Wer hat Angst vor der Sportpsychologie?

Therese Johaug (NOR), Frida Karlsson (SWE), (l-r) © Modica/NordicFocus

Effektives körperliches Training macht einen Sportler stärker, schneller und geschickter. Effektives mentales und sportpsychologisches Training macht einen Sportler aufmerksamer, fokussierter, emotional kontrollierter und motivierter. Warum also nicht auch so deine Leistung optimieren?

In der Studie zu meiner Masterarbeit über mentale Stärke im Skilanglauf bin ich auf folgenden Zusammenhang mentaler Techniken im Training und Wettkampf gestoßen: Langläufer, die Fertigkeiten und Techniken (wie Selbstgespräche, Zielsetzung, Visualisierung oder Aufmerksamkeitssteuerung) häufig im Training anwenden, tun dies auch in Wettkämpfen. So haben sie die Möglichkeit, ihre sportliche Leistung zu steigern. Sportler, die im Training weniger mentale Tools anwenden, greifen auch in Rennen weniger auf sie zurück (König, 2020). Man kann daraus schlussfolgern, dass sportpsychologische Tools, genau wie die Diagonaltechnik oder die Ausdauerleistung, trainiert werden müssen, um das Bestmögliche in der entscheidenden Situation heraus zu holen. Ich möchte euch einige dieser Tools vorstellen, damit ihr sie ausprobieren könnt. Denn sein wir mal ehrlich, wie viele von euch wenden extra Trainingszeit auf, um mental zu trainieren? Sicher die wenigsten… dabei habt ihr gerade in Corona-Zeiten die Möglichkeit, neue Impulse zu setzten und Unbekanntes auszuprobieren!

Ziele setzen, da kann man ja nichts falsch machen! Oder doch?

Heute solls losgehen mit der Zielsetzung: Ziele sind das A und O im Sport. Werden sie falsch gesteckt, können schnell Langeweile oder Überforderung auftreten. Richtig gesteckte Ziele hingegen motivieren und stärken, denn durch das Erreichen von kleinen und großen Zielen entstehen positive Emotionen und der Anreiz weiterzumachen steigt an. Es gibt aufgabenorientierte Ziele, wie beispielsweise die Verbesserung des Doppelstockschubs. Und es gibt wettbewerbsorientierte Ziele, wie z.B. eine Top-Altersklassenplatzierung beim König-Ludwig-Lauf (nach Nicholls, 1984). Wichtig ist aber bei allen Zielen: sie müssen SMART sein! Das S steht für „spezifisch“. Gemeint ist damit, dass das Ziel so genau wie möglich formuliert werden soll. Das M für „messbar“ beschreibt die zeitliche, räumliche oder inhaltliche Messung des Ist- und Soll-Zustandes, damit das Erreichen des Ziels überprüft werden kann. Das A für „ambitioniert“ und das R für „realistisch“ stellen sicher, dass das gesteckte Ziel weder zu leicht noch unmöglich zu erreichen ist. Und das T für „terminiert“ sagt aus, dass es eine zeitliche Begrenzung bis zur Erfüllung des Ziels geben soll um ein Hinauszögern zu verhindern.

In der Praxis heißt das: Die Sportlerin möchte ihren Doppelstockschub verbessern. Konkreter: Sie will nicht zu sehr nach vorne abknicken und lernen, durch das Stellen auf die Zehenspitzen mehr Dynamik in den Schub zu bringen, um weniger Zeit auf der Geraden liegen zu lassen. Sie hat den ganzen Sommer Zeit, das zu üben und möchte beim ersten Wettkampf am 18.12.2020 mit ihrer verbesserten Technik glänzen. Dieses Beispiel zeigt das SMART-Prinzip der Zielsetzung. Was sind eure Ziele für die kommende Saison oder diesen Sommer? Schreibt sie doch mal auf und überprüft, wie aussagekräftig sie sind und passt sie gegebenenfalls an!

Ziele smart gesetzt! Und jetzt?

Wie ihr sicher wisst ist es unrealistisch, sich einfach etwas vorzunehmen und es dann aus dem Ärmel zu schütteln. Handlungsstrategien sind deshalb mindestens genauso wichtig, wie die eigentlichen Ziele. Diese Strategien sind wie Hilfestellungen, um den Weg bis zum ultimativen Ziel einfacher und effektiver zu gestalten.

Praxis: Die Sportlerin hat sich ein smartes Ziel gesetzt und überlegt, wie sie es am besten angehen soll. Sie nimmt sich vor, am Ende jedes Skirollertrainings 5 Minuten in das Doppelstock-Techniktraining zu investieren. Ihre Trainingspartnerin soll dabei Handyvideos machen, die sie einmal pro Woche zusammen auswerten wollen. Sie will auch regelmäßig Tipps von einem Freund einholen, der eine sehr gute Doppelstocktechnik hat. Sie will beim Krafttraining mehr Core- und Stabi-Übungen einbauen, um ihre Rumpfkraft zu verbessern und so eine stabilere Haltung zu bekommen. Jetzt seid ihr wieder dran: Schaut euch euer Ziel von eben an! Was könnt ihr konkret tun, um es in die Tat umzusetzen? Schreibt die Schritte auf und versucht, das Erreichen eures Ziels einfacher zu gestalten.

Wann sind Ziele wichtig?

Nicht nur vor der Saison und zur Technikverbesserung können Ziele helfen. Wenn ihr verletzt seid, sind kleinschrittige Ziele sinnvoll, um die Reha zu fördern. Wenn ihr merkt, dass das vor zwei Monaten gesteckte Ziel unerreichbar ist, korrigiert es nach unten. Zum Saisonende fällt eine Auswertung leichter, wenn ihr schwarz auf weiß vor Augen habt, ob ihr eure Ziele erreicht habt oder wie viel noch gefehlt hat. Eine smarte Zielsetzung gibt Motivation, und dem Trainingsalltag einen Sinn. Probiert es aus! Auch ein Ziel vor jeder Trainingseinheit ist nicht verkehrt. Bei Fragen zu dieser oder weiteren Techniken, kontaktiert mich gerne! Kommentiert auch gerne, welche Tools ihr noch kennenlernen möchtet oder was euch an der Sportpsychologie interessiert.

Quellen:
König, L. (2020). Mentale Stärke im Skilanglauf: Zum Zusammenhang von Psychischen
Fertigkeiten und Sportlicher Leistung.
Nicholls, J. G. (1984). Achievement motivation: Conceptions of ability, subjective
experience, task choice, and performance. Psychological review, 91 (3), 328.

Lisa König ist Sportpsychologin. Sie war Skilangläuferin am Sportgymnasium Oberhof und der Unimannschaft der Michigan Tech University in den USA. Nach ihrem Bachelorabschluss in Psychologie absolvierte sie ein Masterstudium der angewandten Sportpsychologie und hilft Sportlern, Trainern und Mannschaften das beste aus ihrer sportlichen Leistung herauszuholen und ihr mentales Wohlbefinden zu verbessern. Sie bietet sportpsychologische Workshops, Coachings und Trainings an: www.die-sportpsychologen.de/lisa-koenig.