem Publikum.
DSV-Team mit ungewöhnlicher Saisonplanung
Ziel des DSV-Teams in einer Saison ohne Großereignis war es, sich vereinzelte Rennen rauszupicken und dort Topleistungen abzuliefern, was teilweise auch sehr gut gelang. Herausragend war der erste Podestplatz von Katharina Hennig im Klassik-Massenstart der Tour de Ski, der ihr und dem Team eine Menge Motivation gab. Immer wieder schaffte sie den Sprung unter die besten Zehn, darunter auch ein erstklassiger sechster Platz im letzten Saisonrennen am Holmenkollen sowie Platz acht bei der Tour de Ski. Auch Lucas Bögl kam in Toblach zweimal unter die besten Zehn, was Jonas Dobler einmal in Davos gelang. Sechs weitere DSV-Athleten, nämlich Florian Notz, Sebastian Eisenlauer, Victoria Carl, Sofie Krehl, Laura Gimmler und Coletta Rydzek erreichten Plätze unter den besten 15 im Weltcup, Rydzek überraschte zusätzlich mit Platz zwei beim 100 Meter Super Sprint in Dresden. Ende Januar überraschte Peter Schlickenrieder im Fernseh-Interview mit der Aussage, dass das ganze Team für einen Monat den Weltcup verlassen würde, um sich akribisch auf die bevorstehende Heim-WM im nächsten Jahr in Oberstdorf vorzubereiten. Bei Fans sorgte das für Skepsis und Verwunderung, außerdem wurde das DSV-Team von Fans und anderen Athleten vor allem während der Ski Tour stark vermisst. Währenddessen lernten die Athleten also in ihren Trainings dutzende Male schwierige Anstiege wie den Burgstall kennen, was sich hoffentlich im nächsten Jahr auszahlen wird. Was noch nicht nach Plan verlief, sind die Weltcups nach der Wettkampfpause in Lahti, Drammen und Oslo, die das Teams als Test-WM ansah und dort die besten Saisonleistungen abrufen wollte – wie hoffentlich auch genau ein Jahr später in Oberstdorf. Aber die Sportler hatten die vielen Höhenmeter noch in den Beinen und klagten über schwere Beine, so dass sie bis auf wenige Ausnahmen die Hoffnungen nicht erfüllen konnten. Immerhin kamen die deutschen Athleten diesmal relativ verletzungsfrei durch den Winter, kämpften aber noch gegen den Trainingsrückstand wie Thomas Bing nach seinem komplizierten Beinbruch kurz vor der WM in Seefeld oder Victoria Carl, die sich unmittelbar nach den Titelkämpfen am Knie operieren ließ. Für Julia Belger war es ein verkorkster Winter: Kurz nach Saisonbeginn kugelte sie sich nachts die linke Schulter aus, an der sie sich im Januar schließlich operieren ließ. Für sie geht es Step by Step Richtung neue Saison. Vor wenigen Tagen passierte dann Jonas Dobler ein ähnliches Missgeschick – allerdings bei einem Sturz auf Skiern. Auch er musste sich einer Operation unterziehen und wird erst nach der Reha in die Saisonvorbereitung einsteigen.
Positive Saison für ÖSV und Swiss-Ski
Verletzungssorgen gab es auch in der Schweiz und im österreichischen Team. Teresa Stadlober hatte in den ersten Weltcup-Wochen noch mit den Nachwirkungen ihrer Mittelfußverletzung aus dem Sommer zu kämpfen, stürmte dann aber schon in Davos fast aufs Podium. Klassisch machte sich der Trainingsrückstand aber noch länger bemerkbar. Insgesamt verlief die Saison aber sehr positiv für die Österreicherin mit Platz drei im Skiathlon von Oberstdorf, einen vierten und einem fünften Platz sowie Gesamt-Rang sechs bei der Tour de Ski und Platz elf bei der Ski Tour. Ihre Landsfrau Lisa Unterweger sammelte ihre einzigen Weltcuppunkte im Sprint und im Distanzrennen in Davos, die ÖSV-Herren blieben bei ihren wenigen Einsätzen punktelos. Im Schweizer Team wird Nadine Fähndrich immer mehr zur Leistungsträgerin. Die 24-Jährige holte letztes Jahr ihr erstes Podium bei dem schwach besetzten Weltcup in Cogne vor der WM, in dieser Saison agierte sie in Sprints zwar auch noch oft unglücklich, schaffte zum Saisonende aber zweimal den Sprung aufs Podest. Nach Platz drei und zwei ist der erste Sieg nur noch eine Frage der Zeit. Für Laurien van der Graaff liegt die Zeit ihrer beiden Weltcupsiege nun schon eine Weile zurück, ihre Teamkollegin hat ihr den Rang als beste Schweizer Sprinterin abgelaufen. Mehr als eine Finalteilnahme war in dieser Saison im Einzelsprint nicht möglich, allerdings beendete sie ihre erste Tour de Ski auf der Alpe Cermis mit dem Kommentar: „Das war doch gar nicht so schwer!“ Im Teamsprint schaffte das Duo Platz drei und zwei und hofft nun auch dort auf den ersten Sieg. Für Dario Cologna verlief die Saison nicht so positiv wie die Vorjahre, auch wenn er nicht unzufrieden war: „Nur das letzte Quäntchen fehlt“ – mit Ausnahme von Davos, wo ihm der Sprung aufs Podium gelang. Sechste und siebte Plätze folgten für den 34-Jährigen. Roman Furger zeigte seine besten Leistungen mit Platz acht bei der Ski Tour, die er als 15. beendete sowie mit zwei Top15-Ergebnissen bei der Tour de Ski. Jovian Hediger gelang in diesem Winter einmal der Sprung in ein Halbfinale und auch für Jonas Baumann steht ein einzelnes Top15-Ergebnis zu Buche. Beda Klee und Jason Rüesch liefen immerhin mehrfach in die Punkte, während für Ueli Schnider die Saison kurz nach Beendigung seiner ersten Tour de Ski vor bei war: Auch er verletzt sich bei einem Sturz und er musste sich an der rechten Schulter operieren lassen, nachdem er sich vor Saisonbeginn schon eine leichte Fußverletzung zugezogen hatte.
Time to say Good-Bye
Auch in diesem Winter muss sich der Langlauf-Fan wieder von einigen bekannten Gesichtern verabschieden. Fünf Sportler erklärten ihr Karriereende, bei weiteren zwei Läufern steht auch offiziell ein dickes Fragezeichen hinter der weiteren Karriere, einige weitere werden sicher auch noch darüber nachdenken, ihre Ski in die Ecke zu stellen und erst in den nächsten Wochen eine Entscheidung bekanntgeben. Das deutsche Team muss in Zukunft auf Thomas Wick verzichten, der laut eigener Aussage nicht mehr in der Lage ist, seine gesteckten Ziele zu erreichen. Durch die Absage der Sprintrennen in Übersee mussten sich Katja Visnar, Teodor Peterson und Andrew Newell ohne erhofftes persönliches Ausrufezeichen aus dem Weltcupzirkus verabschieden. Diese Woche gab auch noch Eirik Brandsdal sein Karriereende bekannt, konnte sich aber immerhin mit einem Podestplatz in Konnerud verabschieden. Daniel Rickardsson liebäugelt schon seit längerem mit dem Karriereende, wurde aber wegen der schwedischen Leistungsflaute immer wieder zum Weitermachen überredet – nun könnte für den 38-Jährigen endgültig Schluss sein. Über das vermutliche Karriereende von Astrid Uhrenholdt Jacobsen, die ihr Medizin-Studium nun endlich beenden will, hatten wir bereits berichtet. Eine Entscheidung will sie zwar erst im Frühjahr bekanntgeben, es riecht aber alles danach, dass sie ihre Ski in die Ecke stellen wird. Zum Abschluss wäre sie gerne nach Übersee gereist, erhielt aber keine Freigabe von der Uni. So beendete sie unter Tränen ihr vermutlich letztes Rennen am Holmenkollen, im Januar feierte sie bei der Tour de Ski ihren wahrscheinlich letzten Sieg.
Corona und die Folgen
Wie es nach Corona weiter geht, steht noch in den Sternen. Höhentrainings werden im Frühjahr und Sommer wegen der Ausbreitung des Corona-Virus ausfallen und hier und da gibt es auch finanzielle Sorgen. Der Norwegische Skiverband, vorher schon finanziell angeschlagen, steht wegen der Absagen der Wettkämpfe beziehungsweise ohne Zuschauereinnahmen sogar vor der Pleite. Sämtliche Trainingscamps über den Sommer sind abgesagt, die Athleten sind auf sich allein gestellt. Der Vertrag mit dem Hauptsponsor Sparebank 1 läuft im Mai aus, ob er verlängert wird oder wer sonst ins Sponsoring einsteigen könnte, ist angesichts der Corona-Krise völlig offen. Schon vor einem Jahr wurde der Rekrutt-Kader aufgelöst, aus dem zusätzliche Starter für die Weltcups rekrutiert wurden – neben den Athleten aus der Nationalmannschaft. Diese Athleten, die es nicht in die Nationalmannschaft geschafft haben und dem U23-Alter entwachsen sind, werden nun seit 2019 nicht mehr gefördert und sind nun finanziell und in der Trainingsplanung völlig auf sich allein gestellt, um den einen oder anderen Weltcup-Start zu ergattern. Vermutlich werden nun nach der Corona-Krise die Kader weiter verkleinert, um die Finanzierungslücken zu stopfen. In Schweden geht man einen anderen Weg, Trainingscamps im eigenen Land sind aktuell geplant. Allerdings möglicherweise nicht mit allen AthletInnen, da laut Expressen drei große Namen mit den Trainingsplänen unzufrieden sind und sich unabhängig auf die Saison vorbereiten wollen.