Der Weg zum Vasaloppet-Diplom war für Bernd Aschenborn bei weitem nicht nur 90 Kilometer lang. Denn als der Hobbysportler aus Zwickau 1989 nach 8:11:59 Stunden in Mora über die Ziellinie lief, fand damit ein fast 15 Jahre dauernder Kampf gegen die DDR-Oberen doch noch ein Happy End. Wieviel das dem 73-Jährigen noch heute bedeutet, zeigt das beinahe lebensgroße Poster in der Küche der Aschenborns, das ihn beim Vasaloppet zeigt. Seine Frau hat es ihm vor ein paar Jahren zum Geburtstag geschenkt. „Es war damals eine nervenaufreibende Angelegenheit, aber der Aufwand hat sich gelohnt. Ich habe den Wasalauf als das erlebt, was er damals schon war und heute noch ist, etwas Einmaliges“, schwärmt Bernd Aschenborn.
Der hatte einst als Jugendlicher bei Lok Zwickau noch die Kombination aus Langlauf, Abfahrtslauf und Skispringen betrieben. Nach Studium und Familiengründung fand er 1972 zum Skisport zurück und widmete sich fortan den langen Kanten. Die erste große Motivation war der Isergebirgslauf, bei dem er gleich bei seinem ersten Start eine Besonderheit erlebte. „Aufgrund von Schneemangel mussten wir die Skier die ersten 2,5 Kilometer den Berg hoch tragen“, erinnert er sich. Dennoch sollte Bernd Aschenborn bis zur Wende bei keinem Isergebirgslauf mehr fehlen. Neben der sportlichen Herausforderung war es nicht zuletzt das Treffen mit Gleichgesinnten, das ihn immer wieder Richtung Liberec zog. „Da hat sich Ost und West getroffen, erzählt und ausgetauscht. So erfuhren wir auch von Rennen, von denen bei uns bestenfalls mal die Ergebnisse in der Presse abgedruckt wurden“, sagt der Langläufer.
Auf diese Art und Weise wurde ihm auch der Vasaloppet schmackhaft gemacht. Kaum vom Isergebirgslauf zurück, setzte Bernd Aschenborn daher 1976 einen Brief an die schwedische Botschaft in Ost-Berlin auf. Die half ihm kurzerhand mit der Anschrift der Vasaloppet-Organisation. Und auch die antwortete prompt: „Ich bekam ein ganzes Bündel an Einladungen zugeschickt“, erzählt Bernd Aschenborn. Doch sein Antrag, zum Wettkampf nach Schweden reisen zu dürfen, wurde von den DDR-Stellen glattweg abgelehnt. Volkspolizei-Kreisamt, Deutscher Turn- und Sportbund, Ministerium des Inneren – egal an wen der Hobby-Langläufer in den nächsten Wochen, Monaten und Jahren auch schrieb, die Antwort blieb gleich: keine Chance. Selbst eine Eingabe an Staatsratschef Erich Honecker wurde abgelehnt.
Trotz aller Rückschläge gab Bernd Aschenborn, dessen Neugier auf den Vasaloppet zwischenzeitlich durch eine Reportage aus dem westdeutschen Skimagazin nochmal gesteigert wurde, den Traum nicht auf. Die Hoffnung wuchs, als die DDR Reiseerleichterungen in dringenden Familienangelegenheiten beschloss. Im Sommer 1987 war es der 60. Geburtstag des Onkels, der den Zwickauer erstmals in den Westen führte. Der Zufall wollte es, dass seine Tante im März darauf ebenfalls 60 wurde. Und schon reiften erste Pläne: „Man durfte zehn Tage reisen und in diesen zehn Tagen lagen der Termin vom Engadiner Skimarathon und vom Birkebeiner in Norwegen“, erzählt Bernd Aschenborn heute noch mit glänzenden Augen. Um es kurz zu machen: Er schaffte es tatsächlich, bei den beiden Rennen an den Start zu gehen und auch noch seiner Tante zu gratulieren.
Mit den runden Geburtstagen war es damit aber erstmal vorbei. Daher war es eine andere Nachricht von der West-Verwandtschaft, die Bernd Aschenborn im Herbst 1988 vor Freude fast an die Decke springen ließ. Seine Cousine war schwanger und der Entbindungstermin lag in der Nähe des Vasaloppet-Termins! Allerdings hielt sich das Verständnis, ein amtsärztliches Zeugnis über ihre Schwangerschaft zu schicken, nur um ihrem Cousin im Osten den Start in Schweden zu ermöglichen, bei seiner Cousine in Grenzen. „Erst nach einem emotionalen Brief ist sie meiner Bitte dann doch nachgekommen“, sagt Bernd Aschenborn. Da Geburten naher Verwandter zu den erwähnten „dringenden Familienangelegenheiten“ gehörten, schritt er mit stolz geschwelter Brust und dem ärztlichen Nachweis ins Volkspolizei-Kreisamt. „Die haben oft schon die Hände übern Kopf zusammengeschlagen, wenn ich kam“, erzählt er augenzwinkernd.
Dass der Hobby-Sportler gleich vor Ort den Antrag ausfüllen und nicht erst mit nach Hause nehmen wollte, machte den zuständigen Hauptmann dann auch stutzig. „Sie wollen doch nicht etwa zum Wasalauf. Das können Sie sich abschminken“, polterte er Bernd Aschenborn an. Dem blieb von da an nicht anderes übrig, als bis zum Tag der Entscheidung in der Woche vorm Vasaloppet die Daumen zu drücken und die geheime Reiseplanung voranzutreiben. Dabei profitierte er von seinen Erfahrungen aus dem Vorjahr und den beim Isergebirgslauf geknüpften Kontakten. Um die Reise zu finanzieren und an Devisen zu kommen, fuhr er nach Ungarn und verkaufte zum Beispiel eine Dampfmaschine seines Schwiegervaters an Westdeutsche.
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