Die Lauftechnik mithilfe eines Bewegungssensors erkennen und auswerten, Videoanalyse mit Beschleunigungsdaten synchronisieren und die ökonomischte Laufweise für eine Strecke anhand von Leistungsdaten ermitteln? Das alles schien vor wenigen Jahren noch Science-Fiction, inzwischen ist es möglich. Wir haben das Analyse-Tool von Archinisis getestet, das ganz neue Einblicke ins Skilanglaufen und in Biathlon gewährt.
Das sagt der Hersteller
Archinisis GmbH ist ein kleines Sporttechnologie-Unternehmen mit Sitz in Düdingen, Schweiz. Wir sind spezialisiert auf die Entwicklung von Algorithmen und die Analyse von Sportleistungen für einzelne Sportarten. Unser tiefer Blick auf die Daten, kombiniert mit einfach zu verstehenden Visualisierungen, ermöglicht es Trainern zum ersten Mal, die Leistung ihrer Athleten im Trainingsalltag wirklich zu verstehen. Archinisis wurde 2018 von Dr. Benedikt Fasel gegründet, als Reaktion auf die starke Nachfrage nach einfach zu bedienenden und dennoch hochpräzisen Tools zur Verfolgung der Leistung von Athleten im täglichen Training. Benedikts einzigartiges Wissen und seine Erfahrung, die er während seines Doktoratsstudiums am Labor für Bewegungsanalyse und -messung an der EPFL erworben hat, ermöglichten eine sehr effiziente Entwicklung des ersten Produkts für die Leistungsanalyse im Skilanglauf. Nach nur einem Jahr Entwicklungszeit wurde das Produkt im Jahr 2019 auf den Markt gebracht. Seitdem wurden Leistungsanalyselösungen für Ski Alpin, Biathlon, Skispringen, Leichtathletik und Rudern veröffentlicht. Für die Olympischen Winterspiele 2022 nutzten 14 Nationalmannschaften aus 6 Ländern unser System, um sich optimal vorzubereiten und die Siegerstrategie zu wählen. Im Skilanglauf gewannen unsere Kunden insgesamt 10 olympische Medaillen. Das hat auch den Deutschen Skiverband überzeugt, der ab sofort auf unser Analyse-Tool zurückgreifen wird.
Das sagt die xc-ski.de Redaktion
Out of the box
In einem Paket erhalten wir von Archinisis den Sensor, ein Shirt zur Positionierung des Sensors im Schulterbereich und das Video-Sync Tool. Beide elektronischen Geräte sind sofort einsetzbar, für die Verwendung des Video-Sync Tools am Smartphone benötigt man jedoch noch ein zum Handymodell passendes Adapterkabel. Die Auswertungssoftware ist in eine Webapp integriert, die sich über eine URL ganz einfach im Browser aufrufen lässt. Mittels Zugangsdaten, die von Archinisis bereitgestellt werden, kann man sich einloggen und erste Einstellungen vornehmen. Jeder Nutzer erhält von Archinisis aber auch eine grundlegende Einführung mittels Video-Call.
Im Praxiseinsatz
Der Naos-Sensor von Archinisis, der Daten wie Beschleunigung, Rotationsgeschwindigkeiten, Geschwindigkeit sowie Position aufzeichnet und diese in Echtzeit an die Auswertungssoftware übermittelt, wiegt gerade einmal 78 Gramm und wird mithilfe des Shirts im Schulterbereich angebracht. Er muss nur per Knopfdruck eingeschaltet werden und empfängt nach kurzer Zeit genügend Satellitensignale, um die benötigten Daten zu ermitteln. Ich laufe zu Testzwecken zunächst drei Mal eine ein Kilometer Runde, aber grundsätzlich kann man nun jedes Training und jeden Wettkampf absolvieren. Einzig der Akku des Sensors limitiert die Länge der Einheit. Vier Stunden hält er bei Live-Datenübertragung, zwölf Stunden bei Aufzeichnung der Daten im Sensor und späterem Auslesen per USB-Kabel. Videos, die parallel zum Training aufgenommen werden, erhalten über das Video-Sync Tool ein akustisches Signal, das die GPS-Zeit enthält. Mit deren Hilfe wird das Video im Nachgang automatisch mit den Daten aus dem Naos-Sensor synchronisiert. Hat man nach der Trainingseinheit beides über die Webapp in die Datenbank geladen, kann die Auswertung beginnen.
Zunächst wählt man den Abschnitt des Trainings aus, der analysiert werden soll. Das können einzelne Runden auf der Rollerbahn oder Abschnitte der Trainingseinheit sein. Häufiger genutzte Runden oder Abschnitte lassen sich auch als „Track“ anlegen und später automatisch zur Analyse nutzen. Was dann von der Webapp an kumulierten Daten und Analysen ausgegeben wird, ist absolut erstaunlich und erfreut jeden Athleten und Trainer, der sich eingehender mit der Lauftechnik und -ökonomie beschäftigen will. Zunächst erhält man grafisch aufbereitet die einzelnen Zyklen in den jeweiligen Teiltechniken. Deren Verwendung wird auf der Karte exakt an den Stellen der Strecke angezeigt, an der sie erfolgt ist. Zudem erhält man eine statistische Auswertung, wie groß der Anteil der jeweiligen Teiltechnik am gesamten Abschnitt war und zahlreiche weitere Daten. Besonders interessant wird es dann aber im Bereich „Compare Segments“, also dem Vergleich mehrerer Durchläufe eines Abschnitts. Bei meinem Praxistest waren das zum Beispiel drei Runden auf der ein Kilometer Strecke, die ich nun miteinander vergleichen kann. Ich bin sie mit Schwerpunkt auf unterschiedliche Techniken gelaufen (nur 2-1 am Berg, komplett 1-1 und geländeangepasst). Nun kann ich Durchschnittsgeschwindigkeit, Reibungsverlust, Durchschnittsleistung und die ganz besonders interessante Power/Speed Ratio vergleichen. Letztere ist während meiner dritten Runde am geringsten und zeigt mir, dass ich diese (logischerweise) am ökonomischten gelaufen bin. Die Werte des Reibungsverlusts eignen sich laut Tests und Aussage von Archinisis für das Skitesten vor dem Wettkampf (ein Test unsererseits hierzu folgt im Winter). Einzelne Werte lassen sich auch im zeitlichen Verlauf (grafisch) vergleichen. Der dritte große Schwerpunkt des Analysetools liegt sicherlich in der Synchronisation von Daten und Videos. So lässt sich die Technik nicht nur bildlich analysieren, sondern auch mit der entsprechenden Geschwindigkeitskurve unterlegen. Zu guter Letzt erkennt die Webapp aus den durch den Sensor gesammelten Daten beim Biathlon automatisch Stand- und Schießzeiten (jedes einzelnen Schusses!). Auch diese Analyse werden wir demnächst noch etwas genauer unter die Lupe nehmen.
Fazit
Archinisis bildet mit Sensor, Video-Sync und Webapp unseres Wissens nach die aktuelle Benchmark unter den Analysetools im Skilanglauf und Biathlon. Das hat zwar seinen Preis, dürfte sich aber für Trainingsgruppen, Stützpunkte und nach der perfekten Lauftechnik strebende Einzelsportler schnell bezahlt machen.
Fakten
Preise: Starterpaket ab 1087 Euro (inkl. Sensor und 12 Monate Nutzung, danach ab 19 Euro pro Monat)
Weitere Infos: archinisis.ch