Die Frage, ob man zum Skilanglaufen Wachs braucht oder nicht, bewegt seit vielen Jahren die Gemüter. Nachdem es nach dem Jahr 2000 etwas ruhiger geworden war, wurde die Diskussion durch eine Doktorarbeit von Leonid Kuzmin neu befeuert. Basierend auf eigenen Messungen sowie Erfahrungen seiner Frau – einer ehemaligen Skilangläuferin – kam er zu der Einsicht, dass man für den Erfolg im Wettkampf eigentlich kein Wachs benötigt.
Keine Poren sondern Fussel
Im Skimagazin 4/2015 hatte ich die Gelegenheit, über den Skibelag als dem unbekannten Wesen zu schreiben. Ein Ergebnis langjähriger Fraunhoferforschung zu Skibelägen aus ultrahochmolekular-gewichtigem Polyethylen (UHMWPE) war die Entdeckung von molekularen Fusselstrukturen (ähnlich einem Flokatiteppich) auf der Oberfläche dieses Kunststoffs. Da UHMWPE keine Poren besitzt, stellt sich die Frage, was die Wachsaufnahme eines Skibelags möglich macht. Die Antwort findet man, indem man die Polymerfusseln näher, das heißt mit einem hochauflösenden Elektronenmikroskop, betrachtet. Während des Bügelns wird Wachs Teil der Fusselstruktur, wie es im Titelbild schematisch gezeigt ist.
Verbund von Wachs und Polymerfäden
Die Wachsaufnahme wird durch die Höhe der Temperatur beim Bügeln beeinflusst. Durch die Wärmeeinwirkung erhöht sich die Beweglichkeit der Polymermolekülketten, es entsteht also noch mehr Platz für die Wachsaufnahme. Dieser Effekt hat folgende Konsequenz: Ist die Temperatur beim Wachsen zu hoch, schmilzt auch das Polymer. Zuvor beginnen aber die filigranen Polymerbündel zu zerfließen oder im Extremfall abzubrennen, was zu einem langsamen Ski führt. Das Gleiten wird also durch einen nanometerdünnen Verbund aus Polymerfäden und Wachs ermöglicht. Es kann durchaus äußere Bedingungen geben, zum Beispiel wenn der Schnee sehr kalt ist, dass der „Flokatiteppich“ allein ausreicht. In der Regel benötigt man aber immer Wachs, da dieses deutlich wasserabstoßender (hydrophober) als der Kunststoff ist. Dies kann insbesondere durch die unterschiedlichen Grade der Wasserabstoßung beim Wassertropfentest nachgewiesen werden. Wachsen ist also immer notwendig, zumindest wenn man es mag, widerstandsarm zu gleiten. Den kompletten Artikel lest ihr hier: www.team-snowstorm.de
Matthias Scherge beschäftigt sich seit mehr als zehn Jahren mit den Grundlagen des Gleitens auf Eis und Schnee. Er leitet das MikroTribologie Centrum, eine gemeinsame Einrichtung der Fraunhofer Gesellschaft und des Karlsruher Instituts für Technologie, wo er als Professor das Fach Tribologie lehrt. Die Tribologie ist die Wissenschaft von Reibung, Verschleiß und Schmierung und beschäftigt sich unter anderem auch mit dem Gleitverhalten von Kufen und Ski. Seit 2012 berät Scherge das Nordic Paraski Team Deutschland und leitet das Team Snowstorm, ein leistungsfähiges Netzwerk aus Hochschulpartnern und Unternehmen zur Unterstützung von Athleten und ambitionierten Wintersportlern: www.team-snowstorm.de