Zehn Auflagen Tour de Ski, zehn Jahre seit der Erfindung, in denen sich so manch Kurioses, Erstaunliches und Bewundernswertes ereignet hat. Im Viessmann Newsletter wurden diese Ereignisse zusammengetragen und wir stellen sie euch hier zum Nachlesen zur Verfügung.
Wetterkapriolen – eine Tour-Konstante
Silvestermorgen 2006 – kein Tag für Frühaufsteher! Und so feiert die Viessmann Tour de Ski ihre Premiere im Münchner Olympiastadion praktisch ohne Publikum, man kann die Anweisungen der Trainer, die Anfeuerungsrufe der Betreuer praktisch bis unter das Dach der Arena hören, die ansonsten fast 60.000 Besuchern Platz bietet. Gegen Mittag stehen die ersten Sieger fest: Eine gewisse Marit Björgen unterstreicht ihre Ambitionen auf den Gesamtsieg, der Schweizer Christoph Eigenmann überrascht bei den Herren. Danach zieht die Karawane weiter nach Oberstdorf, der dritten Station der Premierentour. Spätestens jetzt werden mathematisch nicht völlig unbedarfte Leser feststellen, dass da etwas nicht stimmen kann. Des Rätsels Lösung: Das Wetter hatte nicht mitgespielt. Denn geplant war, die Schleife durch Mitteleuropas Berge im Dezember 2006 in Tschechien starten zu lassen, genauer gesagt in Nove Mesto na Morave. Aber dort war es einfach zu warm, Schnee nicht vorhanden und so mussten die Organisatoren den Auftakt kurzerhand an die eigentlich zweite Station verlegen, die Bayerische Landeshauptstadt steht nun als Premierenort in den Tour-Annalen. Überhaupt: Das Wetter! Tour de Matsch, Tortour de Ski, Regenrennen, Nebeltour, Frühjahrsklassiker – die Journalisten wurden nicht müde immer neue Synonyme für die Kapriolen des Winters, der seinem Namen zu oft keine Ehre machte, zu erfinden. Erfindungsreich waren aber auch die Veranstalter, karrten den Schnee aus großer Höhe per Lastkraftwagen heran, produzierten den wichtigen weißen Untergrund in Skihallen, legten Depots an. Trotzdem reichte es manchmal nicht, mussten Rennen verlegt oder gestrichen werden. Und so erlebte die Viessmann-Runde manch kuriose Etappenführung. Schon die zweite Auflage war eine mit Rückfahrkarte. Alles begann im diesmal schneesicheren Nove Mesto, von dort ging es nach Prag und dann zurück nach Nove Mesto, weil Oberstdorf diesmal passen musste. Aus Tschechien ging es deshalb direkt nach Asiago – eine Nachtetappe, nicht für die Sportler, wohl aber für den Tross. Vielleicht ist die große Distanz auch ein Grund dafür, dass ein Riesengebirgs-Austragungsort in Polen bisher noch nicht auf der Tour-Landkarte zu finden ist. Trotz einer Justyna Kowalczyk, die sicherlich zu den dominierenden Persönlichkeiten der ersten 10 Tour-de-Ski-Jahre zählt.
Sieger und Verlierer
Die ersten Gesamtsieger hießen Virpi Kuitunen und Tobias Angerer. Im Falle des Deutschen keine besondere Überraschung, holte der Bayer ja auch zwei Mal den Gesamtweltcup, gewann Medaillen bei Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen. Auch die Finnin zählt zu den ganz Großen in ihrer Sportart, sechs Weltmeistertitel stehen in ihrer Vita. Aber dennoch galt der Gesamterfolg der Blondine aus Kangasniemi als Überraschung. Weil Kuitunen zuvor schon eine zweijährige Wettkampfsperre abgesessen hatte, weil vor allem die Norwegerinnen als große Tour-Favoritinnen galten, mehr noch als die Männer aus dem Mutterland des Skilanglaufs. Aber Kuitunen lief konstant, zeigte keine Schwächen und verwies die starken Damen um Marit Björgen auf die Plätze. Angerer dagegen siegte in einem Steigerungslauf, stand bei den einzelnen Etappen nie ganz oben auf dem Podest, nur zum Schluss, auf der Alpe Cermis, da war er der Erste, der oben ankam! Die Laufzeit (Platz 18) war da nur schmückendes Beiwerk. Kuitunen und Angerer – zwei Namen, die Tourgeschichte schrieben. Wie auch Lukas Bauer aus Tschechien, Dario Cologna aus der Schweiz oder Justyna Kowalczyk aus Polen. Denn wer hätte gedacht, dass die erfolgsverwöhnten Norwegerinnen bis zur achten Auflage der Viessmann Tour de Ski warten mussten, um endlich den ersten Gesamterfolg zu bejubeln. Das hatte zu diesem Zeitpunkt Kowalczyk schon vier Mal geschafft – bis heute Rekord und auch im zehnten Tour-Jahr nicht zu brechen. Dario Cologna, der bei den Herren drei Mal siegte, könnte zumindest gleichziehen. Und Norwegens Superstar Petter Northug wird wohl auch anno 2016 hoffen, dass die Serie vom ewigen Zweiten reißt, insgesamt vier Mal wurde Northug im Gesamtklassement knapp geschlagen, dazu kommen zwei dritte Plätze. Die stärkste Konkurrenz hat Northug im eigenen Lager – Martin Johnsrud Sundby ist Titelverteidiger und schielt auf das Triple.
Rekorde und Regeln
Rekordgesamtsieger werden gezählt, Rekordteilnehmerfelder, Rekordtemperaturen, Rekordpreisgelder, Temperaturrekorde und natürlich die Rekorde der zurückgelegten Entfernungen – die Tour ist eben eine Veranstaltung der Superlative. Möglicherweise auch in Bezug auf die Regeländerungen. Das betrifft die Trikotfarbe der Leader, das betrifft die Teamwertung. Das betrifft aber besonders die Zahl der vergebenen Punkte für den Gesamtweltcup, auch die in den kleinen Wertungen. Galt bei der Premiere noch – nur wer durchkommt, bekommt überhaupt Punkte, änderte die FIS das immer mal wieder. Das galt auch für die Zahl der Bonuspunkte für den Gesamtsieg, denn als die Viessmann Tour noch in den Babyschuhen steckte, wussten, die Athletinnen und Athleten: Wer die Tour gewinnt, ist im Weltcup praktisch durch. Inzwischen gibt es Bonussekunden für Sprinter, Sprints mit Bonus bei Distanzrennen, die Gesamtpunktzahl ist dagegen inzwischen etwas geglättet worden, um den Gesamtweltcup nicht zu entwerten – die Tour de Ski verfährt seit ihrer Gründung nach dem Motto – learning by doing.
Steinchen, Pannen, Hindernisse
Immer wieder mal hält die Viessmann Tour de Ski Überraschungen parat, die ja deshalb so heißen, weil sie plötzlich und unerwartet auftreten und niemand mit ihnen rechnen konnte. Der plötzliche Umschwung des angekündigten Wetters gehört da fast zu den „normalen“ Dingen. Unerwartet auftauchende Rehe auf der Laufstrecke sind beim Anblick keuchender Läufer wohl mehr erschrocken als die durch den Wald düsenden Sportler. Anders ist es schon, wenn plötzlich große Steine im Weg liegen. So wie in Prag, als auf dem Hradschin eine Sprintstrecke präpariert worden war, allerdings mit etwas zu wenig Schnee. Deutschlands Olympiasiegerin Claudia Nystad versuchte sich deshalb als Kunstturnerin, ihr einfacher Salto mit halber Schraube, der nach ihr benannte Tour-Künzel, geht heute noch als erster Kürsprung in der Tour-Geschichte durch. Leider mit mangelhafter Landung – am Ende Platz 9! Auch für Journalisten hatten die gastgebenden Tschechen in jenem Jahr eine Überraschung parat – im Pressezentrum von Nove Mesto gab es nämlich Bier vom Fass. Was zu einer überaus positiven Bewertung der Medienbetreuung führte! Da machte es auch nichts aus, dass einige Reporterkabinen versehentlich am Startbereich und nicht in Höhe des Ziels aufgebaut worden waren. Lediglich die Banden im Zielbereich erwiesen sich für die Betrachter des Norwegischen Rundfunks als undurchschaubares Hindernis – und so kommentierte man zwar aus dem Stadion, aber vom Bildschirm.
Quelle: Viessmann Newsletter