Langläuferin Justyna Kowalczyk hat schwere Vorwürfe gegen die norwegische Olympiasiegerin Marit Björgen erhoben. „Ohne ihre Medikamente hätte sie nicht gewonnen“, sagte die Polin.
„Die Vorwürfe sind eine Beleidigung“
Kaum hatte Marit Björgen mit ihrem dritten Olympiasieg die unvergessene Eisprinzessin Sonja Henie überflügelt, musste sie sich schwere Vorwürfe ihrer schärfsten Rivalin gefallen lassen. „Ohne ihre Medikamente hätte sie nicht gewonnen. Marit weiß genau, dass sie ohne ihre ‚Hilfsmittel‘ nicht viel zu bieten hätte“, sagte Polens Langlauf-Doppelweltmeisterin Justyna Kowalczyk und verdarb der Königin der Spiele von Vancouver die Partystimmung. Das Groteske an diesen indirekten Doping-Vorwürfen: Die selbst massiv von Zweifeln begleitete Kowalczyk war selbst schon wegen eines Doping-Vergehens ein Jahr gesperrt.
Die nun erfolgreichste Norwegerin in der Geschichte der Olympischen Winterspiele reagierte vor dem mit Spannung erwarteten Duell der beiden Favoritinnen über 30km am Samstag entsetzt. „Die Vorwürfe sind eine Beleidigung. Das hat mich sehr verletzt. Sie ist eine schlechte Verliererin“, sagte die 29-Jährige.
Björgens Manager: Vorwürfe absolut haltlos
Björgens Teamchef erklärte, die Vorwürfe seien absolut haltlos. „Das ist das Dümmste, was ich bislang bei diesen Spielen gehört habe. Das Asthma-Medikament ist vom Ski-Weltverband FIS und der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA zugelassen“, sagte Age Skinstad. Wer es nicht brauche, könne damit nichts anfangen. Das Präparat reinige die Lungen, weite sie aber nicht, erklärte Skinstad.
Kowalczyk, die in Whistler hinter Björgen Silber im Sprint und Bronze im 15-km-Jagdrennen geholt hatte, ist aber überzeugt, dass Björgen ohne das Präparat chancenlos wäre: „Sie hätte weder mit mir noch mit den anderen mithalten können.“ Immerhin räumte Kowalczyk ein, dass sie den falschen Zeitpunkt gewählt habe. „Ich bereue, dass das während Olympia rausgekommen ist. Ich weiß, dass das nicht gut war. Nach der Saison werde ich mit ihr reden.“
Kowalczyk selbst vorbelastet
Die Polin selbst war von der FIS im Januar 2005 für zwei Jahre wegen einer positiven Dopingprobe gesperrt worden. Die Sperre wurde zunächst auf ein Jahr verkürzt, kurz darauf um noch einmal sechs Monate. Pjotr Nurowski, der Präsident des Nationalen Olympischen Komitees für Polen, wollte aus dem Zwist die Luft herausnehmen: „Das hat sie im Affekt gesagt, Polen und Norwegen sind gute Freunde.“
Die Vorwürfe waren am Freitag in Norwegen auf allen Titelseiten. Dabei war Björgens Welt wenige Stunden zuvor noch in Ordnung gewesen. Selbst König Harald V. jubelte im Whistler Olympic Park mit „Marit I.“ und klatschte vor Freude in die Hände. „Ich habe von einer Goldmedaille geträumt, jetzt nehme ich gleich drei mit. Diese Spiele sind einfach wunderbar“, sagte Björgen, die sich als Schlussläuferin der Staffel feiern ließ. „Diese Goldmedaillen sind das Größte.“
Björgens Medaillensammlung nun komplett
Der letzte Makel in der Karriere der Ausnahme-Athletin war beseitigt. Vor vier Jahren war Marit Björgen als Topfavoritin nach Turin gereist, doch eine Bronchitis zerstörte ihren Traum vom Gold. Björgen weinte Tränen der Enttäuschung. Nun war sie überglücklich – Henie, weltbekanntes Eiskunstlauf-Sternchen der 20er und 30er Jahre, hatte zwar auch dreimal Gold gewonnen. Doch Björgen hat noch zweimal Silber und einmal Bronze in der Vitrine.
„Marit holt sich hier alles auf einmal ab, was sie in den vergangenen Jahren verpasst hat“, sagte Bundestrainer Jochen Behle. Evi Sachenbacher-Stehle, Olympiasiegerin im Sprint und am Donnerstag mit ihren Kolleginnen Zweite, gönnte der Rivalin den Triumph: „Marit hatte schon so viel Pech. Es ist nur der gerechte Lohn.“ Lange genießen konnte Björgen ihn nicht.