Interview mit Caroline Rauscher: "Der Sportler sollte nichts nehmen, von dem er nicht weiß, wo es herkommt" - xc-ski.de Langlauf

Interview mit Caroline Rauscher: „Der Sportler sollte nichts nehmen, von dem er nicht weiß, wo es herkommt“

Caroline Rauscher © Veronika Rauscher

Unsere Ernährungsexpertin Caroline Rauscher hat euch bereits den einen oder anderen Tipp zur Ernährung als Sportler gegeben. Dieses Mal hat sie uns im Interview einige grundlegende Fragen zu Nahrungsergänzungsmitteln und Ernährungscoaching für Profis und Hobbysportler beantwortet.

Caroline, wie sieht aus deiner Sicht die ausgewogene Ernährung eines Sportlers aus?

Diese Frage ist nicht so einfach zu beantworten, warum erkläre ich kurz: Es reicht bei weitem nicht aus, allgemeine Empfehlungen für einen Athleten einer bestimmten Sportart abzugeben. Um für einem Sportler sinnvolle!! Ernährungsempfehlungen abgeben zu können, muss man vollständig die einzigartigen Belange für sein Training und seinen Wettkampf verstehen. Die Vorbereitung dieser Athleten, die Art wie sie trainieren sowie ihre körperlichen Bedürfnisse reflektieren ihre Bedürfnisse für den Wettkampf. Diese Details müssen fein abgestimmt werden, wenn es spezielle Anforderungen für bestimmte Umstände oder Ereignisse gibt. Diese Faktoren unterstreichen die individuellen Ernährungsanforderungen und Ernährungsziele für jeden einzelnen Athleten.
Grundsatz: Die Ernährung soll ebenso periodisiert werden, wie es auch das Training wird. D.h. wird z.B. hart und lange trainiert, dann auf ausreichend Kohlenhydrate, Eiweiß und Fett achten, sowohl in der Basis- als auch in der Belastungs- und Regenerationsernährung. Ist das Training eher im lockeren GA1 Bereich, um z.B. den Fettstoffwechsel zu trainieren, dann mit den Kohlenhydraten vor, während und nach der Belastung ganz bewusst umgehen, um eben genau diese angestrebten Adaptionen des Fettstoffwechsels zu erreichen. Also immer ein angepasstes Verhältnis von Kohlenhydraten, Eiweiß und Fetten. Wie das optimale Verhältnis aussieht, ist jedoch variabel.

Ab welchem Leistungsniveau sind Nahrungsergänzungsmittel (NEM) notwendig, oder kann man selbst als Profi komplett darauf verzichten?

So einfach kann das ebenfalls nicht beantwortet werden. Wenn man unter NEM sog. Mikronährstoffe (Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente, sekundäre Pflanzenstoffe u.a.) versteht, dann ist die Antwort: Sinnvoll kann nur auf der Basis von bestimmten Blutwerten und anderen Anamnesedaten entschieden werden, ob überhaupt Bedarf besteht etwas zuzuführen und wenn ja, welche Dosierung nötig ist. Jeder Mensch verfügt über eine sog. biochemische Individualität. Sportler mit demselben Leistungsniveau sind deshalb noch lange nicht gleich, was ihren Versorgungszustand und ihren Bedarf an Mikronährstoffen angeht, eben genau wegen ihrer unterschiedlichen biochemischen Individualität. Die Art der Basisernährung, die Art des Trainings, Grunderkrankungen, genetische Faktoren etc. beeinflussen ebenfalls den Versorgungszustand. So kann es sein, dass ein Hobbysportler sinnvollerweise mehr an NEM zuführen sollte als ein Profi.

Sind Nahrungsergänzungsmittel Doping? Schließlich steigert man damit ja in gewisser Weise seine Leistungsfähigkeit, oder?

NEM, die verbotene Stoffe, welche auf der WADA Liste aufgeführt sind, enthalten, egal ob dies vorsätzlich oder aus Versehen oder Nachlässigkeit geschieht, sind als Doping anzusehen. Doping in dieser Form ist ganz klar Betrug und ich bin ein strikter Gegner davon. NEM, die legale (siehe WADA Definition) Inhaltsstoffe enthalten, deren Wirksamkeit wissenschaftlich ganz klar belegbar ist, haben eine leistungssteigernde Wirkung, das ist korrekt und natürlich auch gewollt. Folgert man nun, dass wirksame NEM zu den Dopingmitteln gehören, weil sie ja (nachgewiesener Maßen) die Leistung steigern, dann muss man konsequenterweise auch sagen, dass ganz normales Essen ebenfalls Doping ist. Die angepasste Zufuhr von ganz normalen und nicht verunreinigten Nahrungsmitteln, ist nämlich in der Lage, die Leistungsfähigkeit nachweislich zu steigern.


Die Erklärung dazu sieht so aus: Wie kommt es denn eigentlich bei einem Athleten zu einer Leistungssteigerung? Ich versuche es mal einfach zu erklären, es ist nämlich sehr wichtig gewisse Zusammenhänge zu verstehen. Zusammenhänge, die auch den enormen Stellenwert von angepasster Zufuhr von Nährstoffen ( = Nahrung) klarmachen:
Sinn und Zweck eines jeden Trainings ist es, die individuelle Leistung zu steigern. Dies wird erreicht, durch Modulation der Gen-Expression, um strukturelle und funktionelle Veränderungen in der Skelettmuskulatur und anderen Geweben hervorzurufen. Die Art dieser Adaption (Anpassung) hängt jetzt von dem spezifischen Trainingsreiz ab:
Ausdauertraining wird die Ausdauerkapazität steigern, aber trainierte Ausdauerathleten haben niedrigere Muskelkraft und trainierte Kraftsportler haben für gewöhnlich eine niedrigere Ausdauerleistung. Das Ausmaß dieser Trainingsantwort ist nun proportional zur Trainingslast (Intensität, Dauer, Frequenz). Diese Trainingsantworten werden durch spezifische Veränderungen im Auf- und Abbau von speziellen Proteinen ausgelöst. So erhöht sich der Anteil von funktionellen Proteinen im Gewebe und der Anteil von Proteinen, die keine funktionelle Rolle spielen baut sich ab. Diese Trainingsantworten werden nun durch Nährstoffe, sowie eine bestimmte metabolische und hormonelle Umgebung reguliert und werden durch die Zufuhr von Nahrung vor, während und nach dem Training moduliert.

Es wird nun plötzlich klar und bewusst, welche enorme positive Wichtigkeit die angepasste Zufuhr von bestimmten Nährstoffen auf den Körper hat. Seriöse wissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass diese strukturierte Zufuhr von Kohlenhydraten, Protein, Fett und Mikronährstoffen Veränderungen auf Genebene bewirkt und damit entsprechende Adaptionen nach sich zieht.

Fazit: Angepasste, individualisierte Ernährung und Zufuhr von entsprechenden Makronährstoffen hat das Potential Leistung zu modifizieren!

NEM werden von Kritikern aber auch immer wieder als Placebo bezeichnet. Woher kommt dieser Ruf?

Schaut man sich den schier unüberblickbaren Markt an NEM an, dann muss man sagen, dass ein sehr großer Anteil von diesen Produkten wirklich nur als „teurer Urin“ zu bezeichnen ist. Warum? Ganz einfach, weil entweder die angepriesene Indikation einfach falsch ist, oder der versprochene Effekt theoretisch zwar vollkommen korrekt beschrieben wird, die eingesetzten Mengen in den Produkten mit Sicherheit überhaupt nicht zur gewünschten Wirkung führen werden. Oft werden auch Substanzen verkauft, die gar nicht vom Körper aufgenommen werden können.

Haben Nahrungsergänzungsmittel auch noch weiteren Nutzen?

Wenn der Körper Defizite in gewissen Mikronährstoffbereichen aufweist, dann ist es für die allgemeine Gesundheit aus Präventivmedizinischer Sicht sinnvoll, diese Lücken zu schließen. NEM aus dem Bereich der Sporternährung sind unter bestimmen Bedingungen normalen Lebensmitteln überlegen. Nämlich wenn es darum geht, bei intensiveren, längeren Belastungen, im Krafttraining, in der Zwischenregeneration oder in der Regenerationsphase nach täglichen harten Belastungen, den Körper schnell und bestmöglich mit Treib- und Baustoffen zu versorgen. Wir stellen ja für unsere Athleten (Profis und Amateure) Sportgetränke ganz individuell zusammen. Es ist eine individuelle Anpassung an den einzelnen Sportler, sein Training, seinen Wettkampf etc. möglich. Durch die entsprechende angepasste Zusammensetzung, die eine sehr schnelle Aufnahme der Nährstoffe in den Körper ermöglicht, können bestimmte metabolische Zeitfenster optimal genützt werden, die für die positive Leistungsentwicklung sehr wichtig sind. Solche Überlegungen sind gerade unter Belastung und in der Regeneration sehr wichtig.

Das Thema Nahrungsergänzungsmittel ist ein weites Feld und es finden sich immer wieder schwarze Schafe. Wie kann ich sicher sein, dass ich nichts Verbotenes tue und möglicherweise gegen die Anti-Doping-Richtlinien verstoße?

Der Sportler sollte nichts nehmen, von dem er nicht weiß wo es herkommt. Kritisch sind NEM aus dem Ausland und dem Internet zu sehen. Wichtig ist abzuklären, ob die zugeführten Stoffe auf der WADA Liste stehen. Die Herkunft sollte ausschließlich von seriösen Quellen sein.

Du hast Top-Athleten wie Tobi Angerer und Andrea Henkel unterstützt und zählst aktuell Denise Herrmann sowie Hannes Dotzler zu den von dir betreuten Sportlern. Wie sieht deine Arbeit mit ihnen aus?

Unsere gemeinsame Arbeit erstreckt sich von der Beratung in Ernährungsfragen z.B. beim harten Training, in der off season, während der Wettkampfserien, und Höhentrainingslagern, über die individuelle Versorgung mit Sportgetränken und Mikronährstoffen bis hin zu Verhaltensregeln bei der Zeitverschiebung beispielsweise. Das ist bei jedem Athleten unterschiedlich. Ich habe persönliche Kontakte zu mehreren weltweit führenden Forschern aus verschiedenen Bereichen, wie z.B. Kohlenhydrat-, Proteinforschung aber auch aus dem Bereich der Trainingswissenschaften und Chronobiologie. Dieses hochkarätige Netzwerk unterstützt mich mit neusten wissenschaftlichen Ergebnissen, teilweise bevor diese in Wissenschaftsmagazinen veröffentlicht werden und bei Fragen helfen sie weiter. Dadurch kann ich am Puls der Wissenschaft arbeiten und davon profitieren „meine“ Topsportler und auch unsere Amateure.

Wo liegen die größten Reserven beim Thema Ernährung im Leistungssport?

Defizite sind in verschiedenen Bereichen erkennbar: Im Bereich der jeweils optimalen Versorgung der verschiedenen Trainingsarten ebenso wie in der intelligent angepassten Basisernährung. Die Wichtigkeit von durchstrukturierten Regenerationsstrategien wird auch oft unterschätzt.

Wie können auch Hobbysportler von deinem Wissen und deiner Arbeit profitieren beziehungsweise welchen Nutzen hat eine Betreuung durch dein Team für sie?

Wir arbeiten mit sehr vielen Amateuren aus verschiedenen europäischen Ländern zusammen und im Grunde zählt für sie das gleiche, wie für die Hochleistungsathleten: Gesunderhaltung, optimale Leistungsfähigkeit beim Sport und eine schnelle Regeneration. Der Hobbysportler kann dafür unser Wissen und die Erfahrungen aus dem Hochleistungsbereich nutzen – wir arbeiten mit internationalen Topathleten aus 12 olympischen Sportarten, das deckt schon einiges ab. Der Nutzen besteht einfach darin: jeder wird maßgeschneidert versorgt und kann sich in seiner Freizeit auf das Wesentliche konzentrieren – auf seinen Sport nämlich und verliert sich nicht im Dschungel von Ernährungsreligionen und Produkten.

Danke für das Interview!

Unsere Ernährungsexpertin Caroline Rauscher ist studierte Pharmazeutin mit Weiterbildung im Bereich Ernährung. Sie besitzt fundierte Kenntnisse im Bereich der Leistungsphysiologie. Ihre Kontakte zu weltweit führenden Forschern nutzt sie u.a. für eine optimale und individuelle Konzeption von Sportgetränken, für die Herstellung von Mikronährstoffen je nach Bedarf eines Sportlers sowie für das Ernährungscoaching von Profis und Amateuren. Sie betreut international erfolgreiche Winter- und Sommersportler, darunter bekannte Namen wie Tobias Angerer, Denise Herrmann, Hannes Dotzler, Andrea Henkel, Arnd Peiffer etc. www.nutritional-finetuning.com

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