Die letzte lange Steigung ist geschafft und ich gebe Gas. Das Ziel lockt und das Knacken der vier Stunden Marke ist immer noch möglich. Voller Adrenalin stürze ich mich in die Abfahrt von der Wildmoos in Richtung WM-Stadion.
Aber alles der Reihe nach und von Anfang an! Herausforderungen sind doch etwas Wunderbares. Sie motivieren uns beim Training und geben uns ein absolutes Glücksgefühl, wenn wir sie gemeistert haben. Meist sind sie mit Wettkämpfen verbunden, aber manchmal findet sich eine Herausforderung auch ganz einfach in einer Loipe. Die Kaiser Max Runde in der Olympiaregion Seefeld kombiniert beides. Einst Rennstrecke des Kaiser Maximilian Laufs kann man die knapp 60 Kilometer inzwischen ohne Wettkampfstress aber immer noch sportlich ambitioniert absolvieren. Und genau das habe ich mir vorgenommen. Ich will die Distanz zwar zügig schaffen, aber mit Genuss im Ziel ankommen.
Im Vorfeld habe ich mir selbst die eine oder andere längere Trainingseinheit auferlegt und reise am Vortag mit einem guten Gefühl in Seefeld an. Die Ski sind präpariert, die Ausrüstung bereitgelegt. Die Strecke habe ich mir auf meine GPS-Uhr geladen, denn ausgeschildert ist sie nicht. Sie folgt aber immer der Laufrichtung der unterschiedlichen Loipen der Region. Wer mag, kann sich also auch die Streckenfolge auf einen Merkzettel schreiben. Am nächsten Morgen mache ich mich um kurz vor neun Uhr am Seekirchl auf den Weg. Die Loipen sind wie immer top gepflegt und so laufe ich locker und in schnellem Schritt am WM-Stadion vorbei in Richtung Mösern. Auf dieser ersten Schleife gilt es auch Teile der WM-Strecken zu absolvieren, allerdings sind diese Streckenabschnitte für jeden sportlich-ambitionierten Langläufer zu meistern. Nach der Wende kurz vor Mösern geht es in welligem Terrain zurück nach Seefeld und oberhalb der Loipenbrücke in den langen Anstieg hinauf nach Wildmoos. Plötzlich bemerke ich einen Läufer hinter mir, der sich langsam nähert. Als er an mir vorbeizieht, erkenne ich Sergej Ustiugov, den Ex-Weltmeister aus Russland. Ich versuche dranzubleiben und es gelingt mir … für genau 200 Meter. Dann muss ich ihn trotz seines lockeren Laufes ziehen lassen, denn ich habe deutlich vor Augen, was mir heute noch bevorsteht.
Dennoch erreiche ich zügig Wildmoos, das Hochmoor, das Seefeld vom Leutaschtal trennt. Über Wildmoossee und Lottensee, die nur alle paar Jahre mit Wasser gefüllt sind, geht es auch vorbei an den ersten beiden Spitzen im Höhenprofil. Es folgt eine schnelle Serpentinenabfahrt hinunter in Richtung Buchen. Die gibt mir Zeit zur Erholung und lässt meine Durchschnittsgeschwindigkeit wieder nach oben schnellen. Auf dem Weg nach Muggenmoos muss ich dann zum ersten Mal die Ski abschnallen, um die Zufahrt zum 5-Sterne-Superior Hotel Interalpen zu überqueren. Auf der gesamten Distanz ist dies nur acht Mal notwendig. Meist sorgen Brücken oder Unterführungen für eine reibungslose Querung.
Eine weitere schnelle Abfahrt bringt mich schließlich nach Moos und von hier geht es nahezu flach beziehungsweise in moderaten Steigungen und Gefällen durchs Leutaschtal. Ich fliege förmlich vorbei an den Ortsteilen Ostbach sowie Platzl und gelange schließlich kurz vor dem Alpenbad auf die mir bekannte Snowfarming-Loipe, die inzwischen mit reichlich Naturschnee bedeckt ist. Eine weitere Unterführung und schon laufe ich über den Startplatz des Ganghoferlaufs. Weiter geht’s vorbei an Weidach und vielen kleineren Orten in Richtung Wendepunkt in Unterleutasch. Langsam kommt Hunger auf und da ich die Tour ja mit Genuss verbinden wollte, mache ich einen Boxenstopp. Im Gasthaus Brücke bekomme ich einen echt geilen Kaiserschmarrn serviert, der mir verlorene Energie schnell wieder zurückbringt. Entlang der Strecke gibt es übrigens zahlreiche Einkehrmöglichkeiten. Verhungern dürfte auf diesen knapp 60 Kilometern nur schwer möglich sein!
Beim Zwischenstopp habe ich mir auf der Karte noch einmal den Rückweg vor Augen geführt. Ich befinde mich am tiefsten Punkt der Strecke und muss nun zurück nach Moos, wo die Schlusssteigung hinauf nach Wildmoos beginnt. Aber die leichte Steigung durchs Leutaschtal bemerke ich kaum und mit dem Kaiserschmarrn im Bauch bleibt das Tempo weiter sportlich. Auch im steilen Anfangsstück von Moos nach Muggenmoos läuft es richtig gut und die vier Stunden Marke (ohne die Pausenzeit natürlich) bleibt weiter in Reichweite. Als dann der zweite Teil des Anstiegs auch noch kürzer ausfällt als gedacht, gibt es kein Halten mehr. In schnellem Schritt geht es vorbei am Golfplatz und am Wildmoossee. Auf der Schleife entlang der Torfstich Loipe überhole ich sogar zwei Nachwuchsbiathleten, die aber eher locker unterwegs sind. Es folgt die rasante Abfahrt hinunter zum WM-Stadion mit ihren kurzen aber knackigen Gegenanstiegen.
Als ich die Loipenbrücke überquere und vor mir die Schanzen auftauchen, weiß ich, dass es nicht mehr weit bis zum Ziel ist. Auf dem letzten Kilometer lasse ich noch einmal die gesamte Strecke Revue passieren und laufe mit einem breiten Grinsen nach etwas mehr als 58 Kilometern, 900 Höhenmetern und einer reinen Laufzeit von unter vier Stunden am Seekirchl über die imaginäre Ziellinie. Geschafft! Ich bin zwar müde aber glücklich und natürlich deutlich entspannter, als nach einem Wettkampf. Was für ein Erlebnis, das ich nur jedem einmal empfehlen kann!
Die genauen Daten der Kaiser Max Runde und die GPS-Datei findet ihr hier: www.seefeld.com