Laufen wo andere Filme drehen… noch dazu einen Bond-Film! Das klingt nach einem kurzweiligen Wochenende, dachte ich mir, und machte mich auf ins herrliche Hochpustertal, um zum ersten Mal in Obertilliach Station zu machen. Auf 1.450 Metern gelegen, eingebettet zwischen den Lienzer Dolomiten und den Karnischen Alpen, wurde mir schnell klar, warum hier so viele Langläufer regelmäßig Station machen. Und genau dieser sonst so friedliebende Ort sollte an diesem Wochenende Schauplatz diverser Verfolgungsjagden werden: Nicht nur die Crew um James Bond drehte spektakuläre Szenen für den neuen Bond-Film „Spectre“, auch zahlreiche Langläufer aus 30 Nationen gaben sich alle Mühe, den Zuschauern ein wahres Action-Programm in der Loipe zu bieten.
Kamera-ab für die Skating-Crew
Der Dolomitenlauf lässt das Adrenalin tatsächlich in die Höhe schnellen! Spätestens auf den rasanten, kurvenreichen, noch dazu recht schmalspurigen Abfahrten. Entsprechend hochkonzentriert fand ich mich sonntagmorgens um zehn Uhr auf der Skatingstrecke wieder, begleitet von einigen hundert weiteren Läufern, die – teils vor, teils hinter mir – wohl alle das gleiche, bescheidene Ziel gehabt haben dürften: „Heile und schnell wieder in Obertilliach ankommen!“ Schneemangel, Bond-Dreharbeiten und der hohe logistische Aufwand hatten dazu geführt, dass sich die Organisatoren frühzeitig dafür entschieden, die traditionelle 60-Kilometer-Strecke mit Start in Lienz erneut zu verkürzen und in die Umgebung Obertilliachs zu verlegen. So ging denn die Jagd im Rahmen der Worldloppet-Serie auf anderem, aber ebenfalls anspruchsvollem Profil dahin. Die einen hatten sich für die 20 Kilometer, die anderen für die Marathondistanz entschieden. Ich hätte mir gewünscht, mich vernünftiger entschieden zu haben, als es schon zu spät war. Und so warf ich den Kurzdistanzläufern einen wehmütigen Blick nach und nahm mit nur noch wenigen Begleitern die zähe Bergetappe durch die verschneiten Wälder Obertilliachs in Angriff. „Das Streckenprofil im Voraus ruhig einmal genauer ansehen“, lautete an dieser Stelle mein Vorsatz für die nächsten Rennen, während ich gleichzeitig die Oberschenkelmuskulatur beschwor, die Übersäuerung doch bitte noch auf unbestimmte Zeit zu tolerieren. Vielleicht habe ich es dem Gel der freundlichen Streckenposten zu verdanken, dass ich dann doch noch den höchsten Punkt der Strecke erreichte und beschwingt bergab sausen konnte, immer darauf bedacht, die zahlreichen Kurven fein säuberlich zu schneiden.
Auf ein anderes Mal in Osttirol
Als ich das Stadion passierte, ließ ich mich gemäß dem Motto des Laufes „Jeder ein Sieger über sich selbst“, keinesfalls von den starken Siegerzeiten durch die Amerikanerin Holly Brooks und den Schweizer Toni Livers entmutigen, die der Sprecher bereits lautstark kundgab. Ich ließ mich stattdessen von den Anfeuerungsrufen noch einmal anspornen, so dass die letzten Kilometer entlang des Flusses auf immer schnellerer Spur im Nu dahinflogen. Als neunte Frau erreichte ich nach 2:02:38 Stunden das Ziel. Immer wieder aufbauend, einen Lauf zum ersten Mal zu bestreiten, denn so war die persönliche Bestzeit ohnehin gesichert.
Die Organisatoren hatten aus der dürftigen Schneelage wirklich das Beste herausgeholt, noch dazu das perfekte Laufwetter und die gute Stimmung an der Strecke – nicht umsonst blickte ich im Ziel in durchweg glückliche Gesichter. Und auch wenn sich Bond-Hauptdarsteller Daniel Craig als Zuschauer leider nicht die Ehre gab – selbst ohne ihn hat es uns Läufern an Action wahrlich nicht gefehlt!