Austria Loppet: Blindflug durch die eisige Ramsau am Dachstein - xc-ski.de Langlauf

Austria Loppet: Blindflug durch die eisige Ramsau am Dachstein

Kurt Mühlbacher © www.foto-viertbauer.at

Am 14. Jänner war ich in der Ramsau am Dachstein. Die erste Station des Austria Loppets stand auf dem Programm. Schwierige Anreise und schwierige Bedingungen auf der Loipe, ein gelber Engel, Eis, Kälte und Sturm begleiteten das erste Rennen. An eine gute Zeit und Platzierung war hier gar nicht zu denken. Ein Lauf für die Ehre!

Die Anreise war schon ein Marathon

Mein erstes Rennen. Ich bin etwas nervös am Morgen und breche im Morgengrauen um 7:20 Uhr auf. Bei dem wenigen Verkehr am Morgen werde ich in 1:20 Stunden in der Ramsau sein. Bis Golling geht’s auch recht flott dahin. Dann lassen mich einsetzender Schneefall, schnell fahrende Busse und LKWs und Schnee auf der Fahrbahn in meinem kleinen Fiat Punto zusammenzucken. Die Straßenverhältnisse werden immer winterlicher. Ich sehe auf die Uhr 8:30 Uhr, das ist okay. Aber in welchem Zustand ist die Straße hinauf in die Ramsau? Ich war das letzte Mal 1999 drinnen. Nordische WM, Langlauf Staffel, eh klar. Ich wusste nicht mehr wie steil das ist. Aber die werden schon räumen dachte ich mir. Urlauber und das Rennen. Die werden doch wohl nichts dem Zufall überlassen. Ich fahre in Schladming ab. Und STOP. Das blaue Schneeketten Pflicht Schild versetzt mich in Angst und Trauer. Was jetzt?! Wie komme ich da rauf? Ich habe keine Schneeketten. Ich muss aber. Es ist jetzt 9:00 Uhr. Gleich am Beginn der Auffahrt ist rechts ein ÖAMTC Stützpunkt. Ich fahre auf den überfüllten Parkplatz. Hektisches Treiben unter den Autofahrern. Schneekettenmontage ist angesagt. Ich habe keine Wahl. So kurz vorm Ziel. Ich muss mir Schneeketten kaufen. Die Langlaufausrüstung wird nicht mehr ganz so ein billiges Geschenk. Jetzt kann ich endlich hinauf. „Leichtreifig“ nehme ich jede Kehre und Steigung. Ohne Widerstand komme ich relativ knapp ins Startgelände. 9:40 Uhr: Jetzt wird’s eng. Im dichten Schneegestöber suche ich einen Parkplatz. Ich sause zur Startnummernausgabe. Startnummer geholt und zurück zum Auto. Der Start wurde auch noch vorverlegt um zehn Minuten. Start jetzt um 10:10 Uhr! Zum Aufwärmen ist’s mir zu windig. Ich bleib im Auto solange es geht. Kurz vor Zehn gehe ich raus und ab zum Start.

Das Rennen

Ich laufe ein paar Hundert Meter im WM Stadion auf und ab. Sehe mir die ersten Bewerbe an und mach ein Paar Fotos. Mir gefrieren jetzt schon die Finger. Ich gehe an den Start. Noch vier Minuten. Die anderen stehen schon an der Startlinie. Ich reihe mich ganz hinten ein, bereite mein Handy vor. Tracking mit App Oruxmaps. Nur schwer kann ich die Schaltflächen mit den klammen Fingern antippen. Ich fluche das erste Mal. Der Countdown wird schon angezählt. Ich bin immer noch nicht fertig. In die neuen Stockschlaufen muss ich auch noch. Das Einfädeln in die Schlaufe geht noch etwas schwierig. Habe ich erst seit dieser Saison. Kein Top Produkt, im Ausverkauf um 40 Euro. Der Startschuss ist gefallen. Mit zwei Minuten Verspätung gehe ich über die Startlinie. Die anderen sind schon weit voraus. Mir wird applaudiert – die Zuschauer haben ein Lächeln im Gesicht. Ein Lächeln wie man es eben dem letzten im Feld zeigt. Ich laufe aber jetzt absichtlich im hinteren Feld. Meine Anfälligkeit für Krankheiten bei Wind und Kälte lässt mir keine Wahl. Wenn das meine Frau sehen würde. Sie würde mich aus dem Rennen nehmen. Die Ski laufen gut. Bin immer schnell beim Vordermann. Aber später werde ich vom HWK Wachs Service Mann erfahren, das ich auf das falsche Pferd gesetzt hatte. Es war schon ein Risiko von mir, bei diesem wichtigen Rennen ein neues Wachs zu testen. HWK ÖSV Wachs (15 Euro) als Basis und einen „Fluorstick cold“ um professionelle 52 Euro. Das Auftragen am Vortag war nicht ideal. Mir gelang es nur schwer das Wachs gut aufzubringen. Ohne Rotorbürsten ist das sehr anstrengend. Da besteht noch Schulungsbedarf.

Zurück zum Rennen. Ich laufe jetzt wie geplant sehr passiv. Gehe fast nie in die erste Position. Auf den ersten zwei Kilometern ist der schwierigste Anstieg im Rennen. In der Abfahrt fahre ich auch defensiv. Bleibe im Windschatten, wenn möglich. Das Wetter ist jetzt ok. ABER nicht mehr lange. Bei Kilometer fünf wird’s hart. Starker Wind und Minusgrade lassen mich und die anderen zusammenzucken. Die Zuschauer sind beeindruckt von der „Leidensfähigkeit der Läufer“. Bei der Wende Richtung Start, wird’s noch schlimmer. Ich denke schon ans Aufhören. Aber ich darf nicht. Schon vergessen? Die Langlaufausrüstung wartet! Ich muss nur ins Ziel kommen. Jetzt macht sich auch noch ein weiteres Handicap bemerkbar. Mein Zahnimplantat! Am Freitag ist mir wieder mein Zahn rausgefallen. Ich greife immer wieder an den Mund. In den Mund geht nicht. Der ist zugefroren. Ich habe Eiszapfen im Gesicht. Meine Nase wird zum Eiskletter Paradies. Das muss ein tolles Bild sein. Ich warte auf den Abbruch des Rennens. Bei dem Wetter! Aber die Langläufer sind hart im Nehmen. Kein Abbruch. Ich beende die erste Runde. Mit „geeisten Gefühlen“ geht’s weiter. Habe noch keine großen Positionssprünge gemacht. Mache auch keine mehr. In der zweiten Runde fühle ich mich auf den Spuren von Scott, nicht Amundsen! Der Wind ist so stark dass ich im flachen Gelände stehen bleibe! Brrhh. An weitere Details der zweiten Runde kann ich mich gar nicht mehr erinnern. Die Erinnerung ist eingefroren. Ich laufe in Trance das Rennen zu Ende.

Nach dem Rennen

Ich trinke einen Becher Tee im Ziel, blicke in zugefrorene, erstarrte Gesichter. Die Expedition ist am ENDE. 2013 ist trotzdem die gesamte Tour de Ski in der Ramsau auf meinem Kalender.

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