Das Wichtigste an jedem Tag: Einen Platz zum Schlafen finden
In dieser industriegeprägten Gegend finde ich fast keine Wildcampingspots und nur wenige Zeltplätze. Aber ich bin ja bei Warmshowers dabei! Was das ist? Eine Plattform, bei der Radreisende bei anderen Rad-Verrückten übernachten können. Das Prinzip ist ganz einfach: Auf einer interaktiven Karte werden Gastgeber auf der ganzen Welt angezeigt- ähnlich wie bei Couchsurfing. Ich finde es einfach nur super- man trifft coole, verrückte und abenteuerlustige Leute, man bekommt eine warme Dusche, einen Zeltplatz im Garten, oftmals sogar Abendessen und Frühstück, manchmal sogar ein eigenes Gästezimmer. Ich bin überwältigt von der Gastfreundschaft, den Begegnungen, und dem Interesse an meiner Tour bzw. „unserem“ Sport. Falls jemand von euch eine Mehrtagestour plant, empfehle ich euch, dort mitzumachen! Es spart viel Geld, es macht Spaß, und man verbringt den Abend nicht einsam in irgendeinem Hotelzimmer… Als Gegenleistung bietet es sich natürlich an, auch selbst andere „Radreisende“ zu beherbergen. Ich bin auch Gastgeber, und lerne von anderen Vieles bzgl. Equipment und Tourenfahren dazu.
Auf geht’s nach Bremen!
Zurück zum sportlichen Geschehen… Bei Wesel verlasse ich den Rhein und rolle ziemlich planlos und querfeldein, über die fahrrad- und rollskifreundliche Stadt Münster und die Erhebungen des Teutoburger Waldes nach Osnabrück. Inzwischen plane ich nicht mehr viel im Voraus, sondern treffe viele Entscheidungen spontan, indem ich mich an den Radwegschildern orientiere (leider bin unterwegs auch schon im Kreis gelaufen…). Aber ich hasse es, immer auf meine digitalen Karten zu schauen und mich per Navigations-Apps kommandieren zu lassen. Erstens raubt mir das den Spaß in der Natur und zweitens belastet die ständige GPS-Ortung in hohem Maße meinen Akku- trotz großer Powerbank muss ich Strom sparen, denn beim Zelten im Wald habe ich bis jetzt noch keine Steckdose gefunden…
Einmal kurz nicht aufgepasst und schon ist es passiert…
Auf dem Weg nach Bremen bin ich nun fast ausschließlich auf asphaltierten, straßenbegleitenden Radwegen unterwegs. Der Gegenwind nimmt kräftig zu und meine Kräfte schwinden. Auf der Anzeige der heutigen Etappe stehen schon knapp 110 Kilometer und erschöpft erreiche ich kurz vor Sonnenuntergang die Hansestadt Bremen. Vorbei am Weserufer und am Rathaus quäle ich mich auf Kopfsteinpflaster durch die Innenstadt. Eine Umleitung folgt. Fußgänger und Radfahrer werden getrennt. Da ich auf ein Hupenkonzert der vielen Autofahrer nun absolut keine Lust habe, nehme ich den gepflasterten Gehweg. Doch dann… Wuuums. Schürrff. Stockspitzengekreische. Ausfallschritt. Krach. Schmerzen. Chaos. So, hier kommt eine von mir aufbereitete reflektierte Herangehensweise: Wo bin ich? Ich liege auf der Straße und küsse gerade den Asphalt… ich bin gestürzt… das darf doch nicht wahr sein… Der Blick zurück zeigt mir, dass ich einen verdammt hohen Bordstein übersehen habe und ich deshalb vornüber gestürzt bin. Ich versuche, die Situation souverän zu meistern, und führe einen ersten Körpercheck durch: Es dürften nur leichte Prellungen sein, Knochenbrüche kann ich sofort ausschließen. Zusätzlich hat der linke Oberschenkel beim Sturz ordentlich was abbekommen, aber ich verblute noch nicht. Ich repariere mit Kabelbindern und Knoten provisorisch den beim Sturz gerissenen Rucksack und rolle noch äußerst vorsichtig im Doppelstockschub, wie ein „blutiger“ Anfänger, fünf Kilometer bis zum Stadt-Campingplatz. Ich baue mein Zelt auf, koche Nudeln und kümmere mich um mein Material und meine Verletzungen. Ich brauche heute zur Abwechslung eine lange, warme Dusche. Ich brauche einfach mal Zeit. Zeit zur weiteren Planung. Zeit zur Erholung. Zeit zur Regeneration. Zeit für mich.
Fortsetzung folgt in Teil 2!