Von Thomas Freimuth
Das Land befindet sich im Lockdown, gemeinsam müssen wir mit dem Corona Virus eine riesige Herausforderung bestehen. All unsere AusdauerNetzwerk Skilanglaufcamps mussten für diesen Winter abgesagt werden. Es schmerzt, nicht zusammenkommen und die gemeinsame Leidenschaft teilen zu können. Mit einem besonderen Abenteuer auf Langlaufski will ich die Zeit trotzdem nutzen. Das Projekt #bayerwaldloipe zielt darauf ab, Motivation für die Zeit nach dem Virus zu schaffen und zu zeigen, was möglich sein kann. Es wurde unter strenger Einhaltung aller Coronaregeln und entsprechender Genehmigungen durchgeführt.
Der Wecker klingelt um 4:00 Uhr morgens. Er hätte auch schon früher klingeln dürfen, ich kann es kaum erwarten los zu starten! Die Anspannung und Vorfreude sind auf dem Höhepunkt. Auch um diese Zeit gibt es wie jeden Tag Haferschleim, für mich die beste Grundlage um gut durch jedes Training, jeden Wettkampf oder einfach fit durch den Tag zu kommen. Heute werde ich sie brauchen können! Zwei Paar Ski wurden am Vortag wettkampfmäßig präpariert, vier Paar Stöcke mit unterschiedlich großen Stocktellern für verschiedenste Schneebedingungen und ein Paar Laufschuhe warten auf ihren Einsatz. Sechs Liter Xenofit Sportgetränk, eine Schachtel Kohlenhydratriegel, geschmacklich bunt gemischt und Bananen sind an Bord.
Es geht los!
Gemeinsam mit meinem Dad und Foto Tobi fahren wir zum Startpunkt der Loipe, um die schon seit einigen Jahren meine Gedanken kreisen. Dort treffen wir Mario, er hat die Loipe bereits zweimal bezwungen, das letzte mal gemeinsam mit dem aktuellen Teamchef der deutschen Skilangläufer, Peter Schlickenrieder, und dessen Frau Andrea. Drei Tage waren sie unterwegs und total begeistert. Die Bayerwaldloipe, 145 Kilometer lang schlängelt sie sich durch den Bayerischen Wald vom Startpunkt Scheibe oberhalb von Lohberg bis nach Jandelsbrunn. Auf dem Weg gilt es 2.500 Höhenmeter zu überwinden. Nachdem ich über die letzten Jahre, ja Jahrzehnte, viel Erfahrung im Skimarathon und Ultrabereich gesammelt hatte, wurde die Frage in mir immer lauter, ist es zu schaffen die Bayerwaldloipe nonstop, in einem durch, an einem Tag zu meistern? Das Projekt #bayerwaldloipe war geboren. Als mich Mario, er hatte sich dem Projekt inzwischen als Manager verschrieben, anrief, in drei Tagen passen die Bedingungen, das Zeitfenster wäre ideal, konnte es los gehen. Ich kann es nicht mehr erwarten, der Druck dieser gewaltigen Strecke wandelt sich in eine Energie um, die ich kaum noch bändigen kann. Kurz vor 6:00 Uhr mache ich mich im Lichtkegel meiner Stirnlampe auf den Weg. Das Gefühl ist großartig, ich muss mich im anspruchsvollen Gelände des Langlaufzentrum Scheibe bremsen um einen flotten, aber ökonomischen Rhythmus zu finden. Es wird ein langer Tag und es gilt durchzuhalten! Ausgerüstet mit einem GPS Tracker, der meinen Betreuern zeigt wo ich mich gerade befinde, stürze ich mich nach drei Kilometern Auf und Ab in die abenteuerliche Abfahrt vom Brennes Richtung Bayerisch Eisenstein. Ähnlich einer Passtraße geht es hier bergab und in der Dunkelheit fühlt sich die Geschwindigkeit deutlich höher an.
Der Schnee glitzert, die schneebedeckten Bäume winken mir leise zu, es hat Minusgrade und bald soll die Sonne aufgehen, welch ein wunderbarer Wintertag in meiner Heimat, dem Bayerischen Wald. Über welliges Gelände, mit einigen kleinen Rampen wie es für das Mittelgebirge typisch ist, schiebe ich mich Schub um Schub dem Ziel entgegen. Vorbei an der Seebachschleife, welch ein idyllischer, friedlicher Ort, nach Regenhütte und weiter nach Rabenstein. Bis hierher hatte ich mir die Strecke zwei Tage zuvor noch einmal angeschaut. Dies stellt sich als ein guter Schachzug heraus, um in der Dunkelheit und den zum Teil sehr schnellen Abfahrten mehr Sicherheit zu haben. Nun setzt die Dämmerung ein. Das orange weiße Schild mit der Aufschrift „Bayerwaldloipe“ weist mir den Weg. Nach einer weiteren, schnellen und kurvenreichen Abfahrt erreiche ich nach nicht einmal zwei Stunden das Skistadion von Zwiesel. Der Sonnenaufgang ist in vollem Gange.
Zu Fuß durch Zwiesel
In der Glasstadt Zwiesel gilt es eine Lücke in der Bayerwaldloipe von gut fünf Kilometern zu füllen. Die Strecke aus eigener Kraft zu schaffen, ist Ehrensache. So habe ich mich entschieden, das Teilstück zu Fuß laufend zu überbrücken. Der Wechsel in die Laufschuhe bietet die Gelegenheit für ein erstes Stück Banane, ein leckeres Kohlenhydrat-Frühstücksgetränk und das Handy für eine Zeit zum Aufladen abzugeben. Während des kurzen Laufes kreisen meine Gedanken um die kommenden Streckenteile, denn die Strecke körperlich zu schaffen ist das eine, sie zu finden das andere. Mein Gefühl ist gut, ich liege gut in der Zeit, das Warten auf die mit Sicherheit kommende Müdigkeit darf sich gerne in die Länge ziehen. Ortsausgang Bärnzell. Hier lebt der Weltcupsieger im Sprint von Düsseldorf, Josef Wenzl und seine Familie. Es geht wieder auf die Ski, ab in die Loipe. Bevor ich weiter schiebe, bespreche ich mich kurz mit Mario welchen Verlauf die Strecke nimmt, auf was zu achten ist, wann und wo wir uns wieder treffen. Diese Besprechungen sollten immer wichtiger werden!
Schub für Schub geht es weiter, ich versuche die Frequenz zu wechseln und auf verschiedene technische Dinge zu achten, um keine Eintönigkeit aufkommen zu lassen. Als kleine Zwischenziele setzte ich mir Wegpunkte, an denen ich mich wieder verpflegen werde. Ich nehme ein paar Schluck aus meinem Coxa Carry Trinkschlauch, das Energielevel im Körper sollte auf keinen Fall absinken. Die Strecke geht am Taferlbaum vorbei, hier hatte ich als Kind schon trainiert und weiter bergauf bis knapp unter den Wagensonnriegel. Ein Bergrücken den ich von zu Hause aus sehen kann. Es müssen viele alte Buchen an der Loipe stehen. Die Bucheckern werden von Buchen produziert, wenn sie ein Alter von 40 bis 80 Jahren erreicht haben. Sie verleiten mich zu häufigeren Spurwechseln, trotzdem ist es ein schönes Gefühl, durch einen Wald zu gleiten der mindestens genauso alt ist wie man selbst. Nun geht es leicht abfallend der nächsten Station, Klingenbrunn entgegen.
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Hallo Trainer 🙂
spannendes Projekt und toller Bericht!
Wenn Corona vorbei ist, würde ich auch gerne sowas in Angriff nehmen. Allerdings müsste ich wohl eine Übernachtung einplanen …
Auf meiner „bucket-list“ steht auch noch die Strecke des „Rucksacklaufs“ im Schwarzwald. Ein ähnliches Projekt 🙂
Grüße Thomas