Der Skating-Ski Teil 3: Beschichtungen

HWK HX Hydro Warm © Woidlife Photography

Von Joachim Tambosi

Teil 3 des Aufsatzes zum Skating-Ski befasst sich mit Beschichtungen.

Beschichtungen: Funktionalitäten zur Widerstandsreduzierung

Das Angebot an Beschichtungen ist umfangreich. Verbreitet sind Paraffine, synthetische Wachse die weitere Additive enthalten. Da auch andere Materialen im Einsatz sind, wie z. B. Kunststoffe oder Wasserglas, ist Beschichtung der bessere Oberbegriff. Alle sind gestaffelt nach Einsatzbereich (i. d. R. Lufttemperatur / Feuchte; Unterscheidung durch Farbcodes) und Ausrichtung auf Training oder Wettkampf. Dazu reichlich Verarbeitungsanleitungen und die zugehörige Applikationswerkzeuge. Die Präparierung ist zum Teil mit erheblichen Aufwand verbunden und braucht handwerkliches Geschick. Auf welche Weise die Beschichtungen wirken und welchen Beitrag sie zur Reibungsverbesserung leisten, ist nur wenig zu erfahren. Dabei ist auch die Frage nach der Haltbarkeit über die Laufdistanz von Bedeutung. Pauschal gibt es i. d. R. nur den Hinweis. „verbessert die Gleiteigenschaften“.

Der Blick aus der Grundlagenperspektive, wieder auf die Einzelkomponenten gerichtet, liefert folgendes:

F Trocken: Die Beschichtung verbessert die Oberflächenbeschaffenheit (Rauigkeit) des Belagsmaterials Bild 16 und bietet damit weniger Angriffspunkte für die Schneekristalle [6]. In Bild 17 ist symbolisch dargestellt, wie man sich die Glättung durch die Beschichtung (Grün) vorstellen kann.

Wie groß der Reibungsunterschied zwischen den Extremen gewachst / ungewachst ausfällt zeigt folgende Messung:

Beispiel 2: Einfluss der Beschichtung „Trocken“
Altschnee fein, LT -8°C, kalt, trocken, feste Loipe, Feinkörnig Bild 18.
Wachs: „grün“, bis -32C, ohne Fluor.
Bild 19 zeigt zwei Messfahrten, eine mit und ohne Wachsbeschichtung. (Ski wurde vor Ort entwachst). Der Unterschied beträgt 19% bzw. 21 Watt bei 18 km/h.
Da in diesem Fall trockene Bedingungen vorherrschen, ist der Haupteinfluss auf die Oberflächenglättung zurückzuführen.

F Flüssig: Mit Beschichtungen lässt sich die Wasserabweisung verbessern, dabei wird die benetzte Fläche verringert und auch die Adhäsion; das ist die Kraft, mit der das Wasser an der Gleitfläche anhaftet. Besonders das Additiv Fluor* entfaltet hier eine außergewöhnliche Wirkung, wie die Messung in Bild 20 zeigt:

*Fluorverbindungen C8 / PFOA sind mittlerweile aus Umweltgründen von der FIS verboten

Beispiel 3: Einfluss Beschichtung „warm, nass“ Altschnee grob, LT +3°, warm, nass, (Wasser-Dominanz) weiche Loipe Bild 20. F Plough ist hoch (jedoch für alle Fahrten in gleich), F Trocken und F Abrasion sind unbedeutend gering, damit ist F Wasser hier die dominierende Komponente.Im Vergleich sind zwei Paar Ski, die in Struktur und Biegelinie gleichgestellt sind. Ein Paar präpariert mit einem Highfluor-Pulverwachs, das zweite Paar mit einem Standardwachs (blau) ohne Fluor. Dargestellt ist jeweils die Fahrt mit frischer Präparierung, s. Bild 21. Jeweils in eigener Fahrspur auf frischer, noch unbefahrener Loipe. Der Reibungsunterschied ist mit 28% extrem hoch. Die Rechnung ergibt für 18 km/h eine Leistungsdifferenz von 53 Watt.

F Abrasion: Die Härte der Eiskristalle erreicht bereits bei etwa -5° C (Bild 5) das Niveau einer Wachsbeschichtung (grün, für tiefe Temperaturen). In diesem Bereich etwa beginnt die Beschichtungs-Abrasion, die mit weiter fallender Temperatur stark zunimmt. Ist die Beschichtung abgetragen greifen die Kristalle auch den Belag an (Verschleiß).

Haltbarkeit von Beschichtungen über die Laufdistanz bei verschiedenen Bedingungen
Gerade bei Wettkämpfen steht die Frage nach der Haltbarkeit im Mittelpunkt. Um dies zu beurteilen ist es auch hier zweckmäßig, zwischen den Funktionen Belagsglättung (F Trocken) und Wasserabweisung (F Wasser) zu unterscheiden, denn sie reagieren völlig unterschiedlich. Der Beschichtungsabtrag und damit die Belagsglätte geht stetig mit der Abrasion verloren und ist mit dem Auge erst bei Totalverlust zu erkennen anhand der Graubildung des Ski-Belags. Die beginnt in den Druckzonen auf den Ski-Innenflächen und weitet sich von dort aus, s. Bild 22. Auf diese Weise steht ein einfaches Maß zu Verfügung, den Zustand in geeigneten Streckenintervallen zu beobachten. Auch Schmutzpartikel die sich anhaften, können die Rauigkeit erhöhen, vorzugsweise bei weichen Beschichtungen, mit einfachen Mitteln ist dies nicht erfassbar.

Besonders empfindlich auf Schneeverschmutzung reagiert die Wasserabweisung. Hier genügt bereits ein erdbrauner Wegübergang von zwei Metern Länge und das Niveau fällt auf den unpräparierten Zustand zurück. Der Zustand der Wasserabweisung kann unabhängig und auf einfache Weise ermittelt werden über die Messung des Abrollwinkels [6] ***. Auch hier wird in Streckenintervallen gemessen, z. B. parallel zur vorgenannten Sichtkontrolle. Die in folgenden Beispielen ermittelten Streckenlängen sind als Größenordnungen zu verstehen, in der sich die Haltbarkeit bewegt.

*** Methode des Autors: Es wird ein definierter Wassertropfen auf die Ski-Gleitfläche aufgebracht, danach wird der Ski im Sinne einer schiefen Ebene angestellt. Der Winkel, bei dem sich der Tropfen in Bewegung setzt, ist der Abrollwinkel, Detailbeschreibung dazu im Aufsatz „Ski-Test“.

Beispiel 4: Haltbarkeit Beschichtung bei „trocken, kalt“ LT – 15°C, kalt, trocken, feinkörniger Altschnee. Ski ist beschichtet mit grünem Wachs für tiefe Temperaturen.Bereits nach ca. 3 Kilometern zeigt sich erste Graubildung in den Druckzonen. Nach 23 km, Bild 22, ist die Graubildung dann stärker ausgeprägt, erstreckt sich aber bei weitem noch nicht über die gesamte Gleitfläche. Deshalb ist in der Reibleistungsmessung davon noch nichts erkennbar, im Abstoßverhalten jedoch ist die Reibungsverschlechterung bereits deutlich zu spüren.Der Abrollwinkel liegt frisch präpariert bei 13°, nach 23 km im Graubereich bei 16°. Dort wo die Beschichtung noch gut sichtbar vorhanden ist, bei 14°, hat also kaum eingebüßt.

Bild 22

Beispiel 5: Haltbarkeit Beschichtung bei warm, nass:Hier handelt es sich um die Fortsetzung von Beispiel 3. F Wasser ist hier die dominierende Größe (F Plough hat für alle Fahrten den gleichen Wert) Die Messwerte in Bild 23 zeigen aufeinanderfolgender Fahrten mit einem Highfluor-Pulverwachs. Bereits nach 4 Fahrten (1000 m) hat die Beschichtung bereits den Großteil ihrer Wirkung verloren. Die Widerstandskraft ist um 21%, die Reibleistung um 43 Watt (bei 18 km/h) angestiegen. Damit ist sie bis auf 10 Watt an die Beschichtung ohne Fluor herangerückt. Schaut man sich den Abrollwinkel im Frischzustand an, so liegt er bei 7°, nach 2500 m bei 15°. In vielen Feldversuchen mit unterschiedlichen Beschichtungen (Wachse, Wasserglas, Kunststoff) und ähnlichen Bedingungen zeigte sich immer ein vergleichbares Bild: Die Wasserabweisung fällt i. d. R. nach nur kurzer Strecke rapide ab. Abrasion kann da noch keine Rolle spielen, die Ursachen sind an anderer Stelle zu suchen. Verschmutzungen haben hier offenbar den größten Einfluss. Was die Degeneration (Schmutzpartikel, Wasserlöslichkeit, chemische Reaktion) herbeiführt, ist offen. Eine Beobachtung, die hier einen Ausnahme bildet, ist bei fallendem Neuschnee gemacht worden – also bei vermutlich sauberen Bedingungen – da verändert sich die Wasserabweisung nennenswert erst nach etwa 10 km.

Bild 23

Schutzfunktionen der Beschichtung:
Schützt den Ski-Belag vor Abrasion, solange sie vorhanden ist. Für die saisonale Konservierung verhindert sie die Degenerierung des Belags durch Sauerstoff.

Handwerkliche Applikation von BeschichtungenEine Beschichtung braucht zur Entfaltung ihrer Wirksamkeit eine sorgfältige Applikation. Die handwerklichen Anforderungen sind dabei nicht zu unterschätzen, schließlich soll nur eine dünne Schicht aufgebracht werden. Die erste Voraussetzung dafür ist zu Beginn die Reinigung der Gleitfläche. Beim traditionelle Heißwachsen kommt dann: Wachs aufschmelzen, nach Erkalten den Überschuss grob mit der Klinge abtragen, Freilegen der Struktur und Polieren durch Bürsten. Wird zu viel gebürstet, dann treten die Unebenheiten wieder hervor [7], ist es zu wenig, wird die Struktur nicht freigelegt. Besonders bei den harten Heißwachsen ist es schwer, die richtige Balance zu finden. Beim Aufbügeln von Fluorpulvern steigen die Anforderungen noch einmal in eine ganz andere Liga [8]. Deutlich fehlerresistenter und einfacher in der Anwendung sind flüssige Produkte. Die Applikation von Flüssigwachsen oder Kunststoffen schaut im Prinzip so aus: Flüssiger Auftrag über Schwammträger, nach kurzem Abtrocknen des Lösungsmittels „Einkorken“ und Ausbürsten. So wird von vornherein nur eine dünne Schicht aufgebracht, die Struktur wird dabei nicht zugedeckt, ein Abziehen entfällt; Ausbürsten ist weniger kritisch, insbesondere wenn es von Hand erfolgt, aber auch hier muss aufgepasst werden. Da kaum Abfallüberschuss entsteht, ist es nachhaltiger, sauberer, kostengünstiger und das bei geringerem Zeitaufwand. Die Prozedur ist für den Ski erheblich schonender. Es entfällt der Umgang mit heißen Bügeleisen und das Abziehen mit der Plexi-Klinge, dabei lässt sich schwer vermeiden auch Belagsmaterial mit abzutragen.

Was hier jetzt noch fehlt, ist ein Nachweis der Performance. Der Autor hat dazu Testfahrten vorgenommen mit Flüssig- und Heißwachs jeweils Markenprodukte von hoher Qualität.

Für den kalten, trockenen Bereich: Bei Frischpräparierung sind keine Unterschiede in der Reibleistung festzustellen. Auch bei der Haltbarkeit (30 km) sind keine nennenswerten Unterschiede aufgetreten. Mit einer Ausnahme jedoch: beobachtet wurde bei neu geschliffenen Ski, dass Flüssigwachs sehr schnell abgetragen wird (Abrasion). Nach einmaligem Heißbügeln jedoch funktioniert auch das Flüssigwachsen wieder gut. (ggf. ist Heißbügeln in geeigneten Abstände zweckmäßig)

Für den warmen, feuchten Bereich: Auch hier sind nach Frischpräparierung keine Unterschiede in der Reibleistung erkennbar, die Wasserabweisung auch mit Flüssigwachsen in gleicher Weise schon nach kurzer Strecke verloren. Jedoch mit einer Ausnahme: Beim Einsatz von Highfluor-Pulverwachsen für warme Bedingungen wurden bessere Reibwerte beobachtet.

Quellen:
[6] Hans-Jürgen Butt, Günter K. Auernhammer, Doris Vollmer Physik Journal (2015), pp 25 Oberflächen mit Phobie Hans-Jürgen Butt, Günter K. Auernhammer und Doris Vollmer Max-Planck-Institut für Polymerforschung Mainz
[7] André Blockhaus, Matthias Scherge, Was passiert beim Bürsten der Ski? Gliding32023.pdf (snowstorm-gliding.de)
[8] Marcel Münch, Teil 1, 2, Den tribologischen Vorteilen von Fluorwachsen auf der Spur, Gliding52022- und 12023.pdf (snowstorm-gliding.de)