Die Schweizer Biathleten haben einen neuen Cheftrainer. Auf Jörn Wollschläger folgt der Thüringer Alexander Wolf. Er übernimmt ab 1. Mai 2020 das Herrenteam der Schweiz.
Der nächste Schritt auf der Karriereleiter
Für viele überraschend, aber letztlich zu erwarten war der nächste Schritt auf der Trainer-Karriereleiter von Alexander Wolf. Nach sechs Jahren erfolgreicher Trainertätigkeit im Nachwuchsbereich, zuletzt am Sportgymnasium in Oberhof, war es für den 41jährigen studierten Diplom-Trainer des DOSB an der Zeit, sich als Trainer weiter zu entwickeln. „Ich habe bewusst ganz unten angefangen und als Trainer den Anspruch gehabt, dass ich meine Sportler Stück für Stück nach oben kommen sehe. Nun war es Zeit für eine Veränderung. Ich wollte in den Hochleistungsbereich, dass es gleich zum Weltcup-Trainer gekommen ist, freut mich natürlich. Ich bin sehr motiviert, dass wir in der Schweiz etwas Gutes auf die Beine stellen,“ so Ali Wolf, der derzeit in seiner Heimat, in Steinbach-Hallenberg darauf brennt, seine neue Aufgabe anzugehen. Sein „Wolfpack“, das sind die Jungs seiner Trainingsgruppe, waren natürlich traurig, dass ihr Trainer sie verlässt, können aber seine Gedanken und Wünsche nachvollziehen. „Ich glaube auch, dass es für sie eine Chance ist, jetzt wieder einen Input von einem neuen Trainer zu bekommen.“, so Wolf, der einige von ihnen die letzten sechs Jahre als Trainer begleitet hat.
Verlust für den Deutschen Skiverband
Wolf hat mit seinem Arbeitgeber, dem Deutschen Skiverband, viele Gespräche über seine Weiterentwicklung geführt. In einer offenen und fairen Diskussion hat ihm der DSV signalisiert, dass es Sinn machen würde, vielleicht im Ausland weitere Erfahrungen zu sammeln. Und so kam eins zum anderen. Der DSV hat die Tür geöffnet und die Schweiz hat Wolf zum richtigen Zeitpunkt die Möglichkeit geboten, ein Team mit viel Potenzial zu übernehmen. „Wir sind sehr offen und sehr fair miteinander umgegangen. Bernd Eisenbichler (Sportlicher Leiter) sagte zwar, es ist ein Verlust für den DSV, aber auf der anderen Seite kann er es auch verstehen; es ist eine tolle Möglichkeit sich dort weiterzuentwickeln und als Trainer den nächsten Schritt zu machen.“ Ali Wolf ist Bundespolizist und wurde für seine Ausbildung bis 2018 beurlaubt und als man auch dann keine freie Trainerstelle für ihn hatte, seinen Urlaub schließlich bis April 2022 verlängert. „Deswegen kann ich jetzt erst einmal die Herausforderung Schweiz annehmen und schauen, wie das anläuft und wie mir das gefällt. 2022 steht die nächste Entscheidung an.“ Ali Wolf war ein wichtiger Leistungsträger für den Deutschen Skiverband. Mit 19 Jahren ging der Thüringer in sein erstes Weltcuprennen, 2003 feierte er seinen ersten Sieg im Sprint im finnischen Lahti und im Winter 2007/2008 holte er bei den Weltmeisterschaften im schwedischen Östersund sowohl in der Verfolgung als auch mit der Staffel die Bronzemedaille. Acht Weltcupsiege, 25 Podestplätze und Teilnahme an den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City (2002), in Turin (2006) und in Vancouver (2010). Sotchi 2014 war sein großes Ziel, aber eine langwierige Verletzung am Fußwurzelknochen machte dies unmöglich und der Bundespolizist beendete im März 2013 seine aktive Karriere.
Andermatt ist Stützpunkt der Herrenmannschaft
Das Training wird am 1. Mai definitiv starten, auf welche Weise, das muss aufgrund der derzeit bestehenden Beschränkungen abgewartet werden. Das ursprünglich für Anfang Mai auf Kreta geplante Radtrainingslager fällt jedenfalls flach. „Wir werden jetzt abwarten, wie es weitergeht, welche Maßnahmen die Regierungen ergreifen, wo Lockerungen entstehen und ob man in der Schweiz dann ein ordentliches Training machen kann, oder ob man nicht in Gruppen zusammen trainieren darf. Wir organisieren uns jetzt erst einmal in Videokonferenzen, aber um mir einen Eindruck zu verschaffen, stehe ich meinen Sportlern lieber Auge in Auge gegenüber.“ Die meiste Zeit der Stützpunktwochen wird Ali Wolf in Andermatt verbringen. Zusammen mit seinem Assistenztrainer Daniel Hackhofer betreut er die neun Athleten der Elite. Im Winter wird er zusammen mit der Damentrainerin Sandra Flunger den Weltcupbereich abdecken, sein Assistenztrainer Hackhofer zusammen mit Andreas Kuppelwieser das IBU-Cup Team. „Aus der Mannschaft, die wir im Sommer betreuen und mit der wir die Lehrgänge zusammen absolvieren, wird das Weltcup- und das IBU-Cup Team entstehen. „Die Schweizer sind gut aufgestellt, mit arrivierten Athleten, wie z. B. Benjamin Weger, der für mich definitiv zur erweiterten Weltspitze gehört, aber auch viele junge Athleten, die sich im Nachwuchsbereich sehr stark in den Vordergrund gearbeitet haben. In den letzten Jahren wurde in der Schweiz sehr gute Nachwuchsarbeit geleistet“, so Wolf, der seine Sportler, vor allem die Jungen, erst einmal kennen lernen muss, sich ein Bild machen möchte, wo deren Stärken und Schwächen liegen und wo man ansetzen muss. „Das ist von außen relativ schwierig und ich hoffe, dass sich bald alles lockert und ich mit meiner Arbeitsgenehmigung in die Schweiz einreisen darf.“ Ali Wolf war zwar früher als Athlet in Andermatt, aber das ist viele Jahre her und er ist gespannt auf die erste Stützpunktwoche und auf die Voraussetzungen und Möglichkeiten dort. Ob Ali Wolf mit seiner Ehefrau und seinem Sohn ganz in die Schweiz umziehen wird, steht noch nicht fest. „Wenn ich in der Welt unterwegs bin, ist es leichter, wenn meine Frau daheim ist, auch wegen dem sozialen Umfeld. Wir werden sehen, wie sich das Ganze entwickelt, aber ich bin nicht abgeneigt, komplett in die Schweiz umzuziehen.“
Eine reizvolle Aufgabe
In der Schweiz gibt es sicher nicht die Masse an Biathletinnen und Biathleten, aber viele individuelle Sportler, die gute Leistungen bringen. „Es lohnt sich, dort anzupacken und da kann auch etwas Gutes daraus entstehen. „Es ist eine reizvolle Aufgabe und ich nehme die Herausforderung gerne an. Ich hoffe natürlich, dass die Saison wie geplant stattfinden kann. Die Jungs werden jetzt ein Jahr fleißig trainieren und es wäre schon ärgerlich, wenn die Wettkämpfe dann nicht stattfinden könnten. Wir müssen jetzt einfach abwarten, wann wir mit dem Training zusammen beginnen können.“ Wolf, der bisher tagtäglich mit seinen Athleten gearbeitet hat, muss erst einmal einen Einblick in das schweizerische System finden, das sich von den Profis im deutschen Hochleistungsbereich deutlich unterscheidet. Es wird immer wieder Zusammenkünfte mit Stützpunkttraining, Lehrgängen oder Wettkämpfen geben, dann sind die Athleten wieder eine Woche allein im Heimtraining oder arbeiten sogar dazwischen mal eine Woche, also eine komplett andere Situation. „Das wird spannend, da erst einmal einen Einblick zu bekommen und das zu koordinieren, so dass am Ende Leistung dabei rauskommt. Das wird sich in den nächsten Wochen und Monaten alles klären und ich glaube, dass wir eine erfolgreiche Mannschaft aufstellen können, die dann auch ihre Ziele verfolgt und erreichen wird. Die Schweizer sind eine aufstrebende Biathlonnation, da steckt viel Potenzial drin, was man natürlich mit hartem Training rauskitzeln muss, aber da ist das Frauen- wie auch das Männerteam für die Zukunft gut aufgestellt.“