Der Schwede Anders Karlén ist 75 Jahre alt, bewältigte 2016 seinen 40. Vasalauf und tanzte, nachdem er den 200 Kilometer langen Red Bull Nordenskiöldsloppet in 17 Stunden meisterte, mit Champagner in der Hand einen Freudentanz. Wir haben Anders getroffen und ihn nach seiner Erfolgsstrategie befragt.
Anders, wie würdest du dich selbst beschreiben?
Das ist eine schwierige Frage, aber ich versuche mein Bestes! Ich bin auf jeden Fall aktiv, kurios, optimistisch, und ich habe viel Energie. Ich mag es auch Menschen zu treffen und mit ihnen zu reden. Aber ich bin auch schlecht darin, meine Zeit zu planen, will zu viel tun, bin „Zeit optimistisch“! Aber ich habe gelernt, damit umzugehen und die Schäden zu verringern, die ich verursache. 😉
Der Mensch erfüllt verschiedene Rollen im Leben, die Rolle im Beruf, die Rolle in der Familie und natürlich auch die Rolle im Sport, welche Bedeutung haben die verschiedenen Welten für dich und wie passen sie zusammen?
Ich habe nie versucht, Sport-Profi zu werden, es als Beruf zu betreiben. Als ich in diesem Alter war, hatten nur Männer, die im Wald arbeiteten, eine Chance, ein Sieger zu sein. Sie hatten Kraft wie die Bären. Aber auch die Besten konnten Skilanglauf nur als Nebenjob haben. In meinem Herzen bin ich ein Sportler, ein Spaß-Rennläufer mit Ambitionen, aber nicht mehr. Ich habe versucht, eine Mischung aus Familienleben, normaler Arbeit und anderen Aktivitäten zu machen. Trainieren ist für mich wichtig. Etwas, auf was ich nicht verzichten kann.
Dein bisheriges, sportliches Lebenswerk mit vierzig Vasaläufen und der vermeintlichen Krönung beim 200 Kilometer Skilanglauf Abenteuer am Polarkreis, ist außergewöhnlich, ja schier unglaublich! Wie hast du das geschafft und wie motivierst du dich tagtäglich aufs Neue zu trainieren, weitere Herausforderungen zu suchen?
Es macht Spaß zu trainieren und Rennen zu laufen, ist mein Abenteuer! Ich habe das Glück, eine Frau zu haben, die diesen Lebensstil unterstützt. Einen guten und funktionierende Familien-Mix zu finden, war natürlich ein Muss. Es ist wichtig, eine gute Gesundheit, gute Kondition zu haben, denn dann hat man die Wahl. Motivation ist kein Problem, das Alter ist nur eine Zahl und bislang habe ich mich nicht verletzt oder habe irgendwelche Gebrechen. Ich habe vielleicht gute Gene für diese Art des Lebens. Wenn ich zurückblicke muss man bedenken, dass wir über einen langen Zeitraum, eine Zeit von 65 Jahren sprechen. Fünf Veranstaltungen/Rennen pro Jahr ergibt 325 Möglichkeiten. Der Nordenskiöldsloppet ist der Gipfel meiner Abenteuer … bis jetzt. Vasaloppet ist für mich etwas Besonderes. Ich mag die große Zahl der Langläufer, die nervöse Atmosphäre und nach einem guten Vasaloppet kann ich sagen: „Gutes Gefühl und ich werde nächstes Jahr wieder kommen.“ Aber ich kann nicht leugnen, dass dieses Jahr Dritter in meiner Altersklasse zu werden, mir Genugtuung gab. Langlaufen ist mein Lieblingssport, aber Laufen, Wandern, Radfahren, Kajak fahren sind auch schöne Aktivitäten. Ich bin hungrig, mich zu bewegen! Die Motivation ist kein Problem! Sie bringt mich dazu, schöne Abenteuer zu planen und zu erleben, die Ergebnisse sind nicht so wichtig. All die Jahre des fast täglichen Trainings habe ich mich auf meine Abenteuer vorbereitet.
Welcher deiner vierzig Vasaloppets ist dir besonders in Erinnerung geblieben und warum?
An meinen ersten Vasaloppet 1966 erinnere ich mich am besten. Sieger war Janne Stefansson (6-facher Sieger) mit einer Zeit von 5:52 Stunden. Meine war 8:14 Stunden. Ich war 25 Jahre alt und Vasaloppet ist zu einem großen Rennen mit rund 6.000 Teilnehmern gewachsen. Generell wurde es nicht akzeptiert, dass ein Spaß-Rennläufer eine solche Herausforderung annimmt, aber ich tat es und niemand konnte mich stoppen. Die Ausrüstung, die wir hatten, waren Holzski, Bambusstöcke, einfache Baumwollbekleidung und aus Teer hergestelltes Wachs. Mein erster Vasaloppet war gerade diese Art von Abenteuer, die ich gerne unternahm. Jetzt habe ich vierzig erreicht und es war hoffentlich nicht mein Letzter.
Wie läuft dein Training gerade, auf was achtest du besonders, verrätst du uns deine Erfolgsstrategie?
Ich trainiere 275 bis 350 Stunden pro Jahr. Im Durchschnitt eine Stunde pro Tag ist mein Ziel gewesen. Normalerweise laufe ich langsam und mache fast keine Intervalle und Training im Kraftraum. Sich gut zu fühlen ist mein Plan gewesen, aber ein gutes Gefühl ist manchmal harte Arbeit! Vor zwei Jahren hatte ich Magenprobleme und der Arzt konnte keinen Grund dafür finden. Durch Zufall fand ich eine spezielle Diät. Nach zwei Wochen war mein Magen wieder perfekt. Ich verlor sechs Kilo bis auf 74 Kilo, mein Blutdruck ist gut, ich bin nicht krank gewesen und meine Fettverbrennung ist Spitze. Heute kann ich zwei bis drei Stunden nur mit Wasser laufen. Es ist enfach zu trainieren und das Gefühl ist super. Deshalb habe ich am Ultravasan über 45 Kilometer und am 200 Kilometer Nordenskiöldsloppet teilgenommen, aber in diesen Rennen hatte ich auch Sportgetränke dabei. Ich war nicht sehr, sehr müde, nur müde. Ein Traum ist, im Doppelstockschieben besser zu werden.
Uns ist zu Ohren gekommen, du vertraust einem deutschen Trainer, eine einzigartige Konstellation. Wie kam es dazu und wie läuft es?
Ich habe Thomas Freimuth 2009 getroffen, als er das Arctic Circle Race in Sisimiut (Grönland) gewonnen hat. Alle Teilnehmer wohnten im selben Hotel und wir wurden Freunde. Im Laufe der Jahre hielten wir Kontakt per E-Mail. In Jokkmokk trafen wir uns wieder! Unser längstes Rennen, der Nordenskiöldsloppet, brachte uns noch einmal zusammen. Ich fragte, ob er mir helfen könnte, mein Doppelstockschieben zu verbessern. Wir hatten einen sehr interessanten Austausch an Erfahrungen bezüglich Training und Rennen. In der Zwischenzeit hatte Thomas AusdauerNetzwerk gegründet, ein Trainingsinstitut. Sie bieten Trainingsprogramme für Langläufer, Triathleten und alle Menschen mit dem Ziel, im Leben fit und gesund zu bleiben! Einfach perfekt für mich. Aus diesem Grund haben wir sofort eine Vereinbarung abgeschlossen. Jetzt habe ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Trainer! Sehr spannend und ich gebe mein Bestes, um seine Anweisungen zu befolgen. Wir tauschen Trainingsdaten mit dem Tool Trainingpeaks aus. Das Training ist sehr abwechslungsreich, es ist absolut individuell und wir sprechen viel, um den besten Weg zu finden. Mein Gefühl ist sehr gut, es ist Motivation pur! Kann er einen alten Hasen noch verbessern? Am ersten Sonntag im März 2017 werden wir die Antwort bekommen.
Gib uns zum Abschluss bitte deine persönliche Einschätzung zur Entwicklung der Sportart Skilanglauf, der Welt und Gesellschaft die sie umgibt und welchen Rat würdest du einem jungen Nachwuchssportler mit auf den Weg geben?
Dies ist meine Version: Ich habe die Entwicklung des Skilanglauf von der WM in Falun 1954 bis heute verfolgt. Alle Felder haben sich weiterentwickelt: Menschen, Ausrüstung, Strecken, Technik usw. Aus meiner Sicht ist Entwicklung meistens gut oder kann ohnehin nicht gestoppt werden. Ein Rennläufer will immer einen Weg finden, der Beste zu sein und das ist die Basis.
Es ist schwierig, das Niveau der Nationalmannschaft so früh zu erreichen. Die schwedische Mannschaft wird kleiner und kleiner. Geld regiert die Welt und ich denke, im Moment steckt das Geld in den Ski Classics mit dem Vasaloppet als Kronjuwel.
Ich denke, Firmenteams sind die Zukunft. Meine Empfehlung für junge Sportler ist: „Versucht, in ein gutes, professionelles Team aufgenommen zu werden und in dieser Stilart gut zu sein für bestmögliche Geschwindigkeit. Versucht, den Vasaloppet zu gewinnen und alle anderen Ski Classics Rennen.“ Ich habe gelesen, was die FIS in Mexiko diskutiert hat, um die klassische Skitechnik zu erhalten. Meiner Meinung nach ist das nicht der richtige Weg. Man kann diesen Prozess nicht stoppen, schneller und schneller zu werden.
Aber meine persönlicher Weg ist es, Spaß zu haben und bei guter Gesundheit zu bleiben.
Vielen Dank für das sehr interessante Gespräch!