Was empfiehlst du im Umgang mit Nahrungsergänzungsmitteln (NEM)?
Caroline Rauscher: NEM sollten grundsätzliche eine sinnvolle Ergänzung zu einer gesunden und ausgewogenen Basisernährung darstellen. Einfach ins Blaue was zu schlucken ist sicher falsch! NEM sollten an den Athleten, seine Blutwerte und die Phase seines Trainings angepasst werden, nur das gibt Sinn. Niemand kann sagen, ob tatsächlich ein Defizit vorliegt, ohne vorher gemessen zu haben. Das Berücksichtigen der Trainingsphase ist ebenfalls wichtig, damit Trainingsanpassungen gegebenenfalls nicht geschmälert werden. Auf die Qualität achten! Es ist also Vorsicht geboten bei Produkten unklarer Herkunft. Die kritische Auswahl: Das ist der schwierigste Punkt. Es gibt mehr als 50.000 verschiedene NEM mit den tollsten Wirkversprechen auf dem Markt. Meistens ist überhaupt nichts dran an diesen Versprechen. Entweder ist die Gabe der Substanz an sich total unsinnig, oder die Kombination ist falsch, oder die Dosierung ist so niedrig, dass sowieso nichts wirken kann, selbst wenn der Stoff an sich eine Wirkung hätte (z.B. bestimmte Aminosäurepräparate). Nicht zu vergessen sind in diesem Zusammenhang die möglichen „zufälligen“ Verunreinigungen in sehr vielen Produkten. 10 bis 15 Prozent der angebotenen NEM enthalten laut einer Studie möglicherweise verbotene Substanzen. Auch wenn für den Amateur Dopingkontrollen kein Thema sind, so sind solche Stoffe gesundheitsschädlich. Die Sinnhaftigkeit und Qualität eines Produkts richtig zu beurteilen, ist allerdings für den Sportler sehr schwierig, oder eigentlich fast unmöglich, außer er verfügt über ein fundiertes Spezialwissen auf diesem Gebiet.
Tobi, der Fall von Evi Sachenbacher-Stehle bei Olympia in Sochi liegt noch nicht weit zurück. Wie bist du selbst mit Nahrungsergänzungsmitteln umgegangen und wie beurteilst du diesen Dopingfall, der ja kein vorsätzlicher war?
Tobias Angerer: Ja, dieser Fall entstand ja aufgrund eines Zusatzprodukts, das nicht kontrolliert worden und nicht sauber war. Bei mir persönlich war es so, dass ich immer wirklich bewusst versucht habe, nur Dinge zu mir zu nehmen, bei denen ich 1000-prozentig sicher war, dass sie rein und sauber sind. Bei der Caroline habe ich mich drauf verlassen können, das ist dreifach getestet und da hat es überhaupt keine Zweifel gegeben. Und Riegel mit Aufschriften wie „Produced in Amerika/Asia“ habe ich nicht angerührt.
Ein ähnliches Stiefkind unter Sportlern wie die Ernährung ist wahrscheinlich die Regeneration. Welche Grundsätze hast du dabei verfolgt, Tobi?
Tobias Angerer: Dass man als junger Sportler länger weggehen konnte (lacht) und das von Jahr zu Jahr weniger geworden ist. Ich habe da einen guten Vergleich, da kann sich jeder hineinversetzen. Wenn du 20 bist und gehst an einem Tag weg, dann bist du am nächsten Tag wieder so fit, dass du noch einmal weggehen kannst und am dritten Tag eventuell noch einmal. Wenn du aber mal über 30 bist, ist es genau andersherum: Du gehst an einem Tag weg und dann hängt dir das drei Tage nach. Im Sport ist es ähnlich. Auch da verlängert sich die Regenerationszeit deutlich. Umso wichtiger ist es, dass man versucht, über die richtige Ernährung die Regeneration zu begünstigen.
Caro, was gibt es aus ernährungsspezifischer Sicht in der Regenerationsphase zu beachten?
Caroline Rauscher: Die Regenerationsphase ist eine sehr wichtige Trainingsphase. Wichtig, weil in dieser Phase viele wichtige Anpassungsprozesse, die das Training auslöst, in Leistungssteigerung übersetzt werden. Außerdem ist es sehr wichtig, dass der Körper sich von dem vorher „erlittenen“ Trainingsstress erholt, um wieder den maximalen Effekt aus der nächsten Einheit zu erzielen. Optimale Regeneration ist auch wichtig für die mentale Stärke und ein intaktes Immunsystem des Athleten und ist unverzichtbar im Hinblick auf das Verhindern von Übertraining.
Tobi, ganz subjektiv aus deiner Sicht: Wieviel Prozent hatte die richtige Ernährung Anteil an der Leistung?
Tobias Angerer: Das ist eine schwierige Frage. Es gibt sicher zehn bis 15 Bereiche, die es zu optimieren gilt. Und das war auch immer meine Herangehensweise, aus jedem Bereich das Maximale herauszuholen, ob das nun mithilfe von Trainern, Serviceleuten, einer Ernährungsberaterin oder einem Mentaltrainer war.
Caro, wie sieht das bei einem Hobbysportler aus? Lohnt es sich da überhaupt aus leistungsspezifischer Sicht auf die Ernährung zu achten?
Caroline Rauscher: Auf jeden Fall: Hobbysportler haben in der Regel hohe bis sehr hohe Trainingsumfänge PLUS ihre Arbeit. Für sie ist es genau so wichtig, sich richtig während und nach der Belastung zu versorgen, wie für den Profi. Durch eine optimale Versorgung und Basisernährung schützen sie ihr Immunsystem und ihren Körper vor Überlastung. Gut versorgt machen sowohl Sport als auch Alltag mehr Spaß.