28.3.2009: 5.Tag (1. Etappe)
Das Wetter hätte unterschiedlicher nicht sein können. Während gestern noch der Schneesturm tobte, schien heute die Sonne und es wehte nur ein leichter Wind. Bereits vor dem Frühstück haben wir erneut unser Gepäck aufgegeben und hinterher schnell noch zwei Schichten Steigwachs aufgetragen. Mit dem Rucksack auf dem Rücken ging es dann in Richtung Start. Dort war schon hektisches Treiben zu beobachten. Wir haben schnell noch unsere Ski getestet und unsere Rucksäcke wiegen lassen. Sechs Kilo waren es bei mir. Keine Ahnung wie man fünf Kilo erreichen kann, wenn man alles einpackt, was vom Veranstalter vorgeschrieben ist. Ganz Sisimiut war auf den Beinen und zählte den Countdown bis zum Start. Dann ging es endlich los. Vorne setzte sich sofort Vorjahressieger Jonas Thor Olsen an die Spitze, während ich mich ungefähr an zehnter Stelle einreihte. Nach einer kurzen Runde durch Sisimiut machten wir uns auf in Richtung Camp. Ich fand relativ schnell zu meinem Rhythmus, die Ski liefen sehr gut und ich hatte guten „Stieg“. Bereits nach kurzer Zeit hatte sich das 120 Mann Teilnehmerfeld weit auseinandergezogen. Ich bremste mich innerlich, um nicht bereits so früh im Rennen zu weit in den roten Bereich zu gehen, konnte aber trotzdem meine Position halten. Schnell war ich alleine unterwegs, was mir aber sowieso entgegenkommt. Ich ziehe lieber meinen eigenen Schritt, als dass ich den anderer Läufer aufnehmen muss. An der ersten Verpflegungsstation bin ich dann erstmal vorbeigelaufen. Meine Trinkflasche, die ich mir an den Rucksack geschnallt hatte, war noch voll und laut Streckenplan die nächste Möglichkeit zur Getränkaufnahme nicht weit. Es folgte der erste lange Anstieg, der es bereits in sich hatte. Er führte von der Rückseite eines Berges mit Skihang zur Spitze und anschließend folgte eine erste schnelle Abfahrt. Irgendwie musste ich ständig arbeiten und aufpassen. Keine Zeit zur Erholung. An der Talstation des einzigen Lifts weit und breit sollte dann auch etwas zu trinken auf mich warten. Aber irgendwie muss ich die Ausgabe wohl übersehen haben. Wenigstens konnte ich mir ein Power-Gel aus dem Rucksack in den Mund quetschen und so Kohlenhydrate nachfüllen. Der längste Anstieg dieser ersten Etappe folgte wenig später und ich verließ die Diagonalspur ziemlich schnell, um zu Grätschen. War der Hauptteil schon anspruchsvoll, so sorgten die folgenden kleineren Hügel auf der erreichten Hochebene dafür, dass ich mir ernsthaft Gedanken über die noch folgenden Kilometer machte. Eine halsbrecherische Abfahrt, die in den Alpen sicher als roter Alpinhang kategorisiert worden wäre und gerade einmal circa drei Meter breit präpariert war, forderte dann wieder volle Konzentration, um nicht im Tiefschnee zu landen. Sie führte zu einem der vielen Fjorde Grönlands auf dessen gefrorener Oberfläche die nächsten Kilometer anstanden. Darauf hatte ich mich eigentlich schon gefreut, Doppelstockschieben wäre nämlich eine schöne Abwechslung gewesen. Tatsächlich war die Spur aber ziemlich schlecht und die Stöcke sanken immer tief ein, sobald ich kraftvoll anschieben wollte. So blieb nur eine Mischung aus allen Klassik-Techniken, um nicht zuviel Energie zu verschwenden. Am Ende des Fjords wartete dann die nächste Verpflegungsstation, allerdings auch die ernüchternde Erkenntnis, dass ich gerade erstmal die Hälfte der heutigen Etappe geschafft hatte. Eine feste Spur und relativ einfaches Gelände mit leichten Anstiegen und Abfahrten brachten mich dann aber gedanklich schnell wieder ins Rennen zurück. Ein paar weitere Höhenmeter über ein kurzes Steilstück folgten, ehe das Camp zum ersten Mal in Sichtweite kam. Allerdings wartete noch eine weitere Schleife auf uns. Diese wurde dann auch zu einer echten Herausforderung für mich. Kalter Gegenwind zehrte an meinen Kraftreserven und am nächsten Kontrollpunkt dachte ich kurz sogar ans Aufgeben. Auf die Frage der Streckenposten, wie es mir denn ginge, sagte ich aber nur „Okay“ und lief weiter. Ich hatte die Kilometerangaben ungefähr im Kopf und wusste, dass das Etappenziel nun nahe war. Allerdings bekam ich zwölf Kilometer vor dem Camp noch Gesellschaft. Von hinten lief Klaus Jeckel, ein erfahrener Volksläufer und zehnmaliger Teilnehmer am Arctic Circle Race, auf mich auf. Eigentlich hatte ich damit schon nicht mehr gerechnet und vor allem psychisch bekam ich dadurch wohl einen kleinen „Knacks“. Jedenfalls hängte er mich am letzten Anstieg ab und ich sah keine Chance mehr, ihm zu folgen. Gott sei Dank befand sich nur wenige Meter später noch eine Verpflegungsstation, an der ich mich zum letzten Mal stärkte. Dann stürzte ich mich in die Abfahrt und setzte alles daran, Klaus auf den letzten Kilometern zum Ziel noch abzufangen. Mit Doppelstockschüben konnte ich ihn tatsächlich noch erreichen und es kam zum Zielsprint. Ich wählte die Innenbahn, aber mein Konkurrent hatte das wohl geahnt und sprang schnell noch vor mir in die gleiche Spur. Damit musste ich den längeren Weg wählen und mich mit wenigen Zentimetern Rückstand geschlagen geben. Mit Platz neun konnte ich aber auch trotz des verlorenen Sprints zufrieden sein. Ein Deutsch-Deutsches Duell ist damit aber für morgen vorprogrammiert. Müde machte ich mich sofort auf die Suche nach meiner Tasche und begab mich zum Kleiderwechsel ins Wärmezelt. Thomas hatte schon mit dem Kochen begonnen und ich schloss mich dankbar an. Wir vernichteten beide ein halbes Päckchen Nudeln und tranken Zitronentee, den ich mitgebracht hatte. Das Abendprogramm bestand dann aus einem kurzen Erholungsspaziergang, Skiwachsen und Beziehen unseres Zeltes, das wir mit einer Isomatte und Schlafsäcken bestückten. Die Analyse der Wettkampfdaten über die 63 Kilometer Distanz ergab schließlich einen Verbrauch von fast 5.000 Kilokalorien, einen Durchschnittspuls von 162 und über 1.300 Höhenmeter. Morgen warten dann noch einmal 59 Kilometer auf uns. Momentan kann ich mir jedoch nicht vorstellen, auch nur einen Schritt zu laufen
29.3.2009: 6.Tag (2.Etappe)
Nach einer etwas unruhigen Nacht waren Thomas und ich bereits um kurz nach 6 Uhr wieder auf den Beinen. Der Schlafsack wärmte zwar sehr gut, aber das Gesicht bekam die Minusgrade im Inneren des Zeltes deutlich zu spüren. Müde schleppten wir uns zum Frühstück und füllten unsere Energiespeicher mit Hirsebrei und Müsli. Feintuning für die Ski und das Packen des Rucksacks brachten uns dem Start sehr nahe. Wir platzierten unsere Ski in der ersten Startreihe und ließen unsere Rucksäcke wiegen. Dann ging es los auf die zweite und letzte Etappe. Ich versuchte von Beginn an die Spitzengruppe nicht aus dem Blick zu verlieren und das gelang mir auf den ersten Kilometern. Allerdings weckte das auch die Befürchtung in mir, dass ich zu schnell angegangen sein könnte. Klaus lief bereits nach der ersten Schleife wieder zu mir auf und wir erreichten gemeinsam den Fuß des ersten langen Anstiegs. Ich versuchte mit Tempo in diese erste Herausforderung zu gehen, aber mein Duellpartner konterte mit konstanter Geschwindigkeit. Ich versuchte den Abstand gering zu halten und blieb auf Schlagdistanz. Wie am ersten Tag musste man von Beginn an häufig grätschen und die Steigungen zogen sich endlos. Doch kurz vor Ende dieses ersten Hindernisses merkte ich, dass Klaus langsamer wurde. Bis zur Abfahrt konnte ich dann sogar an ihm vorbeiziehen und ich witterte meine Chance. Mit etwas mehr Risiko überwand ich das Gefälle bis zum nächsten Verpflegungspunkt und ging nach einem schnellen „Boxenstopp“ wieder in die Steigung, die parallel zur Abfahrt führte. Immer wieder schossen mir Anfeuerungs- und Motivationsgedanken durch den Kopf: „Auf geht’s! Komm jetzt! Mach Druck!“ Oben konnte ich mich umschauen und Klaus war erstmal aus meinem Blickfeld verschwunden. Die nächsten stark abfallenden Meter waren schnell überwunden und von nun an befand ich mich wieder auf der Strecke zurück nach Sisimiut, die ich bereits vom Hinweg auf der ersten Etappe kannte. Welliges Gelände brachte mich schließlich zum Fjord mit der schlechten Spur und auch dieses Mal musste ich zwischen Schieben und Diagonaltechnik wechseln, um Kräfte zu sparen. Die waren dann für das letzte Hindernis von Nöten, das mich vom Ziel trennte. Es war schon ein imposanter Anblick der sich mir da bot. 400 Höhenmeter auf kürzester Distanz schraubten sich vor mir in den Himmel. Ich nahm noch einmal einen kräftigen Schluck aus der Flasche und marschierte los. Zuerst drehte ich mich immer wieder um und schaute zurück, ob meine Verfolger näher kamen. Nachdem dies aber nicht der Fall war, konzentrierte ich mich ganz auf meinen Schritt. Mitten im Anstieg überholte ich immer wieder Läufer der kürzeren Distanz, die ihre Ski abgeschnallt hatten und zu Fuß den Berg hochkletterten. Weiter oben meinte man dann, es geschafft zu haben, aber nach wenigen flachen Metern stand man vor der nächsten Rampe. Schließlich kam Verpflegungsposten K4 und damit das Ende der Steigung in Sicht. Jetzt war das gröbste geschafft. Ich tankte noch einmal auf und lief den nächsten Wellen entgegen. Die nächste lange Abfahrt war noch ein, zwei Kilometer entfernt und die kleinen Hügel zehrten an meinen Kräften. Dann lag sie aber endlich vor mir und am Horizont war schon der Skilift von Sisimiut zu sehen. Ich merkte, wie in mir neue Reserven frei wurden und stürzte mich ins Gefälle. Von hier aus kannte ich den Weg zurück und im folgenden leicht steigenden Gelände zog ich einen langen Schritt. Schließlich sah ich Arnd an der Strecke stehen, der Fotos machte. Er feuerte mich an und rief mir zu, dass von Klaus weit und breit noch nichts zu sehen sei. Kurz vor dem Skilift holte ich schließlich sogar noch einen Grönländer ein. Wie ich später erfuhr, hatte er Magenprobleme und einen Einbruch erlitten. Am ersten Tag war er schneller gewesen als ich, am Ende behauptete er 24 Sekunden Vorsprung in der Gesamtwertung. Das störte mich zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht. Die letzte kurze Abfahrt und leicht welliges Gelände brachten mich dann schließlich in Zielnähe. Dort hatte sich halb Sisimiut versammelt und feuerte jeden Läufer an. Mit erhobenen Händen überquerte ich dann die Linie und wurde sofort von unserer Pressebetreuerin Nini und Arnd empfangen. Es dauerte eine Weile, bis ich ausgeschnauft hatte. Platz sieben in der Etappenwertung und Platz acht in der Gesamtwertung standen schließlich für mich zu Buche. Damit war ich mehr als zufrieden. Beim Umziehen habe ich auch Thomas getroffen. Er hat das Rennen ganz klar vor dem Schweizer Simon Dreyer gewonnen. Wir wurden dann vom Veranstalter schnell ins Hotel gefahren und nach einer Dusche wieder abgeholt. Thomas wurde noch als Sieger präsentiert und wir vermeldeten die Nachricht aus dem Rennbüro via Skype in die Heimat. Nach einem ausgiebigen Abendessen werden wir uns jetzt ziemlich schnell schlafen legen. Morgen geht es schließlich ziemlich früh zurück nach Hause.
Danke an die Partner
Ein großes Dankeschön geht an unsere Materialpartner, die uns für dieses Abenteuer bestens ausgerüstet hatten. Mit Ski und Schuhen von Fischer, der Bekleidung von Löffler, Stöcken von Oneway und Brillen von Uvex waren wir auf alle Unwägbarkeiten eingestellt. Was gutes Material wert ist, hat uns vor allem der Freitag gezeigt, an dem zwar die Etappe abgesagt wurde, wir aber dennoch hätten starten können.