Regeneration beim Flussbaden, Nudelkochen, Wildzelten und Abfrieren
Auch die Temperaturen gehen jetzt in den Keller und nachts wird es verdammt kalt, sodass bei mir ohne heißen Tee in der Früh gar nichts läuft. Sind die Hände dann mal aufgewärmt, muss ich erstmal nach Wasserhähnen oder Trinkwasserquellen Ausschau halten, das Wasser filtern, um anschließend in der französischen Pampa Essen oder eine Bäckerei zu finden. Mit vier Baguette, ein paar Croissants, 500 Gramm Nudeln und Pasta, Müsliriegel und isotonischer Ergänzung kommt man so dann ganz gut durch den Tag (insgesamt habe ich allein in Frankreich über 60 Baguette während der Tour verbraucht…). Auch wenn ich mir vorgenommen habe, aufgrund der noch anhaltenden Pandemie wild zu zelten, gönne ich mir auch mal offizielle Zeltplätze, bei denen ich extrem günstig oder gar umsonst mein Zelt aufstellen darf. Gerade dann, wenn die Temperaturen tagsüber nicht über 10 Grad klettern, ist eine warme Dusche und eine vernünftige Kleiderwäsche im Vergleich zum Bad im Fluss doch das wohltuende Highlight des ganzen Tages. Und dann gibt’s auch schon vorzügliche Nudeln aus meiner ultraleichten Outdoorküche, bevor täglich die grobe Komoot-Routenplanung ansteht und ich im warmen Schlafsack auf meiner Luftmatratze erschöpft einschlafe. Ich will hier keine ausgewählten Produkte platzieren, aber was ich dazu gelernt habe: Es zahlt sich enorm aus, in qualitativ gutes, platzsparendes, und ultraleichtes Equipment zu investieren.
Durch wildromantische Täler, Weinberge und stressige Großstädte
Ich rolle weiter in das naturbelassene und ruhige Welterbe des Loire-Tals, erreiche die Großstadt Orléans und mache einen Umweg zum bekannten Château de Chambord, einem der bekanntesten von insgesamt über 400 Schlössern entlang der Loire. Ich genieße die menschenleeren Straßen unterwegs, ganz im Gegensatz zu den folgenden Großstädten Angers oder Tours. Dort ist das Rollen auf den Autostraßen fast unmöglich. Staus und kilometerlange Autoschlangen sind einfach nicht zum Skirollern geeignet. Da bleibt mir nur der gepflasterte Gehweg, auf dem hunderte Menschen auf ihr Smartphone starren und plötzlich die Gehwegseite wechseln, Autofahrer beliebig Türen aufschlagen und Menschen aus Hauseingängen rausrennen. Die Stockspitze bleibt zwischen zwei Pflastersteinen hängen, der linke Arm wird komplett nach hinten gerissen, dann nutzen E-Bike-Fahrer den Gehweg und ein Autofahrer kommt mit gewaltigem Anlauf aus einer Seitenstraße raus, ohne nach links oder rechts zu schauen. Für mich gilt nur eines: Hauptsache sicher aus der Stadt wieder herauskommen. Ich lege weitere Kilometer in den hügeligen Weinbaugebieten Saumur und Anjou zurück, zuerst bei Starkregen und Gegenwind, dann bei Sonnenschein und Rückenwind. Ich rolle über Deiche, Greenways, einsame Landstraßen, aber auch schlechte Schotterpfade, bis ich schließlich die Metropole Nantes, einst Hauptstadt der historischen Bretagne, erreiche. Ich schlage heute zur Abwechslung im Garten von meinem Warmshowers-Host Anna das Zelt auf, bevor wir in die lebhafte Innenstadt zu einem kleinen Wine-Tasting aufbrechen.
Die Herausforderung der Langdistanz
Inzwischen sind die Tage sehr kurz geworden, und die Nächte in Dunkelheit sehr lang. Das macht es für mich von Tag zu Tag immer schwieriger, Distanzen von 120 bis 150 Kilometern aufrecht zur erhalten. Da ich immer wieder permanent nach Statistiken gefragt werde, soll auch meine Geschwindigkeit auf den Skirollern hier nicht unerwähnt bleiben. Ich rolle mit einer eher niedrigen Durchschnittspace von circa 4 min/km bzw. 16 km/h, was zunächst einmal nach „langsamer Schildkröte“ klingt. Aber wer schon einmal lange Mehrtagestouren mit Rucksack gefahren ist, wird wissen, wie schwer es ist, eine solche Pace aufrecht zu halten. 2000 Kilometer lang, Tag für Tag, egal wie müde die Muskeln sind, egal bei welchem Wetter, egal ob Regen oder Gewitter, egal welche Windverhältnisse, egal wie sehr der Rucksack dich erdrückt, egal ob Asphalt, Schotter oder Gras.