Die Trainerperspektive:
Viele Athleten erwarten vom Trainer, dass er „Fehler“ sofort erkennt und einfache, universelle Lösungen für technische Herausforderungen anbietet. Dies hat wahrscheinlich dazu geführt, dass sich einige Trainer zu „Experten“ entwickelt haben, die bereit sind, jedem sofort und chirurgisch präzise Rückmeldung zu allem zu geben. Dies wiederum hat dazu geführt, dass viele (andere) Trainer eingeschüchtert sind und Angst haben, sich an der Technikdiskussion zu beteiligen, da sie sich nicht ausreichend qualifiziert fühlen, um eine Meinung zu haben. Es ist jedoch zu akzeptieren, dass jeder Zeit und Erfahrung braucht, um ein „wahres“ Verständnis der Technik und eine effektive Kommunikationsmethode zu entwickeln, die das Verständnis der Athleten sicherstellt. Denke an Nr. 1: Kommunikation ist schwierig. Denke an Nr. 2: Wenn Du etwas gut können willst, musst Du lange üben. Zum Glück sind die Menschen unterschiedlich und lernen auf verschiedene Weise. Manche brauchen Metaphern, um zu verstehen, andere müssen ein „Bild“ im Kopf haben, wieder andere müssen die „richtige“ Bewegung spüren. Experimentiere mit Worten, Ausdrücken, Bildern und einem „Gefühl“, wenn Du über Technik sprichst.
Wie können wir technische Herausforderungen erkennen? Wie sollten wir unsere Arbeit an den identifizierten Herausforderungen priorisieren? Als Trainer sollten wir uns zunächst mit den wichtigsten Problemen befassen, bevor wir kleinere Probleme lösen. Wenn Du zuerst die größeren Probleme löst, verbessern sich oft die kleineren oder verschwinden ganz. Gib dem Athleten nicht zu viele Aufgaben, an denen er arbeiten soll – 1 bis 2 Aufgaben pro Technik sind mehr als genug! Die Reihenfolge, in der wir arbeiten, um eine Diagnose zu stellen und die richtige Behandlung zu finden, ist folgende:
- Gleichgewicht in der gewünschten Position und Gewichtsverlagerung.
- Vertikale Gewichtsverlagerung in einer ausbalancierten Position.
- Koordinierter Stoß/Kraftübertragung in die gewünschte Richtung.
Gleichgewicht in der gewünschten Position und Gewichtsverlagerung
Zunächst wird überprüft, ob der Sportler in der gewünschten Position im Gleichgewicht ist. Sind Nase/Knie/Zehe ausgerichtet? Wenn der Sportler kein ausreichendes Gleichgewicht hat, stellen wir diese Aufgabe zuerst in den Vordergrund. Ein gutes Gleichgewicht ist eine Voraussetzung für den nächsten Technikschritt. Die gewünschte Position ist zum Beispiel eine hohe Position, ein Vorwärtssalto, eine tiefe Position, eine athletische Position. Mehr dazu in einem separaten Punkt.
Gute Übungen sind:
- Kniebeugen auf einem Bein
- Imitationssprünge, um die Skitechnik zu simulieren – am besten mit Kontrollsprüngen, um zu prüfen, ob das Gleichgewicht vorhanden ist, bevor man auf die andere Seite springt- lange Zeit auf einem Ski gleiten
- Skifahren ohne Stöcke, oder 5 Zyklen mit Stöcken und 5 ohne Stöcke absolvieren
- Die „Super-V2“-Übung: Der Athlet gleitet auf einem Ski und führt zwei Stockschläge pro Beinabstoß aus
Vertikale Gewichtsverlagerung
Vertikale Gewichtsverlagerung bedeutet, dass der Sportler eine „Hocke“ (auf einem und zwei Beinen) ausführen kann, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Der Athlet muss in der Lage sein, durch Absenken des Gewichts einen scharfen Winkel in Knöchel und Knie zu bilden, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Die vertikale Gewichtsverlagerung ermöglicht einen kräftigen Beinabstoß bzw. eine Doppelstockbewegung, wodurch die Kraft in die richtige Richtung gelenkt werden kann.
Gute Übungen sind:
- Kniebeugen mit Sprüngen. Vorzugsweise mit Kontrollsprüngen auf jeder Seite, um das Gleichgewicht zu zeigen
- Kastenübungen, bei denen man sich mit einem koordinierten Schub/Arm-Pendel auf einen Kasten hochdrückt
- Imitationssprünge, die die Skitechnik simulieren. Vorzugsweise mit Kontrollsprüngen, die ein gutes Gleichgewicht zeigen
- Kniebeugen und Sprünge mit doppelter Kompression
Koordinierter Druck/Kraft in die gewünschte Richtung
Wenn der Athlet die Schritte 1 und 2 beherrscht, muss sichergestellt werden, dass der Oberkörper und die Beine harmonisch und synchron arbeiten und Kraft in die gewünschte (gleiche) Richtung erzeugen. Wenn der Sportler dies schafft, wird er ein Maximum an Kraft und Geschwindigkeit erreichen. Die Kraft/der Tritt erzeugt die horizontale Gewichtsverlagerung in die (hoffentlich) gewünschte Richtung. In einigen Fällen kann es vorkommen, dass der Sportler zwar Kraft erzeugen kann und koordiniert ist, aber nicht in der Lage ist, die Kraft in die richtige Richtung zu lenken oder die Bewegungen zu vollenden. In diesem Fall müssen die Übungen angepasst werden.
Gute Übungen sind:
- Kontrastübungen – koordinierter Armschwung vs. unkoordinierter Armschwung, langer Stoß vs. kurzer Stoß
- Stoße in eine imaginäre Richtung auf der Uhr (12 ist geradeaus, 3 ist 90 Grad nach rechts und 9 ist 90 Grad nach links). Variiere die Richtung des Abstoßes, um herauszufinden, was am besten funktioniert. Dies kann auch als Kontrollsprung ohne Skier in allen Techniken durchgeführt werden
Die richtige Position
Um die richtigen Positionen zu finden und Lösungen zu finden, die die meiste Kraft/Schnelligkeit maximieren und/oder am ökonomischsten/nachhaltigsten sind, sollte man den Athleten einbeziehen und Übungen finden, bei denen der Athlet lernen und fühlen kann. Dies kann durch Filmen, GPS, Kontrastübungen, Rundenzeit, Puls, Laktat usw. geschehen. Video ist ein gutes Hilfsmittel, da der Sportler schnell sehen kann, ob das „selbst wahrgenommene Bild“ mit dem Videobild übereinstimmt. Oft sind Skiläufer überrascht, wenn sie feststellen, dass das Videobild deutlich von ihrem inneren (Selbst-)Bild abweicht, wie sie Ski fahren. Technikvideos sind leicht zu erstellen, da jeder eine Handykamera hat und man sich die Technik in Zeitlupe in Ruhe anschauen kann. Der Nachteil ist, dass die Videoanalyse viel Zeit in Anspruch nimmt (vor allem bei einer großen Gruppe von Athleten), und dass die Videos oft erst nach dem Training ausgewertet werden (nicht zeitnah). Bei der Analyse von Technikvideos solltest Du Dir zunächst ansehen, wie der Oberkörper funktioniert, und dann die Beine betrachten. Unserer Erfahrung nach „folgen“ die Beine oft dem Rhythmus des Oberkörpers.
Eine andere Methode sind Kontrastübungen, bei denen der Sportler von einer Extremposition in eine andere Extremposition hin- und herwechselt. Durch solche Übungen kann man empirisch verschiedene Lösungen testen und sich schnell darauf einigen, was die schnellste und/oder günstigste Technik ist. Beispiele dafür sind: lange/gerade Arme vs. kurze/abgeknickte Arme, Stockspitzen weit hinten vs. weit vorne, Gewicht auf dem Zehenballen vs. auf der Ferse, auf die Zehen kommen beim Doppelstock vs. das Gewicht auf der Ferse halten, Hühnerflügel vs. Ellenbogen entlang des Körpers, kleiner vertikaler Drop vs. großer vertikaler Drop, Einsatz von Rumpf/Bauch (Crunch) vs. mehr Armeinsatz, hohe Frequenz vs. niedrigere Frequenz usw. Wenn der Sportler die extremen Positionen beherrscht, wird es einfacher sein, die optimale Lösung zu finden, die irgendwo zwischen den beiden Positionen liegt. Als Trainer ist es wichtig zu beobachten, wie der Sportler auf die Übungen reagiert. Ist der Sportler in der Lage, sich selbst zu fordern? Kann er den Unterschied erkennen? Wir haben die Erfahrung gemacht, dass die meisten Menschen gut auf solche Übungen reagieren und dass sie selbst die Vor- und Nachteile der einzelnen Lösungen erkennen können. Wenn der Trainer und der Sportler sich über die beste Position einig sind, ist es einfacher, zu dem Schluss zu kommen, dass die „Wahrheit“ näher an einer extremen Position liegt als an der anderen. Mit Hilfe einer Standardrunde (oder eines Laufbands), der Zeit, des Pulses (eventuell des Laktats) ist es möglich, verschiedene Bewegungsmuster, technische Lösungen, Gänge und Strategien zu testen. Die Extreme können auch als Bezugspunkte dienen, wenn der Athlet die Technik unterwegs „kalibrieren“ muss.
Jeder Trainer hat seine eigene Art, die Technik zu beobachten, zu analysieren und mit ihr zu arbeiten. Um das eigene Verständnis zu verbessern, ist es wichtig, dass der Trainer auch verschiedene Lösungen ausprobiert. Diese Erfahrung führt oft zu einer besseren Kommunikation über die Technik. Es ist sehr lehrreich und wertvoll, wenn der Trainer zusammen mit den Athleten Ski läuft.
Die Perspektive des Athleten
Die Athleten müssen die Verantwortung für die Entwicklung ihrer eigenen Technik übernehmen. Das Erlernen und die Beherrschung der Technik hängen von Neugierde, Konzentration, Experimentieren und Wiederholung ab. Das Ziel ist, dass der Sportler so oft wie möglich mit perfekter Technik trainiert, um sicherzustellen, dass die Technik automatisiert wird. Der Sportler sollte in der Lage sein, sehr klare und bewusste Entscheidungen darüber zu treffen, welche Techniken und Gänge angesichts der äußeren und inneren Faktoren am optimalsten sind. Eine bewusste Entscheidung, nicht über die Technik nachzudenken, ist manchmal in Ordnung, sollte aber eher die Ausnahme als die Regel sein. Als Sportler solltest Du Dir einige wichtige Fragen stellen: Bist Du neugierig genug, um neue und bessere Lösungen zu finden? Wie kannst Du den Trainer und das Team dazu motivieren, Deine Neugier zu teilen? Was sollte ein Trainer von Dir als Sportler erwarten? Was ist Deine Verantwortung als Sportler? Ist Dein Verständnis von Technik ausreichend? Stimmt Dein eigenes Bild von Deiner Technik mit der Realität überein?
Es ist nicht leicht, „Kritik“ an der Technik anzunehmen, denn Technik ist etwas Persönliches. Manchmal hilft es, sich vor Augen zu führen, dass es ebenso schwierig ist, jemanden zu „kritisieren“. Sei Dir sich einfach bewusst, dass jemand, der sich die Zeit nimmt, Dir etwas über Deine Technik zu sagen, gute Absichten hat und Dir helfen möchte. Deine Verantwortung als Sportler ist es, zuzuhören, zu versuchen, zu diskutieren und Feedback zu geben. Wenn jemand seine Zeit investiert, um dir Ratschläge zu geben, dann bist du es ihm schuldig, zuzuhören (und manchmal sollte man auch daran denken, Danke zu sagen 😊). Ein Trainer gibt Feedback und Ratschläge mit der Absicht, Dir zu helfen, sich als Person und als Sportler zu entwickeln. Wenn Du etwas nicht verstehst oder mit etwas nicht einverstanden bist, dann frage und diskutiere. Sich nicht die Mühe zu machen, neue Konzepte auszuprobieren, oder – noch schlimmer – technische Ratschläge zu „sabotieren“, führt nicht zu einer positiven Entwicklung. Gebe technischen Ratschlägen immer eine Chance – im schlimmsten Fall findest Du eine Technik, die nicht vorteilhaft ist, und kannst dann eine andere Lösung testen. Objektive Daten wie Rundenzeit, Herzfrequenz und Laktat können zur Bestätigung effektiver technischer Lösungen herangezogen werden. Die Arbeit mit der Technik ist Teamarbeit und erfordert Vertrauen. Gemeinsam könnt ihr von einander lernen. Ziel ist es, dass Du so unabhängig wirst, dass Du selbständig an der Entwicklung Deiner Technik arbeiten kannst.
Als Sportler musst Du wissen, dass es schwierig ist, technische Ratschläge zu geben. Alle Sportler sind unterschiedlich und haben verschiedene Bereiche, in denen sie sich verbessern können und sollten. Was für Dich richtig ist, kann für jemand anderen falsch sein. Wenn ein Trainer zu einer Person etwas sagt und zu Dir etwas anderes, kann das verwirrend sein. Denke daran, dass die Ratschläge oft auf der Grundlage der individuellen und einzigartigen technischen Herausforderungen des jeweiligen Sportlers gegeben werden. Ein Trainer ist auf einen guten Dialog mit dem Athleten angewiesen. Jeder Sportler ist einzigartig und „entschlüsselt“ die Botschaften des Trainers anders. Dies erfordert, dass wir als Trainer oft kreativ sind und jedem einzelnen Athleten andere „visuelle Hinweise“ geben müssen.
Es ist wichtig, sich darüber einig zu sein, dass das Ziel nicht darin besteht, eine Trainingstechnik und eine Wettkampftechnik zu entwickeln. Die richtige Technik sollte unabhängig von der Intensität ausgeführt werden können. Dies gilt sowohl für „leichte“ als auch für „schnelle“ Techniken. Denken Sie daran, dass 80 % der Trainingseinheiten und 90 % der Trainingszeit bei niedriger Intensität durchgeführt werden. Für Trainer ist es unverständlich, dass Athleten diese Zeit nicht nutzen, um die richtige Technik zu üben. Wir hören oft, dass es unmöglich ist, mit einer guten Technik langsam zu fahren. Es ist zwingend notwendig, sich bei allen Trainingseinheiten auf eine gute Technik zu konzentrieren, WENN man sich verbessern will. Du musst oft nicht mehr Zeit finden, um Dich zu verbessern, das Wichtigste ist, die Zeit, die Du bereits in Dein Training investierst, effektiver zu nutzen. Wenn Du die „kleinen Dinge“ (die einen großen Unterschied machen können) richtig machst, brauchst Du nicht mehr Zeit. Zu den „kleinen Dingen“ gehören zum Beispiel Technik, Intensität, Ernährung, Flüssigkeitszufuhr usw.
Ein guter Ratschlag für alle Sportler ist es, zu versuchen, jemand anderen zu coachen. Wenn Du als Sportler in die Rolle des Coaches schlüpfst, wirst Du erfahren, wie schwierig es ist, technische Probleme zu erkennen und Änderungen/Lösungen zu vermitteln. Der Vorteil ist, dass Du einen tiefen Einblick in die Technik erhältst und oft neue Ansätze entdeckst, die Dir auch bei Deiner eigenen Entwicklung helfen werden. Dies gilt sowohl auf den Skiern als auch bei der Analyse von Video-/GPS-Daten.
Die Technik entwickelt sich ständig weiter und verändert sich. Gegenwärtig verfügen wir nicht über geeignete technische Hilfsmittel, die uns das perfekte „Rezept“ für die optimale Technik und deren beste Umsetzung liefern können. Wir müssen daher experimentieren, um optimale Lösungen zu finden. Der Trainer und der Sportler tragen gemeinsam Verantwortung für die Entwicklung der Technik. Dies erfordert, dass beide Parteien so oft wie möglich gemeinsam üben. Der Entwicklungsprozess hängt von einem guten und gemeinsamen Verständnis ab sowie von der ständigen Neugierde, mit verschiedenen Möglichkeiten zu experimentieren. Die Technik ist nicht statisch. Wetter, Wind, Schnee und viele andere Faktoren erfordern die Beherrschung verschiedener technischer Lösungen. Wir hoffen, dass dieser Artikel eine Diskussion darüber anregen kann, wie man die Technikarbeit am besten angeht. Eine gute Technik ist der Schlüssel zur Entfaltung des eigenen körperlichen Potenzials und zur Entwicklung der besten Version von sich selbst. Technik muss weder für den Trainer noch für den Athleten eine Herausforderung sein, aber sie erfordert einen guten Dialog, Zusammenarbeit, Eigenverantwortung und Neugierde.
www.teamakerdahlie.com/training / Jarle Wermskog