Olympische Spiele Peking: Russland souveräner Sieger in Langlauf Staffel

Alexey Chervotkin (RUS), Alexander Bolshunov (RUS), Denis Spitsov (RUS), Sergey Ustiugov (RUS), (l-r) © Modica/NordicFocus

Durch eine frühe Attacke waren die Russen Alexey Chervotkin, Alexander Bolshunov, Denis Spitsov und Sergey Ustiugov eine Klasse für sich und ließen nie einen Zweifel an ihrem Olympiasieg aufkommen. Silber ging an Norwegen, Bronze an Frankreich. Das deutsche Quartett belegte einen guten fünften Platz. 

Chervotkin reißt Lücke, Brugger stark

Federico Pellegrino (ITA), Janosch Brugger (GER), (l-r) © Modica/NordicFocus

In den Chongli-Bergen bei Zhangjiakou herrscht heute der stärkste Schneefall seit 13 Jahren in der für seine Trockenheit bekannten Region. Zehn Zentimeter Neuschnee mischen sich mit dem Kunstschnee, aus dem die Strecke besteht. Der heutige Kurs auf der 3,3 Kilometer-Schleife hat es mit einer grenzwertigen Gesamtzahl an Höhenmetern wieder in sich, der schwierige und lange Anstieg wartet diesmal erst in der zweiten Hälfte der Runde, zuvor ging es eher wellig bergauf bis auf dieselbe Höhe. Angesichts der Wetterbedingungen mit Schneefall, -11°C und eisigem Wind auf der herausfordernden Strecke war schnell klar, dass das Tempo gering sein würde und niemand gerne in der Führung unnötig Kräfte verpulvert. Das norwegische Team hatte überraschend Emil Iversen als Startläufer aufgestellt, der in dieser Saison noch gar kein gutes Rennen gezeigt hat und durch seine Vorleistungen schon sehr früh nominiert wurde, was zu vielen Diskussionen führte. Nachdem nun die Ursache für die schwachen Leistungen bekannt ist, ein Übertraining, und die Form inzwischen sehr gut sein soll, war der Norweger extrem enttäuscht, dass er nicht im Intervallstart laufen durfte und bekam nun als Ersatz die Startläuferposition in der Staffel.

Zunächst reihte er sich hinter Alexey Chervotkin und Janosch Brugger ein, die das Tempo bestimmten. Ungewöhnlich früh für einen Medaillenkandidaten fiel das finnische Team schon Anfang der zweiten Runde durch Ristomatti Hakola zurück, für den dieses Staffelrennen „zur schlimmsten Erfahrung seines Lebens“ wurde. Kurz darauf setzte Chervotkin die erste Attacke, mit der er nach vier gelaufenen Kilometern für die entscheidende Lücke sorgte. Vor vier Jahren hatte der 26-Jährige noch große Schuldgefühle, als er als dritter Russe den Anschluss verlor, so dass es nur Silber wurde. Unter der Tempoarbeit von Janosch Brugger und Federico Pellegrino bekam in der dritten Runde zunächst Sprinter Oskar Svensson Probleme, dann mit Richard Jouve der nächste Sprinter und am letzten Anstieg der Runde sogar noch Emil Iversen, der später bei NRK zu seiner Nominierung sagte: „Es ist nicht gut, dass ich nicht mit Pellegrino und dem Deutschen mitgehen konnte. Ich musste ein langsameres Tempo anschlagen. Ich habe getan, was ich konnte. Das war schlecht, aber es war alles, was möglich war. Ich habe es nicht geschafft, so hatten die anderen eine schwere Zeit. Die letzten Tage waren sehr speziell. Ich bin froh, dass ich nominiert wurde und enttäuscht, dass ich es nicht besser gemacht habe. Es war okay. Nicht meine beste, aber auch nicht meine schlechteste Leistung.“ Noch schlechter erging es Oskar Svensson: „Ich habe mich toll gefühlt, aber dann im Anstieg ging ganz plötzlich gar nichts mehr“, so der Schwede im Fernseh-Interview. Zum ersten Wechsel reduzierte sich Russlands Vorsprung auf das Verfolgerduo auf 23 Sekunden. Für Janosch Brugger war es sein persönlich bestes Rennen bei diesen Spielen. „Ich bin von Rennen zu Rennen besser geworden“, sagte er später selbst. 

Viele Positionswechsel bei zweiten Läufern

Hugo Lapalus (FRA), William Poromaa (SWE), (l-r) © Modica/NordicFocus

Norwegens Pål Golberg konnte die zehnsekündige Lücke zu Francesco De Fabiani und Friedrich Moch schnell wieder zulaufen, erholte sich und löste sich dann mit guter Form und schnellem Ski aus der Gruppe – Bolshunov baute den russischen Vorsprung allerdings weiter aus. Das deutsch-italienische Duo erhielt in der dritten Runde Gesellschaft von dem französisch-schwedischen Verfolgerduo Lapalus/Poromaa, wodurch sich eine neue Situation ergab: De Fabiani übersäuerte und konnte nicht mehr mithalten und wurde kurz darauf von dem bärenstarken Iivo Niskanen eingeholt. William Poromaa, der später im schwedischen Fernseen äußerte, er habe sich heute „unsterblich“ gefühlt, erhöhte nach dem Zusammenschluss weiter das Tempo, so dass auch Friedrich Moch mit sichtbar nachlassendem Steigwachs nicht mehr folgen konnte. Zur Halbzeit des Rennens lag Russland durch die starken Alexey Chervotkin und Alexander Bolshunov eine Minute vorn vor Golberg und Poromaa. Iivo Niskanen, Hugo Lapalus und Friedrich Moch, der wegen seiner Stärke in beiden Techniken und großem Selbstvertrauen um die stark besetzte zweite Position gebeten hatte, kamen zehn Sekunden später zum Wechsel. Damit hat der Finne Hakolas 1:47 Minuten Rückstand auf 1:09 Minuten reduziert im Vergleich zu dem schnellen Alexander Bolshunov. „Ich habe mich gut gefühlt. Ich wollte gleichmäßige Runden laufen, weil man seine Kräfte gut einteilen muss. Ich habe dann gemerkt dass der Italiener etwas nachlässt, da musste ich dann vorbei. Am Ende hat es nicht mehr ganz geklappt. Schade, dass ich nicht mit dem Schweden mithalten konnte“, sagte Friedrich Moch kurz darauf. 

Notz fällt aus Verfolgerquartett

Florian Notz (GER) © Modica/NordicFocus

Nach dem Wechsel zu den ersten Freistilläufern bildete sich schnell ein Quintett hinter Russlands Denis Spitsov mit Hans Christer Holund, Jens Burman, Clement Parisse, Florian Notz und Perttu Hyvärinen. Der Finne konnte aber nach seinem tollen Klassikrennen heute schon in der ersten Runde nicht mehr mitgehen, so dass Niskanens Energieleistung nicht belohnt wurde. Hyvärinen brach völlig ein und verlor Sekunde um Sekunde. „Wenn es knallt, steht man da wie eine Lampe am Streckenrand“, hatte Schlickenrieder diesen Zustand beschrieben. Am etwa zwei Minuten langen Anstieg der zweiten Runde musste auch Florian Notz, der als Spezialist für Freistil und schwere Rennen in die Staffel geholt wurde, um Anschluss kämpfen – erfolglos. Im Stadion betrug sein Rückstand nur zwölf Sekunden, was sich im Laufe seiner letzten Runde bis auf 1:05 Minuten auf die Gruppe summierte. Russland lag auch nach Spitsovs zehn Kilometern noch uneinholbar mit 45 Sekunden in Führung gefolgt von Holund, Burman und Parisse, der gerade noch Kontakt zu dem Duo hielt.

Ustiugov kaum gefordert

Alexander Bolshunov (RUS), Sergey Ustiugov (RUS), (l-r) © Modica/NordicFocus

Nun kämpften also noch drei Schlussläufer um zwei Medaillen: Johannes Høsflot Klæbo, Johan Häggström und Maurice Manificat. Auch wenn Frankreich dafür bekannt ist, dass sie da sind, wenn es Bronzemedaillen verteilt werden, war klar, dass sie in dieser Zusammensetzung im Zielsprint keine Chance haben würden. So war es der 35-jährige Franzose, der schon in der ersten Runde versuchte, die anderen mit einer Attacke zu überraschen. Diese wurde allerdings vom Norweger gekontert, der sich maximal 14 Sekunden absetzte. In der zweiten Runde kam allerdings auch für den Norweger der Mann mit dem Hammer, Manificat flog geradezu vorbei, aber Klæbo hängte sich dran. Nun war es um den schwedischen Sprinter Johan Häggström geschehen, der seine Medaillenhoffnungen nach etwa der Hälfte seiner zehn Kilometer begraben konnte. Völlig ungefährdet sicherten sich Alexey Chervotkin, Alexander Bolshunov, Denis Spitsov und Schlussläufer Sergey Ustiugov die Goldmedaillen in einem schweren Rennen mit einer Laufzeit von 1:54 Stunden für 4×10 Kilometer und feierten damit das erste Staffel-Gold seit 1980. Ustiugov hatte schon auf der Schlussrunde bei vielen Betreuern das Tempo verringern und abklatschen können und lief dennoch mit 1:07 Minuten Vorsprung ins Ziel ein. Mit diesem Titel ist Alexander Bolshunov der erste Doppel-Olympiasieger der russischen Langlauf-Geschichte, der bei denselben Spielen zweimal Gold gewinnt. 

Klæbo sorgt für Entscheidung auf der Strecke

Johannes Hoesflot Klaebo (NOR) © Modica/NordicFocus

In der Abfahrt vor dem letzten Anstieg sorgte Johannes Høsflot Klæbo ohne große Tempoverschärfung für die entscheidende Lücke, so dass Manificat sich nur noch nach hinten umdrehen und Häggström auf Distanz halten konnte. Der hatte auf der Schlussrunde aber keine Kraft mehr und büßte noch deutlich ein. So sicherte sich das norwegische Quartett Silber, Bronze ging einmal mehr an Frankreich. „Wir können den Russen nur gratulieren, sie waren einfach stärker als wir heute“, sagte Golberg. Die Schweden, die es mit der Taktik der Damen mit zwei Sprintern auf Position eins und vier versuchten, mussten wie viele andere Nationen feststellen, dass zehn Kilometer auf dieser schweren Runde einfach zu hart für Sprinter sind. Rang fünf ging nach einem einsamen Rennen für Schlussläufer Lucas Bögl an das deutsche Quartett, die im Gegensatz zu den Damen ohne wirkliche Medaillenchance ins Rennen gegangen waren. Finnland belegte mit großem Abstand Platz sechs. Die Schweizer lieferten sich gegen Italien noch einen Zielsprint um Platz sieben, den Roman Furger gegen den jungen Davide Graz gewann. Das Quartett der Eidgenossen hatte durch Startläufer Dario Cologna gut in der zweiten Gruppe mitgehalten, Jonas Baumann verlor dann aber den Anschluss an Teams wie Frankreich und Schweden, so dass sich das Quartett dann auch auf den Freistilstrecken mit Candide Pralong und Roman Furger im Bereich von Platz sieben und acht festsetzte.

DSV: „Lachendes und weinendes Auge“

Das deutsche Quartett wurde „frech“ aufgestellt, „jung rennt voraus“, wie Peter Schlickenrieder vor dem Start sagte. „Heute ist das Wachsen schwierig, unsere Klassisch-Wachler haben die Medaillenparty schon um 10 Uhr verlassen. Da habe ich mich schon gewundert, aber die hatten keine Ruhe wegen dem Wetterbericht und seit 5 Uhr schneit es durchgehend.“ Lucas Bögl äußerte sich nach dem Rennen überrascht über die Konsistenz der weißen Flocken: „Es ist unvorstellbar trockener Schnee, selbst bei 10 Zentimeter Neuschnee kannst du bis zum Boden durchschauen. Das habe ich noch nie gehabt, dass der Neuschnee so trocken ist. Es läuft sich dann wie auf einem Reibeisen. Ich glaube, wir haben noch eins der feinsten Reibeisen am Fuß gehabt. Aber es war knüppelhart.“ Der 31-jährige Schlussläufer und seine Kollegen haben „alles gegeben, Janosch und Friedrich haben ein sensationelles Rennen gemacht und mir in einer sehr, sehr schönen Position übergeben, aber Franzosen, Schweden und Norweger waren mir heute eine Nummer zu groß“, so Florian Notz. Mit Platz fünf in einem harten Rennen ist das Team mehr oder weniger zufrieden, aber „eine olympische Staffel, egal ob einsam oder nicht, ist das Größte, was man machen kann. Wir waren gestern natürlich emotional sehr aufgeladen nach dem Rennen unserer Frauen. Man träumt natürlich, dass man auch die Sensation schaffen könnte“, sagte Lucas Bögl. „Dennoch ist ein fünfter Platz gut, aber man ist trotzdem enttäuscht. Man ist bei Olympia und da zählen nur die Medaillen, darum haben wir ein lachendes und ein weinendes Auge.“

=> Ergebnis 4 x 10 Kilometer Staffel Herren

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