Durch die weiße Einsamkeit: Mit Ski und Pulka über den Schwedischen Königspfad

Landeanflug © Thorsten Kutschke

Fjell-LandschaftenAm dritten Tag wird’s mal richtig ungemütlich… wie ein Nebelschleier fegt uns der Triebschnee um die Füße, manchmal sieht man die eigenen Skier nicht mehr! Phänomenal aber – ab Kniehöhe reicht die Sicht zumindest immer bis zum nächsten Wegzeichen! Der Winterweg verläuft streckenweise anders als die Sommervariante, ist aber mit rotmarkierten Holzpfählen bestens ausgewiesen. Verlaufen eigentlich unmöglich – es sei denn, es bricht doch einmal einer der berüchtigten Wetterstürze über das Gebirge herein. Wir bleiben dicht beieinander – und vor allem ruhig. Das Szenario für den Ernstfall ist klar abgesprochen: Keine Experimente im White-Out! Wir haben Zelte dabei, für den absoluten Notfall auch Lawinenschaufeln, mit denen wir uns eine Schneehöhle buddeln und das Ärgste aussitzen könnten… Soweit kommt es zum Glück nie! Jeden Tag erreichen wir locker die nächste Hütte und erfreuen uns an uriger Gemütlichkeit.

Schon in Abisko hatten wir unsere Jahresbeiträge für den STV (Svenska Turistföreningen) eingezahlt, eine Organisation ähnlich dem Alpenverein in Deutschland. Der betreibt und verwaltet auch die Hütten im Fjell, und die Investition lohnt sich für uns. Denn schon nach der 4. Übernachtung haben wir mit den Rabatten vor Ort den Jahresbeitrag wieder herein-“gewirtschaftet“. Ab Mitte März sind die Hütten mit Personal besetzt, vorher gibt’s nur die Winter-Räume. Alles Notwendige (Nudeln, Gaskartuschen, Ketchup, Tee, Kekse, auch Leicht-Bier) kann man in den winzigen Shops nachkaufen. Heizen muss man seinen Schlafraum und die kleine Küche selbst. Auch das ständige Aufhacken der Eislöcher fürs Wasserholen und das schweißtreibende Holzhacken bleibt hier traditionell den Gästen überlassen. Kein Hotel-Feeling also, aber das wollten wir ja auch nicht – wir haben´s wohlig warm und trocken. Und herrlich ruhig – kein Handy-Empfang weit und breit!!!

Der scharfe Wind fordert dennoch seinen Tribut: Janko hat leichte Erfrierungen im Gesicht. Ausgerechnet unser Über-Sportler! Zum Glück hat Thomas nicht nur eine Sanitäter-Ausbildung, sondern auch die richtigen Tropfen im Marschgepäck, mit „Betaisodona“ werden die Stellen behandelt, danach mit dickem Tape-Verband schützend abgedeckt. Von einer höchst unangenehmen Durchfall-Attacke mitten auf einem riesigen zugefrorenen See mal abgesehen, bleibt das der einzig unerfreuliche Zwischenfall.

Kungsleden TourWenn wir kalte Finger, Bruchharsch in manchen Abfahrten oder umgekippte Pulken überhaupt als „Entbehrungen“ bezeichnen wollen, dann werden wir für diese an den letzten beiden Marsch-Tagen mehr als nur entlohnt: Strahlender Sonnenschein und Windstille! Auf dem Weg von Kaitumjaure bis nach Vakkatovare genießen wir endlos weite Fernblicke, mitunter rasten wir im T-Shirt. Keine Straßen zu sehen, keine Strom-Masten, keine Häuser – weit und breit nur verschneite Berge und in der Ferne die imposanten Gipfel des Sarek-Nationalparks, aufgereiht wie in einem Bilderbuch. Und wir? Winzige Punkte nur – mittendrin, beseelt von einer Ruhe, die ich so intensiv nur sehr selten gespürt habe, die Seele entschleunigt, der Kopf frei vom kleinkarierten Müll der Alltäglichkeiten.

Mann muss also nicht unbedingt einen 8000er besteigen, um ein wenig zu sich selbst zu finden und zu spüren, wie sich die weiße Einsamkeit anfühlt. Zumal hier nach der letzten Abfahrt ein Bus wartet, der uns samt Gepäck bequem über Gällivare nach Kiruna bringt, wo wir wieder in den Zug nach Narvik steigen.

Mit Blick auf den großartigen Fjord pfeifen wir drauf, dass die Bierbüchsen mit denen wir anstoßen, stolze 7 Euro kosten. Im Hohen Norden muss man´s eben nehmen, wie´s kommt…

Infos:

Wer will, kann die Tour fortsetzen über Kvikkjokk bis Hemavan, dort wird das Gelände allerdings noch unwegsamer, auch die Beschilderung ist nicht mehr ganz so komfortabel. Die „Hütten-Dichte“ lässt ebenfalls nach!

Informationen im Internet:
z.B. auf www.kungsleden.de (auch mit Übersichtskarten)
www.svenskaturistforeningen.se

An- und Abreise:
Günstig von Deutschland mit norwegian.no über Oslo und Narvik, dann mit dem Zug bis Abisko – wahlweise auch über Schweden mit SAS über Kiruna oder von Stockholm mit dem Zug gen Norden, Busse von Vakkatovare nach Gällivare verkehren täglich

Der Autor:
Thorsten Kutschke (42) lebt und arbeitet als freiberuflicher Journalist und Filmemacher in Dresden. Er moderiert u.a. das Bergsteiger-Magazin „Biwak“ im MDR-Fernsehen und berichtet seit mehr als einem Jahrzehnt auch den internationalen Ski-Zirkus. In eigener Regie verantwortet er die Berg-Film-Edition „Traumtouren-Film“ (im Internet unter www.traumtouren-film.de)