Therese Johaug und Martin Johnsrud Sundby heißen die Sieger der ersten (und einzigen?) Ski Tour Canada. Zwischenzeitlich sah es aber gar nicht nach einem weiteren Triumph der Gesamtweltcupsieger aus – für beide wurde es ein hartes Stück Arbeit…
„In dieser Form kein zweites Mal!“
Das Weltcupfinale im Langlauf Weltcup hatte es noch einmal richtig in sich: Nach der Tour de Ski stand zu Saisonende mit der Ski Tour Canada eine weitere Tour über acht Etappen auf dem Programm, die sich so nicht wiederholen muss. Auf den ersten Blick nicht so schwierig wie die Tour de Ski mit dem Final Climb steckte die Tücke im Detail: Nach einer anstregenden Saison waren weitere acht Etappen in zwölf Tagen too much für die Sportler, besonders die vier Etappen in der Höhenlage von Canmore auf sehr schwierigen Strecken. Insgesamt wirkte das Programm sehr sprintlastig, dennoch setzten sich am Ende die Tour-Spezialisten durch. Schon zur Halbzeit zog Andreas Schlütter, der Sportliche Leiter der DSV-Langläufer ein Fazit zu der neuerschaffenen Tour. Grundsätzlich hält Schlütter die Kanada-Tour für eine Veranstaltung, „die man in dieser Form nicht zwingend ein zweites Mal haben muss.“ Damit waren sich wohl alle Teams einig, wenn auch alle definitiv für Weltcups in Kanada plädieren – nur eben nicht im Rahmen einer Tour. Anbieten würde sich da der Dezember, weil dann in Kanada schon die Schneesicherheit gewährleistet ist. Außerdem, so Schlütter weiter, sei die Organisation hervorragend, das Publikum durchaus interessiert. Soweit die Meinung Schlütters, zur Organisation gab es jedoch auch einige Kritik. Die neu erschaffenen Wettkampfstrecken in der ersten Hälfte der Tour gefielen nicht jedem: Der Sprint am Ufer des Ottawa Rivers in Gatineau war extrem kurvig und Überholen kaum möglich. In Montréal, wo die Strecke erst kurzfristig verlegt wurde, war nach Meinung vieler Sportler die Runde nicht ausreichend präpariert und die Anstiege waren nur grätschend zu bezwingen, so dass es nebeneinander zu eng war und Stürze zur Folge hatte.
Kranker Sundby weckt das Tier in sich
Wer hätte das noch gedacht? Nachdem er nach vier Etapppen schon über zwei Minuten zurücklag, heißt der Sieger der Ski Tour Canada Martin Johnsrud Sundby – und das auch noch krank! Nach der Weiterreise nach Canmore war bei der norwegischen Pressekonferenz am Montag über Nacht plötzlich die Stimme weg. „Zum Laufen brauche ich meine Stimme ja nicht „, krächzte Sundby noch lapidar. Das kann aber nicht alles gewesen sein, wie er nach seinem Sieg bei der Ski Tour bekannt gab. „Ich bin krank. Der Arzt musste ständig mit mir arbeiten. Es war im Grenzbereich, das überhaupt durchzustehen. Aber es hat geklappt und es ist fantastisch, die Saison auf diese Art zu krönen.“ Umso bemerkenswerter seine Aufholjagd gegenüber Sergey Ustiugov vor allem auf den letzten drei Etappen in Canmore. Zuvor hatte er es aber nicht leicht: Das begann mit seiner geplant späten Anreise in Kanada, um noch Zeit mit seiner hochschwangeren Frau zu verbringen. Nach der Landung musste er dann wegen eines Fehlers des Veranstalters lange Zeit im Flughafen warten. Es folgte nach dem ersten Sprint die schwierige Etappe im Tiefschnee von Montréal, die er heftig kritisierte. Er kam in einer Abfahrt zu Fall, verlor viel Zeit und meinte später „Soll das Langlauf oder ein Querfeldeinrennen sein?“ Eine harte Aufgabe lag vor ihm: „Es war eine schwierige Tour, ich war weit hinten nach Montréal und war sicher, dass es nicht mehr klappen kann. Aber ich habe es geschafft, das Tier in mir zu wecken auf den letzten drei Etappen. Der Akku hat genau lange genug gehalten.“ Für die nächste Saison überlegt er, ganz andere Akzente und sich selbst neue Ziele zu setzen. Damit deutet er an, die Tour de Ski vielleicht auslassen zu wollen, obwohl er zur diesjährigen Tour de Ski noch erklärte, er wäre bereits in der Vorbereitung für die nächste Tour 2017: „Nachstes Jahr ist es „all in“ für die WM in Lahti“. Eine Einzelmedaille fehlt dem Norweger trotz aller Erfolge und Dominanz nämlich noch…
Therese Johaug wollte nur aufs Podium
Dass der Gesamtweltcup bei den Damen erst mit Therese Johaugs Beenden der Ski Tour Canada in trockenen Tüchern sein würde, hätte wohl früher in der Saison auch niemand gedacht. Grund dafür war in erster Linie, dass Ingvild Flugstad Østberg vor allem in der ersten Saisonhälfte die Freistilsprints oft dominierte und sich in Distanzrennen stark verbessert zeigte, so dass sie auch dort immer wieder aufs Podium lief. Auch Heidi Weng zeigte eine starke Saison, feierte ihre ersten Siege und sah bei der Ski Tour Canada wie die sichere Gewinnerin aus, bis Therere ihr doch noch einen Strich durch die Rechnung machte. Nach den schwachen ersten beiden Distanzrennen in Canmore, wo ihr früh im Rennen immer die Milchsäure in die Beine schoss, zeigte sich Therese Johaug auf der Schlussetappe wieder zurück in alter Form und triumphierte, während die völlig enttäuschte Teamkollegin mit aufstollendem Schnee unter dem Ski zu kämpfen hatte. Nach Thereses Ansicht war mit ihrem Erfolg in Kanada wegen der Sprintlastigkeit nicht zu rechnen gewesen: „Ich kann nicht glauben, dass ich gewonnen habe. Es gab drei Sprints, die mir nicht gelegen kamen und dann bin ich auch noch gestürzt. Die letzten beiden Rennen hatte ich keinen guten Tag. Hier bei der Ski Tour Canada musste man sich den Sieg hart erarbeiten, es sind ganz andere Strecken als bei der Tour de Ski. Ich wollte eigentlich nur ums Podium kämpfen, aber ich habe dann gemerkt, dass ich auch um den Sieg kämpfen kann.“ Obwohl Therese mit dem Gewinn der Ski Tour ihre 100 Podestplätze vollgemacht und den Siegrekord von Marit Bjørgen eingestellt hat, hätte sie gerne noch einen weiteren Sieg gehabt – den in der Tageswertung des letzten Handicaprennens. Krista Pärmäkoski hatte dabei über ihren ersten Weltcupsieg gejubelt. Therese Johaug war nur sechs Zehntelsekunden langsamer. Zu ihrem eigenen Ärger… „Therese, du hast den Etappensieg weggejubelt.“ – „Wie weit war ich zurück?“ – „Keine Sekunde.“ – „Neiiiiiin!“ Sie wird es verschmerzen können…
35 Grad Temperaturdifferenz
Das Wetter bei der Ski Tour Canada hatte im Laufe dieser zwei Wochen alles zu bieten. Angenehmes Winterwetter, Schnee und einstellige Minusgrade, dann wurde die Provinz Québec im Osten Kanadas aber immer mehr zur Kältekammer. Unter minus 20 Grad fielen die Temperaturen in Québec City, um dann genauso plötzlich wieder anzusteigen. Innerhalb von zwei Tagen hatten die Sportler einen Temperaturunterschied von 30 Grad zu bewältigen – und das noch vor der anstregenden Reise in die kanadischen Rockies, wo es noch wärmer wurde. In Canmore lagen die Temperaturen dann deutlich über Null bei ausreichend Schnee – die perfekten Bedingungen für Frühjahrsskilauf mit kurzen Ärmeln.
Sandra Ringwald beste Deutsche
Für die deutschen Langläufer lief das Saisonende nicht so gut wie erwünscht. Von den sieben DSV-Startern, die die acht Etappen beendeten, kann wohl nur Sandra Ringwald zufrieden sein. „Mein Ziel ist es, in die Top10 reinzulaufen und jetzt bin ich nah dran. Darum muss ich nun noch gute Distanzläufe zeigen, um das noch zu schaffen.“, meinte sie nach dem Sprint in Canmore. Doch auch sie hatte mit dem Skiathlon einen schwachen Tag, der sie außerhalb der Reichweite der Top10 spülte: „Ich war schon ziemlich angeknockt von gestern. Ich habe versucht, mit der Gruppe mitzulaufen. Das ging ja nicht so gut auf. Das mit der Höhe, das liegt mir nicht so, weil wir auch in der Vorbereitung nicht so viel in der Höhe trainiert haben“, meinte Sandra. Dennoch beendete sie die Tour als beste Deutsche auf Rang 16. Im Gesamtweltcup war die Schonacherin bis zuletzt noch als beste mitteleuropäische Langläuferin hinter Norwegerinnen, Finninnen, Schwedinnen und Amerikanerinnen geführt – diese Position machte ihr Justyna Kowalczyk mit ihrer starken Schlussetappe doch noch streitig. Aber es bleibt der starke 17. Platz nach der bisher besten Saison der Deutschen. Die anderen DSV-Athleten, allen voran Steffi Böhler, hatten ebenfalls Probleme mit der Umstellung auf die Höhenlage in Canmore – oder der Akku war zu Saisonende einfach leer. Nicole Fessel zeigte noch ein paar gute Rennen, verpasste aber grundsätzlich in den drei Sprints das Viertelfinale. Sebastian Eisenlauer konnte noch mehrfach aufzeigen und Jonas Dobler wurde guter 15. im Skiathlon. „Ich bin sehr enttäuschend in diese Tour gestartet und bin erleichtert, dass es mal wieder richtig gut gegangen ist“, freute er sich, musste sich aber in den nächsten Rennen schon wieder weiter hinten einreihen. Positiv zu erwähnen ist natürlich auch Victoria Carl, die nach der sehr erfolgreichen U23-WM unmittelbar mit gepacktem Koffer weiterreisete nach Kanada und dort den Sonntag zunächst einmal zum Wäsche waschen nutzte. Sie brach die Tour wie geplant zur Halbzeit ab, konnte bis dahin aber noch überzeugende Leistungen abrufen.
Österreicher und Schweizer zufrieden
Österreicher und Schweizer können mit dem Verlauf der Ski Tour Canada durchaus zufrieden sein. Vor allem Teresa Stadlober und Nathalie von Siebenthal liefen immer wieder Top-Resultate ein, aber auch die Herren wie Bernhard Tritscher beziehungsweise Jonas Baumann konnten sich immer wieder zeigen. Zu erwähnen ist vor allem noch eine Leistung aus Montréal: In dem enorm schwierigen Rennen mit viel Neuschnee und unrhythmischen Anstiegen wagten es mit Bernhard Tritscher und Luis Stadlober zwei Athleten, das Rennen durchzuschieben und kamen damit in die Weltcuppunkte. Für Teresas jüngeren Bruder war es sein erster Distanz-Punkt überhaupt. Nur vier Sportler nahmen den Wettkampf im Doppelstockschub in Angriff, darunter die zwei Österreicher.
Jessie Diggins stark bei Heim-Rennen
Das Zuschauerinteresse war an allen Wettkampforten sehr groß. Sowohl in den Städten als auch in Canmore waren zahlreiche Fans aller Nationen zahlreich in den Stadien und am Streckenrand vertreten – Supporter aller Nationen, nicht nur Fans aus Kanada und den USA. Eine gute Tour hatte der Kanadier Alex Harvey, der aber auf Schlussetappe noch deutlich einbüßte. Sehr gut verlief die Tour für die Amerikaner, in erster Linie für Jessie Diggins, die aber auch kanadische Wurzeln hat. „Es ist toll, zu merken, dass die Zuschauer Teil von dem hier sind und wir den Weltcup zurück auf den amerikanischen Kontinent bringen konnten. Für mich fühlt es sich wie zu Hause an, weil so viele meiner Familie Kanadier sind. Ich habe die doppelte Staatsbürgerschaft. Egal wo ich auf dem amerikanischen Kontinent laufe, bin ich völlig begeistert“, sagte sie in einem Interview. Auf der ersten Etappe schrieb sie zusammen mit Simi Hamilton amerikanische Sportgeschichte, als beide am selben Tag jeweils einen Podestplatz erreichten. Im weiteren Verlauf der Tour konnte Jessie ihre amerikanischen Fans, die zahlreich in Kanada vor Ort waren, ein ums andere Mal begeistern. Mit Platz fünf beendete sie die Ski Tour Canada mit sehr guter Form. Einige Irritationen gab es vor Jessies Finale im Sprint in Gatineau. Wie üblich herrschte absolute Stille, während die Läuferinnen auf den Startschuss warteten. In diesem Moment meldete sich plötzlich ein Zuschauer zu Wort, der auch den Starter verwirrte. „Ich hörte jemanden schreien „Jessie, marry me“ in die Stille hinein“, sagte die Amerikanerin später. „Dann war da eine große Pause, als wenn alle sagen wollten „Los, nun antworte ihm doch!““, lachte sie später.
Johaug und Sundby Topverdiener
Mit 430.700 Schweizer Franken ist Therese Johaug absolute Spitzenverdienerin bei den Damen, Ingvild Flugstad Østberg und Heidi Weng liefen etwas mehr als die Hälfte an Preisgeldern ein. Da sieht es mit 4750 CHF bei Sandra Ringwald und Nicole Fessel sowie etwas weniger bei Hanna Kolb natürlich ganz anders aus. Besonders geärgert haben dürfte sich Heidi Weng aber über den Verlust des Audi. Über die gesamte Saison wurde wieder die Audi Quattro Bonus Sprint-Rangliste geführt, in der lange Heidi Weng führte. Diese Führung ließ sie aber bei ihrem Sturz im Sprint von Canmore liegen, so dass Ingvild Flugstad Østberg doch noch an ihr vorbeilief. Bei den Herren ist Martin Johnsrud Sundby mit 407.200 Schweizer Franken der absolute Topverdiener, der zweiterfolgreichte Sportler Sergey Ustiugov erreichte keine 160.000 CHF. Den Audi hatte der Norweger schon frühzeitig sicher mit am Ende mehr als 200 Punkten Vorsprung vor dem Russen. Die Nationenwertung der Weltcupsaison gewann Norwegen wieder einmal mit überwältigendem Vorsprung auf Russland, Finnland und Schweden, die alle nur etwa ein Viertel der Punkte im Laufe der Saison erreichten. Deutschland belegte den fünften Platz vor den USA. Ebenso deutlich entschieden die Norweger die Mannschaftswertung der Ski Tour Canada (die jeweils zwei besten Damen und Herren einer Etappe) mit 24 Minuten Vorsprung auf Finnland für sich. Deutschland belegte mit 44 Minuten Rückstand Platz sechs, etwa eine Minute hinter den USA.
=> Weltcupstände Damen 2015/16
=> Weltcupstände Herren 2015/16
Bildergalerie der Gewinner der Saison