Therese Johaug war über die 30 Kilometer im freien Stil zum Abschluss der Olympischen Spiele in Peking einmal mehr in ihrer eigenen Welt. Jessie Diggins erkämpfte sich Silber, Bronze ging am Schluss doch noch an Kerttu Niskanen.
Vorentscheidung auf zweiter Runde
Stürmische Böen erschwerten auch das Rennen der Damen, das ein paar Stunden vorverlegt wurde, um angesagten noch schlimmeren Winden aus dem Weg zu gehen. Um 11 Uhr Ortszeit zum Start zeigte das Thermometer -14,4°C bei 15 km/h Wind aus Richtung der Wüste Gobi. Für die Damen standen heute anders als bei den Herren genau 30 Kilometer auf dem Programm. Unter der Tempoarbeit von Therese Johaug rissen schon früh Löcher in das Feld beginnend mit der Verpflegung nach 1,5 Kilometern. Nach dem Anstieg bei Kilometer 2,9 konnten sich mit Johaug, Andersson, Diggins und Claudel vier Damen absetzen, während andere wie Natalia Nepryaeva schon auf den ersten zwei Kilometern ungewöhnlich schlecht aussahen. Die Russin gab das Rennen schon vor Ende der ersten Runde mit mehr als einer Minute Rückstand auf. Aus der Verfolgergruppe versuchten Niskanen, Brennan und Sundling, den Anschluss wieder herzustellen, mussten ihre Bemühungen aber schließlich einstellen und bildeten nach einer Runde eine große Verfolgergruppe mit etwa 30 Sekunden Rückstand. Die Vorentscheidung um den Sieg fiel schon zu Beginn der zweiten Runde, als Therese Johaug sich in einem Anstieg mit hoher Frequenz absetzte. Jessie Diggins nahm nun die zweite Position ein, während Ebba Andersson sich nach hinten verabschiedete wie schon die Französin direkt nach dem Stadion. Innerhalb weniger Minuten waren die Abstände zwischen allen Läuferinnen sehr groß.
Johaug gewinnt vor Diggins
Nachdem es zwischenzeitlich so schien, als würde Ebba Andersson bald von der achtköpfigen Gruppe mit Teresa Stadlober eingeholt werden, konnte die Schwedin sich im Laufe der dritten Runde wieder etwas fangen und damit den Abstand nach hinten wieder vergrößern – was aber auch an Uneinigkeit in der Gruppe dahinter lag. Nach drei von vier Runden schien die Medaillenverteilung klar zu sein: Johaug mehr als eine Minute vor Diggins, Andersson eine weitere Minute dahinter und die Gruppe 35 Sekunden hinter ihr. Daran änderte sich auch auf der Schlussrunde nicht mehr viel, Johaug gewann mit 1:43 Minuten Vorsprung ihre dritte Goldmedaille. Den olympischen Rekordabstand von Marit Bjoergen (1:49 Minuten) verpasste sie wegen ihres Kampfes mit der norwegischen Flagge bei stürmischen Böen im Stadion. „Es war unglaublich. Etwas anderes kann ich nicht sagen. Ich habe versucht, jede Minute des Rennens zu genießen, meine Ski waren fantastisch. Es waren tolle Spiele mit einem tollen Ende. Meine lange Karriere neigt sich ihrem Ende zu. Das waren meine letzten Olympischen Spiele und hier nun dreimal Gold zu gewinnen, ist ein Traum, der heute wahr wurde. Nun überwältigen mich die Gefühle“, sagte die Norwegerin, die wie Niskanen oder Bolshunov auch noch auf die letzte Läuferin wartete, bei NRK. Jessie Diggins taumelte völlig entkräftet als Silbermedaillen-Gewinnerin ins Ziel und musste nach einigen Minuten bei ihrem Weg aus dem aus dem Zielbereich von Betreuern gestützt werden. „Das war eines der härtesten Rennen in meinem ganzen Leben. Besonders weil ich 30 Stunden vor dem Start eine Lebensmittelvergiftung bekam. Es hat sich angefühlt, als würde ich sterben im Ziel“, so Jessie Diggins im Interview mit US Medien. „Nach 17 Kilometer bekam ich Krämpfe in meinen Beinen. Ich habe keine Ahnung, wie ich es ins Ziel geschafft habe, aber es ist großartig!“
Kampf um Bronze im Stadion
Spannender wurde es dahinter, wo sich die Gruppe in der letzten Runde immer mehr teilte. Eine erholte Delphine Claudel, Rosie Brennan und Kertu Niskanen versuchten fünf Kilometer vor Schluss, sich im Anstieg abzusetzen. Wenn es ihnen auch nicht lange gelang, ihren Vorsprung zu halten, wurde durch die Attacken der Abstand auf Ebba Andersson langsam kleiner. Als dann in Stadionnähe die stürmischen Böen immer stärker wurden, kam die Gruppe auch unaufhaltsam näher: Der Schwedin gingen die Kräfte aus. Im Anstieg zum Stadion ging dann Kerttu Niskanen an ihr vorbei, nach und nach auch die anderen. Die Finnin lief im Stadion der Bronzemedaille entgegen, aber Tatiana Sorina war direkt hinter ihr und griff an. Als es dann um die letzte Kurve ging und die Athletinnen auf der Zielgeraden starken Gegenwind hatten, musste die Russin abreißen lassen. Kerttu Niskanen sicherte sich ihre zweite Medaille in Peking. Auf der letzten Runde hatten ihr sämtliche Betreuer zugerufen: „Nimm nicht Platz vier, kämpfe um Bronze!“ und ihr Ehemann Juho Mikkonen spornte sie am letzten Anstieg an: „Du kannst es schaffen, wenn du es versuchst!“. „Ich dachte aber, dass es doch noch so weit, aber ich habe mein Bestes gegeben und das wurde heute belohnt“, sagte sie bei YLE und hob die Wichtigkeit ihres Bruders hervor. „Iivos Erfolge haben mich motiviert und der Fakt, dass ich es auch schaffen kann. Rang vier ersprintete sich noch Jonna Sundling, die als Sprinterin beste Schwedin in dem schweren Rennen über 30 Kilometer war. Sorina kam als Fünfte ins Ziel vor Rosie Brennan. Delphine Claudel zog als Siebte ebenfalls noch an Ebba Andersson vorbei. „Ich war noch nie so enttäuscht wie heute. Das ist sicherlich der schwerste Moment meiner Karriere“, sagte Andersson.
Stadlober wird Elfte
Zu den Athletinnen, die auf der letzten Runde den Anschluss verloren, gehörte auch Teresa Stadlober. Nachdem zuvor Krista Pärmäkoski nach einem Stockbruch nicht wieder aufschließen konnte, war es im schweren Anstieg an der zweiten Zwischenzeit dann um Mariya Istomina und die Österreicherin geschehen. Auf den letzten Kilometern schlug sich die Russin am besten und wurde 25 Sekunden hinter Andersson Neunte. Stadlober musste sich im Zielsprint Pärmäkoski geschlagen geben und wurde Elfte. „Ich habe schnell gespürt, dass ich heute muskelmäßig nicht auf der Höhe bin. Der Teamsprint hat mir doch viel Kraft gekostet. Da war mir bald klar, dass das heute nicht für eine Medaillen reicht. Das war heute der absolute Wahnsinn. Ich habe meine Zehen und Finger bald nicht mehr gespürt. Der Wind war richtig heftig. Es war richtig grenzwertig. Ich wollte eigentlich nur ins Ziel kommen, die Spiele ordentlich beenden. Das habe ich geschafft“, so Stadlober.
Carl Zwölfte, Fräbel 19.
Als beste Athletin des DSV-Trios belegte Victoria Carl in ihrem einzigen Distanzrennen der Spiele neben Sprint, Teamsprint und Staffel Rang zwölf. Als Johaug das Tempo verschärfte, konnte die Thüringerin nicht mehr mithalten und verlor auch den Anschluss an die sich bildende Verfolgergruppe. Zu den Gründen sagte sie: „Ich bin leider Gottes aus der Gruppe herausgefallen. Ich hatte ein kleines Malheur mit einer Russin, habe mich gedreht und dann war der Schwung weg kurz vor der Verpflegung. Dann bin ich einfach nicht mehr reingekommen. Hätte ich da einen Zwischensprint gemacht, um in die Gruppe hereinzukommen, hätte es mich hintenraus vielleicht viel weiter zurückgespült.“ Ab Runde zwei lief die 26-Jährige ein einsames Rennen und war komplett auf sich allein gestellt, angefeuert von sämtlichen Langlauf- und Biathlon-Betreuern. Auf der letzten Runde büßte sie noch viel Zeit ein, aber ihr zwölfter Platz war nicht in Gefahr. „In der letzten Runde kam der Wind echt mega auf, ich bin in der Abfahrt ein, zweimal gestrauchelt, weil mich eine Böe so erfasst hat in der Abfahrtshocke, dass es mich fast von den Skiern gerissen hat. Wenn es etwas anders gelaufen wäre in der zweiten Runde, wäre definitiv noch etwas mehr drin gewesen. Aber ich bin sehr zufrieden“, so Carl, die ausdrücklich auch wieder das Material lobte: „Ich habe mich ein bisschen so wie in der Staffel gefühlt. Ich bin einfach allen davon gefahren. Aber ich bin natürlich auch ein bisschen schwerer, das muss man auch dazu sehen. Aber wenn man mit so einem Material am Start ist, will man es natürlich auch den Technikern danken mit einer guten Platzierung.“ Sophia Laukli hätte etwa 30 Sekunden hinter der Deutschen das Ziel erreicht, verlief sich aber im Stadion und musste umdrehen, so dass die Weng-Zwillinge noch vor ihr die Linie überquerten. Antonia Fräbel ging das rennen sehr vorsichtig an und hatte nach einer Runde als 36. schon 1:45 Minuten Rückstand. Sie hatte sich das Rennen aber sehr gut eingeteilt und konnte später noch viele Athletinnen einholen, so dass sie noch sehr gute 19. wurde. Pia Fink, zwischenzeitlich bis zu 45 Sekunden vor der Teamkollegin, konnte Fräbels Tempo auf der letzten Runde nicht mitgehen und wurde fast 45 Sekunden dahinter 25. Als einzige Schweizerin belegte Lydia Hiernickel Rang 27. „Wer sich hier durchkämpft, vor dem kann man nur den Hut ziehen“, so DSV-Teamchef Schlickenrieder.
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