DSV Skilanglauf Mannschaftsarzt Tom Kastner im Interview zu Viruserkrankungen und Corona - Seite 2 von 2 - xc-ski.de Langlauf

DSV Skilanglauf Mannschaftsarzt Tom Kastner im Interview zu Viruserkrankungen und Corona

Tom Kastner © DSV

Das Thema Corona-Virus lässt uns trotz der Lockerung der Ausgangsbeschränkungen noch nicht los. Deshalb haben wir Tom Kastner, dem Teamarzt der deutschen Skilangläufer, einige Fragen zu Viruserkrankungen ganz allgemein aber auch speziell zum Corona-Virus gestellt.  

Was sollte ich als Sportler grundsätzlich im Zusammenhang mit Viruserkrankungen wissen?

Zunächst einmal sollte man sich bewusstmachen, dass wir ständig von einer Vielzahl von Viren in unserer Umwelt umgeben sind. Je nach Virus und Immunkompetenz des Infizierten gibt es ein breites Spektrum an Krankheitssymptomatik: In einigen Fällen bekommt die infizierte Person den Virusbefall gar nicht mit, bleibt asymptomatisch. Bestimmte Viren können auch nach einer ersten Infektion lebenslang im Körper verbleiben. In den allermeisten Fällen entwickelt sich eine mehr oder weniger stark ausgeprägte allgemeine Infektsymptomatik mit Abgeschlagenheit und Kopf-/Gliederschmerzen, oft unter Mitbeteiligung des Atmungssystems und/oder des Verdauungssystems. Einige Viren können jedoch auch zu sehr schweren Organkomplikationen führen oder sind an der Entstehung von bestimmten Krebsarten beteiligt. Die zeitlichen Verläufe der Virusinfektionen variieren stark, sowohl der zeitliche Abstand zwischen Ansteckung und Beginn einer Krankheitssymptomatik als auch die konkrete Krankheitsdauer. Viren brauchen, im Gegensatz zu Bakterien, zwingend einen Wirtsorganismus zur Vermehrung. Ohne den „Schutz“ des Wirtes sind Viren nicht sehr lange überlebensfähig. Allerdings können bestimmte Viren unter günstigen Umgebungsbedingungen bis zu 7 Tage auf Oberflächen überleben. Die Übertragung erfolgt in den allermeisten Fällen direkt von Mensch zu Mensch.

Was kann ich vorbeugend tun, um eine Viruserkrankung möglichst zu verhindern?

Primär sollte man sich, egal ob Sporttreibender oder nicht, mit prophylaktischen Maßnahmen auseinandersetzen und diese vor allem auch konsequent umsetzen! Je nach Virus gibt es verschiedene bzw. bevorzugte Übertragungswege. Am häufigsten handelt es sich um sogenannte Tröpfcheninfektionen, also eine Übertragung durch Husten, Niesen oder Sprechen. Der Erreger gelangt vom Infizierten über Tröpfchen in die Luftwege einer anderen Person und kann dort über die Schleimhäute in den Organismus gelangen. Ein anderer häufiger Übertragungsweg ist die Kontaktinfektion, auch als Schmierinfektion bezeichnet. Man berührt eine kontaminierte Oberfläche (z.B. Handschlag mit einem Infizierten oder eine Türklinke) und fasst sich danach selbst ins Gesicht, also Mund, Nase oder Augen. Aus den aufgezeigten häufigsten Übertragungswegen leiten sich dann auch die wichtigsten prophylaktischen Maßnahmen ab:

  • Abstand halten zu anderen (infizierten) Personen, Körperkontakt vermeiden
  • Häufiges und gründliches Händewaschen, Einsatz von Händedesinfektion
  • Vermeiden von Gesichtsberührungen
  • Husten und Niesen in die Armbeuge
  • Kontaktvermeidung mit anderen Personen im Falle einer Erkrankung

Neben diesen recht allgemeinen Maßnahmen gibt es noch weitere Maßnahmen welche insbesondere im Sport relevant sind. So sollte beispielsweise die Trinkflasche/der Trinkgurt nicht geteilt werden. Während der Sportausübung sollte auf eine adäquate Kleidung geachtet werden und diese nach Beendigung der sportlichen Aktivität schnellstmöglich durch trockene und warme Kleidung getauscht werden, um ein Auskühlen zu vermeiden. Weiterhin gilt es nach Belastung das Flüssigkeits- und Energiedefizit zeitnah auszugleichen. Ebenfalls ist auf ausreichend Erholung und Schlaf zu achten.

Sind intensive Trainingseinheiten ratsam oder schwäche ich dadurch mein Immunsystem?

Mit höherer Trainingsintensität steigt prinzipiell auch das Risiko einer Infektion, zumindest für eine gewisse Dauer. Verantwortlich dafür ist eine Reaktion des Organismus auf diese intensive Belastung mit einem temporär schwächerem Immunsystem in der Folge. Diese Phase des geschwächten Immunsystems mit höherer Infektanfälligkeit wird auch „open window“ genannt. Diese Zeitspanne kann, in Abhängigkeit der Belastungsintensität und –Dauer, bis zu 72 Stunden betragen. Deshalb ist es wichtig gerade in dieser Zeit die oben genannten prophylaktischen Maßnahmen umzusetzen, um eine Infektion zu vermeiden. Über einen längeren Zeitraum gesehen stärkt sportliche Betätigung jedoch das Immunsystem: Je höher das Trainingsniveau ist, desto geringer fällt zum Beispiel der Effekt des „open window“ aus. In der aktuellen Pandemie-Situation empfehlen einige Experten auf intensive Belastungen zu verzichten, um das Risiko einer SARS-CoV-2-Infektion zu minimieren.

Welchen Mindestabstand sollte ich einhalten, um eine Ansteckung mit dem Virus beim Outdoor-Training zu verhindern?

Man muss sich zunächst vergegenwärtigen, warum es wichtig ist, beim Sporttreiben Abstand zu halten. Mit der ausgeatmeten Luft wird eine, bei höheren Temperaturen nicht sichtbare, Wasserdampfwolke ausgestoßen. Ist eine Person infiziert, können sich in dieser Wasserdampfwolke Viren befinden, welche von Personen in der Umgebung direkt eingeatmet werden. Aktuell ist es ratsam das Training möglichst individuell oder in Kleinstgruppen zu absolvieren und ausreichend Abstand zu Trainingspartnern oder Passanten zu halten. Dieser „ausreichende Abstand“ ist jedoch nicht genau definiert. Für ein Training nebeneinander gilt eine Empfehlung von mindestens 1,5 Metern. Ist es erforderlich hintereinander zu trainieren wie beispielsweise beim Radfahren auf der Straße, sind diese 1,5 Meter definitiv nicht ausreichend, um einen Kontakt mit der ausgeatmeten Luft des Vordermanns sicher zu vermeiden. In einer aktuellen Studie, die sich mit diesem Problem im Laufsport beschäftigte, wurde ein Mindestabstand von ca. 10 Metern empfohlen.

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Welche Symptome weisen grundsätzlich auf eine Viruserkrankung hin und welche speziell auf das neuartige Corona-Virus SARS-CoV-2?

Wie oben beschrieben gibt es keine klar definierte Symptomatik einer Viruserkrankung. Häufig sind jedoch Infekte der Atemwege durch Viren verursacht. Mehr als 90 Prozent der Atemwegserkrankungen sind viral bedingt. Eine Unterscheidung zwischen einer viral und einer bakteriell verursachten Infektion ist nicht in jedem Fall einfach vorzunehmen und sollte durch ärztliches Personal erfolgen um die richtige Therapie festzulegen.
Die Art und Ausprägung der Symptomatik bei Infektion mit dem neuartigen Coronavirus ist extrem vielfältig. Es wurde beobachtet, dass manche Personen, insbesondere Kinder und Jugendliche, Träger des Virus sein können, aber keine Symptomatik entwickeln. Die meisten infizierten Personen durchleben einen Infekt der Atemwege, häufig mit trockenem Husten und Fieber. Oftmals kommt es begleitend zu Abgeschlagenheit, Kopf- und Gliederschmerzen und Halsschmerzen. Auch Magen-Darm-Beschwerden wurden beobachtet. In ca. 80 Prozent der Fälle kommt es zu dieser „milden“ Infektsymptomatik mit sehr individueller Ausprägung. In schwereren Verläufen kommt es zu Atemnot, in einigen Fällen sogar zu lebensbedrohlichen Zuständen mit Lungenversagen.

Gibt es schon Erkenntnisse, ob Leistungssportler zur Risikogruppe des neuartigen Corona-Virus SARS-CoV-2 zählen?

Es gibt vereinzelte Meldungen in denen von Leistungssportlern mit schwereren Verläufen einer Infektion mit dem neuartigen Coronavirus berichtet wird. Dass Leistungssportler häufiger oder schwerer betroffen sind, können wir derzeit nicht bestätigen.

Was sollte ich während einer Viruserkrankung tun, um sie möglichst sanft verlaufen zu lassen?

Die Auswirkungen und Dauer einer Virusinfektion lassen sich nur sehr bedingt beeinflussen. Das bedeutet, man kann den Infekt nicht verkürzen, da das Immunsystem des Körpers eine bestimmte Zeit benötigt, um sich mit dem Virus auseinanderzusetzen. Aber durch geeignete Maßnahmen kann man verhindern, dass sich die Erkrankung nicht unnötig in die Länge zieht oder sogar noch verstärkt. Zunächst einmal gilt im Falle einer Infektsymptomatik insbesondere aktuell aufgrund der Corona-Pandemie: umgehende Sportpause! Eine weitere Sportausübung kann das Immunsystem weiter schwächen und so zu einer weiteren Erregerausbreitung im Körper und damit einer Verschlimmerung der Symptomatik und einer Verlängerung der Krankheitsdauer führen. Allgemein sollte auch im Krankheitsfall auf eine ausgewogene und in Bezug auf die Energiebilanz ausgeglichene Ernährung mit hohem Obst- und Gemüseanteil sowie auf eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr geachtet werden. Weiterhin sollte man sich genügend Schlaf und Erholungszeit gönnen. Je nach Symptomatik können auch Salzwasserinhalationen, Fußbäder etc. unterstützend helfen.

Wann darf ich nach der Erkrankung wieder ins Training einsteigen?

Das ist abhängig von Dauer und Schwere des Infektes. Je länger und gravierender ein Infekt verlaufen ist, umso vorsichtiger sollte ein Trainingsaufbau erfolgen. Erst nach vollständigem Abklingen der Symptomatik sollte mit dem Training wieder begonnen werden. Es lohnt sich auch nach Infektüberwindung, abhängig von Dauer und Schwere der Symptomatik, noch 1-3 Tage mit dem Wiedereinstieg abzuwarten um einen Krankheitsrückfall durch eine zu starke Beanspruchung des gerade im „Wiederaufbau“ befindlichen Immunsystems zu verhindern. Ein einfaches Kontrollinstrument ist der Ruhepuls. Ist dieser auch nach Symptomfreiheit noch deutlich erhöht, ist Vorsicht geboten. Der Trainingsaufbau sollte schonend erfolgen und der Umfang allmählich gesteigert werden. Es empfiehlt sich mit niedrigen Intensitäten zu beginnen und diese erst im Verlauf, bei Wohlbefinden in den niedrigen Intensitätsbereichen, zu steigern.

Tom Kastner ist Arzt und Sportwissenschaftler am Institut für Angewandte Trainingswissenschaft in Leipzig. Als leitender Mannschaftsarzt Skilanglauf im Deutschen Skiverband betreut er aus medizinischer Sicht Sportler wie Victoria Carl, Katharina Hennig, Thomas Bing und Jonas Dobler. Zudem ist er als Verbandsarzt der Deutschen Triathlon Union tätig.

 

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