Nachdem zuvor das Internationale Olympische Komitee den Start neutraler Russen unter bestimmten Voraussetzungen befürwortet hatte und die Ski Classics russische und belarussische Sportler weiter nicht starten lassen, wurde die Entscheidung des Internationalen Skiverbandes auf dem 54. FIS-Kongress in dieser Woche mit Spannung erwartet. Schließlich scheiden sich auch bei den Fans die Geister, ob die Sportler aus politischen Gründen weiter ausgeschlossen bleiben sollen oder nicht…
FIS entscheidet erst im Herbst
Donnerstag Mittag sollte auf dem 54. FIS Kongress die Entscheidung über den Start russischer und belarussischer Sportler fallen. Schon am Dienstag erklärte aber Elena Välbe, die Präsidentin des russischen Skiverbandes, in einem Interview mit MatchTV: „So weit wir wissen, wird die FIS auf diesem Kongress keine Entscheidung treffen, sie planen, die Entscheidung um unsere Athleten auf September zu vertagen.“ Auch andere Nationen berichten inzwischen von der Vertagung. „Das Thema wird diskutiert werden, aber es ist besser, es ist besser, eine späte Entscheidung zu treffen, wie wir zu diesem Thema stehen“, sagte der Vize-Generalsekretär Niklas Carlsson zum schwedischen Expressen. „Es wird sicherlich eine situationsorientierte Entscheidung, die wir im Laufe der Zeit treffen.“ Die FIS hofft offenbar, dass der Krieg in der Ukraine bis zum Herbst beendet ist, um dann ohne große Widersprüche die Athleten wieder zulassen zu können. Bis zur Entscheidung bleiben beide Nationen weiterhin von internationalen Wettkämpfen ausgeschlossen. Ein Start unter neutraler Flagge kommt für Elena Välbe aber ohnehin nicht in Frage. So sagte sie noch Mitte Mai in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur RIA: „Ich habe keine Ahnung, was die FIS entscheiden wird. Ob sie einige Athleten zulassen und andere nicht. Aber ich bin kategorisch dagegen, dass unser Team international ohne Flagge und Hymne antritt.“ Kürzlich hatten sich die führenden Köpfe der G7 Nationen bei einem Treffen in Hiroshima noch für die Empfehlung des IOC, die Athleten unter bestimmten Bedingungen wieder zu Wettkämpfen zuzulassen, stark gemacht. In der Erklärung hieß es, man solle Sport und Politik nicht vermischen. Damit stehen die skandinavischen Nationen mehr und mehr alleine da mit ihrer Forderung, die Sportler weiter komplett auszuschließen.
Ukrainischer Boykott angekündigt, aber auch kritisiert
Als bekannt wurde, dass das IOC über eine Wiederzulassung russischer und belarussischer Sportler nachdenkt, regierte die Ukraine wie auch andere Sportler und Nationen mit Empörung und kritisierte die Überlegungen. Für die Ukrainer sei es unvorstellbar, gemeinsam mit russischen Athleten im Wettkampf anzutreten. Die ukrainische Regierung verhängte ein Sportverbot bei Veranstaltungen, wo russische und belarussische Athleten wieder startberechtigt sind. Das war diesen Mai bei der Judo-WM der Fall, wo die Ukraine einen Start absagte, weil aktive Soldaten am Start seien. Allerdings gibt es innerhalb der Ukraine auf Kritik an den Maßnahmen der Regierung. Besonders ein möglicher ukrainischer Boykott der Olympischen Spiele in Paris schockt die Athleten, die „die Bühne nicht den Terroristen überlassen“ wollen. Laut Ansicht der Ukraine dürften viele russische Sportler ohnehin nicht als „neutraler Sportler“ antreten. Das ukrainische Sportministerium führt eine nach Sportarten sortierte Liste, welcher Russe oder Belarusse nicht neutral ist und aus welchen Gründen. Als Begründung führt die Ukraine Aussagen aus sozialen Netzwerken, Interviews oder Anwesenheit bei Putins Propaganda-Veranstaltungen an. Beim „Tag des Sieges“ am 9. Mai 2023 wurde Veronika Stepanova, eine bekennende Putin-Unterstützerin, als einzige Athletin in Moskau gesichtet, nachdem ein Jahr zuvor noch mehrere Sportler bei der Parade dabei waren.
272 tote Leistungssportler – zahlreiche zerstörte Sportanlagen
Unabhängig von der Entscheidung der FIS steht fest, dass es auch nach Ende des Krieges noch lange dauern wird, bis im ukrainischen Sport wieder alles in geordneten Bahnen verläuft. Ende April veröffentlichte der norwegische TV-Sender NRK auf seiner Webseite eine Reportage über Athleten im ukrainischen Krieg: Laut dieser Dokumentation verloren bis Ende April 2023 auch 272 Leistungssportler der ukrainischen Nationalkader sämtlicher Sportarten im Krieg ihr Leben – bei Angriffen auf Zivilisten oder auch im Kampf an der Front. NRK erzählt die Geschichten verschiedener Athleten: Von Biathletin Darija Blashko (27), der nach Bombenangriffen in den ersten Kriegstagen aus ihrer Heimat in der Nordukraine flüchtete. Vom Modernen Fünfkämpfer Pavlo Zvedenjuk (32), der an der Front in Bachmut kämpft. Vom Boxer Stanislav Artemenko (22), der im Stahlwerk Asovstal eingekesselt war und später in russischer Gefangenschaft starb, wie sein Trainer berichtet. Von Boxer Oleksandr Tsjaban (39), der im Kampf um Bachmut schwer verwundet wurde. Außerdem zeigt NRK in seinem Artikel Bilder zahlreicher zerstörter Sport- und Trainingsstätten. Auch für die Zukunft nach dem Krieg bedeutet das einen großen Rückschlag für den Sport in der Ukraine.