Interview mit Seraina Boner: "Es wird nicht einfacher werden, Rennen zu gewinnen" - xc-ski.de Langlauf

Interview mit Seraina Boner: „Es wird nicht einfacher werden, Rennen zu gewinnen“

Seraina Boner © Rauschendorfer/NordicFocus

Sie ist die erfolgreichste Skimarathon-Athletin der Welt: Die Schweizerin Seraina Boner hat bislang zwölf Siege bei Ski Classics Rennen auf ihrem Konto und belegte bei WM und Olympia Top-10 Plätze. Im Interview mit Teemu Virtanen spricht sie über ihre Vorbereitung, ihre Lieblingsrennen und die Zukunft des Sports.

Seraina, wie ist dein Sommertraining bislang verlaufen? Machst du irgendwas Neues im Training für diese Saison?

Ich habe bislang viele Ausdauereinheiten gemacht und ich musste mein Training etwas anpassen, weil mein Einstieg ins Training nach der vergangenen Saison schwer war. Ich war ausgelaugt und habe mich zu einem gewissen Grad überlastet. In manchen Monaten habe ich auch auf einer 70 Prozent Stelle gearbeitet, was bedeutete, dass ich wertvolle Erholungszeit verloren habe. Ich habe erkannt, dass der Spaß am Training in meiner täglichen Routine gefehlt hat, weil ich zu müde wegen all dem „Extra-Gepäck“ in meinem Leben war. Deswegen habe ich mir eine gewisse Zeit freigenommen, um meine Batterien wieder aufzuladen und vor allem, um zu tun, was mir Spaß macht, um die Leidenschaft und Freude wiederzufinden. Mag sein, dass ich etwas hinter dem Zeitplan bin, aber ich hoffe, dass ich das bis zu dem Zeitpunkt, ab dem es zählt, wieder aufholen kann.

Ganz generell, wie trainierst du für Langdistanzrennen?

Ich denke, das grundlegende Training ist das gleiche für traditionelle Skilangläufer und Langdistanzläufer. Du brauchst natürlich eine gewisse Kapazität für die Langdistanz. Dann füge ich längere Trainingseinheiten mit Fokus auf die Kraft im Oberkörper hinzu und habe einen umfangreichen Fokus auf Doppelstockschieben mit hoher Geschwindigkeit und langer Dauer. Aber ich weiß auch, dass mein Körper keine 3 bis 5 Stunden Einheiten ohne eine Veränderung oder Wechsel der Geschwindigkeit durchhält. Ich muss sicherstellen, dass ich mich nicht verletze und gesund bleibe. Wenn wir mit dem Team Exspirit im Trainingslager sind, ist es wirklich inspirierend mit einer motivierten Truppe zu trainieren, die bereit ist, mehr zu geben, um an unsere Grenzen zu gehen. Aber nach dem Camp brauche ich einige Zeit, um mich zu erholen …

Was ist dein Lieblingstraining und was machst du ungern?

Es war ein wundervoller Sommer mit großartigem Wetter, viel Sonne und warmen Temperaturen bei mir zuhause. Also, jeden Morgen nach draußen zu können und in der schönen Natur um mich herum zu trainieren, ist ein sehr schönes Privileg. Ich liebe es, neue Orte zu erkunden und ich mag keine Ausdauereinheiten auf  kurzen Runden.

Wie schaffst du die Balance zwischen der Langdistanz und kürzeren Distanzen? Welche magst du lieber, da du ja die Ski Classics viele Male absolviert hast, aber auch Olympische Spiele und Weltmeisterschaften?

Wenn ich mir meine Ziele vor der Saison setze, fühle ich mich manchmal in gewissen Luxus-Problemen. Es gibt so viele großartige Möglichkeiten und spaßige Herausforderungen, die auf mich warten, dass es richtig stressig wird, meinen Plan zu erstellen. Mein Mentaltrainer gab mir mal einen guten Rat: „Die Ski Classics sollten dein Hauptziel sein.“ Ich kann für diese Serie planen und mich daran ausrichten, weil ich weiß, was mich erwartet. Es ist mein Job. Alles andere nehme ich als Bonus. Dass es mir möglich war, im Weltcup und sogar bei Olympia sowie Weltmeisterschaften zu laufen, war wirklich motivierend. Es ist entspannend für den Kopf, manchmal das Umfeld zu verändern sowie andere Leute zu treffen und gegen sie anzutreten. Das gibt mir eine andere Perspektive sowie einen anderen Blickwinkel in meinem täglichen Geschäft und das gibt mir neue Energie.

Seraina Boner © Rauschendorfer/NordicFocus

Doppelstockschieben ist ein aktuell heiß diskutiertes Thema in der nordischen Szene. Wieviel davon machst du in deinem wöchentlichen Training? Wirst du nächste Saison ohne Steigwachs laufen?

Doppelstockschieben ist ein wichtiger Teil meines Trainings und ich spüre, dass das Anwenden nicht nur hilft, das Doppelstockschieben an sich weiterzuentwickeln, sondern auch das Diagonallaufen und das Skaten. Ich werde auch in diesen Techniken besser. Die Frage ist immer, wie man vom Start zum Ziel in der minimalsten Zeit kommt. Die Antwort ist oft ohne Steigwachs und das passiert immer häufiger. Aber ich genieße generell die Diagonalbewegung sehr und mag es Steigwachs zu verwenden, wann immer die Strecke und die Bedingungen es erlauben.

Wie sehr verändert Doppelstockschieben die Sportart?

Das ist eine interessante Frage. Seit die Athleten stärker werden und einen größeren Fokus auf ihr Oberkörpertraining legen, können sie von der besseren Gleitfähigkeit profitieren, wenn sie kein Steigwachs benutzen. Die Strecken vieler Langdistanzrennen sind recht einfach und beinhalten keine nennenswerten Steigungen. Deswegen ist das Laufen ohne Steigwachs die schnellste Art der Fortbewegung. Die ganze Langlaufindustrie reagiert auf diesen Trend und wir könnten schon bald speziell designte Doppelstockschub-Ski, Stöcke, Schuhe und sogar Wachs haben. Ich empfehle und bitte Leute immer noch Steigwachs zu verwenden, wenn sie die steilen Anstiege oder die lange Distanz nicht nur mit Doppelstockschieben schaffen. Zu betrügen, indem man Skating-Schritte anwendet, ist keine Alternative und es ist schlecht für den Sport.

Die Ski Classics sind über die Jahre gewachsen und es gibt nun ein neues Rennen nächste Saison. Aus der Sicht einer Athletin, wie anspruchsvoll ist die Langdistanz-Serie?

Ich bin nun schon einige Jahre im Ski Classics Zirkus und ich denke, es macht großen Spaß, ist aber auch sehr anspruchsvoll. Das Programm für nächste Saison mit mehr Rennen schaut schwer aus. Am Tag nach einem Langdistanzrennen fühle ich mich normalerweise total erschöpft. Je nach meiner Leistung und Form nach dem Rennen dauert es ein paar Tage, um die Power zurückzubekommen. Und dann steht bereits das nächste Rennen an. Deswegen muss ich mit meiner Energie während einer Periode mit Langdistanzrennen an vier aufeinanderfolgenden Wochenenden gut haushalten. Dann ist der Hauptfokus nur darauf gerichtet, wieder fit für den nächsten Wettkampf zu werden. Das kann manchmal mental und physisch eine ganz schöne Herausforderung sein. Aber der Körper ist ein erstaunlicher Mechanismus, der viel aushalten kann und du hast ja auch deine Mannschaftskollegen, die dich unterstützen und inspirieren. Und Rennen zu laufen, ist schließlich, wofür wir trainieren.

Haben die Ski Classics ihr Potential schon ausgeschöpft oder gibt es etwas das verbessert werden oder anders gemacht werden könnte?

Ich lebe in Mitteleuropa und in den letzten Jahren habe ich versucht, die Ski Classics hier ebenso populär und bekannt zu machen, wie in Schweden und Norwegen. Aber das ist schwer, wenn die Hauptrennen in der Schweiz, in Österreich und Frankreich nicht Teil der Serie sind. Und die Leute hier lieben es wirklich auch zu skaten. Deswegen sollte es, um den nächsten Schritt zu machen und sich aus den nordischen Ländern zu verbreiten, auch Skating-Rennen in der Ski Classics Serie geben. Die Ski Classics werden aktuell von Skandinaviern dominiert, speziell bei den Herren und den Teams. Diese arbeiten sehr professionell und viele Athleten hier trauen sich nicht, es zu versuchen, was schade ist. Ich bin glücklich, dass ich die Chance habe, für ein Team aus Schweden zu laufen und großartige Unterstützung zu bekommen.

Seraina Boner © NordicFocus/www.nordicfocus.com

Es sieht so aus, als ob die Ski Classics einen ähnlichen Weg nehmen, wie die Radrundfahrten; Teamwork, Taktik und Strategie – wieviel davon wird schon umgesetzt und wie passt Teamwork ins Gesamtbild?

Tatsächlich gibt es Ähnlichkeiten zu den Radrundfahrten. Die Athleten werden von ihren Teams unterstützt und sie trainieren in Gruppe unabhängig von ihrer Nationalität. Was die Taktik und Strategie betrifft, geht es auch in diese Richtung, aber weil Windschattenlaufen nie so wichtig sein wird, wie im Radsport, ist Langlaufen von Natur aus mehr eine Einzelsportart. In den meisten Teams gibt es auch keine Hierarchie. Aber natürlich gibt es einige Situationen während eines Rennens, in denen es schön und hilfreich ist, Teamkollegen um dich zu haben. Ich denke, das passiert sehr spontan und es ist schwierig im Vorfeld zu planen. Aber wir diskutieren oft verschiedene Szenarios, nur um in der Lage zu sein, darauf zu reagieren, wenn sie eintreten.

Was ist dein liebstes Ski Classics Rennen und warum? Und was macht Langdistanz-Langlaufen aus deiner Sicht zu einer faszinierenden Sportart?

Ich mag Rennen in schöner Landschaft und auf bergigen Strecken. Deswegen sind La Diagonela, Birkebeinerrennet und Arefjellsloppet meine Top-3. Es macht mir wirklich Spaß, ein Langdistanzrennen zu laufen, weil so viel während eines Wettkampfes passieren kann. Du musst mental und physisch so hart arbeiten. Und die Tatsache, dass nicht nur Top-Athleten, sondern auch Amateure teilnehmen und ihr Potential voll ausschöpfen, macht Langdistanz-Langlaufen wirklich zu etwas besonderem. Das Startfeld beim Vasalauf zum Beispiel ist extrem beeindruckend. Ich bekomme jedesmal Gänsehaut, wenn ich es sehe. Die Liebe und Passion für den Langlaufsport dort zu fühlen, ist einfach nur großartig.

Was sind deine Ziele für die kommende Saison? Denkst du, dass die Tatsache, dass 2016 keine Olympischen Spiele und Weltmeisterschaften stattfinden, mehr Läufer dazu bringt, die Ski Classics zu laufen?

Ich war tatsächlich überrascht, dass es so lang gedauert hat, bis die besten Langläufer der Welt sich an den Ski Classics versuchten, speziell bei den Damen. Aber die nächste Saison ohne Großereignisse wird sehr wahrscheinlich mehr Langläufer dazu bringen, sich an den Ski Classics zu versuchen oder zumindest einzelne Rennen zu absolvieren. Deswegen wird es nicht einfacher werden, Rennen zu gewinnen. Aber ich hoffe, dass ich um einige Top-Positionen mitkämpfen und eine stabile Leistung während der ganzen Saison erbringen kann. Anstelle meine Ziele auf bestimmte Platzierungen auszurichten, mag ich es lieber, das Langlaufen zu genießen, gesund und motiviert zu bleiben, sowie im Wettbewerb auf dem bestmöglichen Niveau zu laufen.

Abschließend, wie siehst du die Zukunft unseres geliebten Sports – in welche Richtung entwickelt sich die Langdistanz?

Die Zukunft für das Langdistanz-Langlaufen sieht rosig aus und ich wünsche mir, dass viel mehr Leute es ausprobieren und es selbst erleben – professionelle Athleten, als auch Amateure.

Quelle: www.skiclassics.com

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