Angefeuert von seinen Fans an der Strecke legt mein Konkurrent plötzlich einen Zwischensprint hin, der sich gewaschen hat. Ich bleibe aber ganz ruhig und setze auf meinen Endspurt, auf den ich mich eigentlich immer verlassen kann.
Laufen ist eigentlich gar nicht mein Ding. Ich habe einfach keine Läuferfigur und fühle mich auf dem Rad deutlich wohler. Aber den Ganghofer Trail, der zufällig während unseres Aufenthalts in der Olympiaregion Seefeld zum Test der neuen Rollerbahn stattfand, wollte ich mir dann doch nicht entgehen lassen. Die Halbmarathondistanz wäre sicherlich des Guten zu viel gewesen, weswegen ich mich für die acht Kilometer Distanz entschied. Das war meiner Meinung nach Herausforderung genug, hatte ich doch in den Tagen zuvor im Urlaub lediglich zwei längere Bergtouren und insgesamt nur wenige Laufkilometer absolviert.
Am Tag vor dem Rennen besichtigten mein Bruder und ich gemeinsam die Strecke. Acht Kilometer haben den Vorteil, dass man sie ohne größere Probleme so kurz vor dem Wettbewerb komplett ablaufen kann und das taten wir dann auch. Während Marco gerne etwas schneller gelaufen wäre, hielt ich mich deutlich zurück. Nichts ist schlimmer als müde Beine am Wettkampftag. Aber mit jedem absolvierten Kilometer wuchs die Zuversicht, dass ich mich tags darauf passabel aus der Affäre würde ziehen können. Eine Zeit knapp unter 40 Minuten schien realistisch möglich zu sein. Als letzte Vorbereitung legte ich dann am Abend noch traditionell meine Rennbekleidung zurecht, auch wenn der Start am nächsten Tag erst um 15:45 Uhr erfolgen sollte.
Dann ist es mal wieder soweit und der Wettkampftag ist da. Mit jeder Stunde, die der Start näher rückt, steigt die Nervosität, etwas das sich wohl nie ändern und auch in 20 Jahren noch so sein wird. Ich laufe mich warm, während die Kids ihr Rennen absolvieren und mit viel Ehrgeiz um die Plätze kämpfen. 15 Minuten vor dem Start begebe ich mich in den Startbereich, der allerdings anders als im Winter noch vollkommen leer ist. Erst sieben Minuten bevor es losgeht trudelt das Läuferfeld langsam ein. Meine Pulsuhr zeigt 110 Schläge. Fünf Minuten später schaut das schon ganz anders aus. Ohne dass ich mich bewege hämmert mein Herz mit über 130 Schlägen und ich kann nichts dagegen tun. Jetzt wird’s aber Zeit, dass es losgeht. Ich stehe ungefähr in der dritten Reihe als der Sprecher den Countdown herunterzählt. Ganz ohne Startschuss setzt sich das Feld in Bewegung. Jedoch scheinen sich da einige um mich herum etwas überschätzt zu haben. Jedenfalls muss ich auf den ersten Metern Slalom laufen, um auf mein Tempo zu kommen.
Aber bereits nach den ersten 300 Metern mit einem kleineren Anstieg hat sich alles sortiert und es geht flüssig entlang der Leutascher Ache dahin. Kurz nach dem Start sind wir an einer neuen besonders breiten Loipenbrücke vorbeigelaufen, die im Winter für ein ungestörtes Langlauferlebnis sorgen wird. Wenig später stoßen wir auf die Langlauf-Autobahn, die bereits im Frühwinter wieder mit eingelagertem Schnee aus dem Depot belegt werden wird. Wir Läufer nutzen nur den Schotterweg am Rande, der es den LKWs ermöglicht, ohne Behinderung ihre Ladung an die vorbestimmte Stelle zu liefern. Kurz vor der ein Kilometer Marke blicke ich zum ersten Mal auf meine Uhr und stelle fest, dass ich deutlich zu schnell unterwegs bin. Darum drossle ich etwas das Tempo, um nicht zum Ende hin einzubrechen. Das hat zur Folge, dass im weiteren Verlauf immer wieder Läuferinnen und Läufer an mir vorbeiziehen. Dennoch bin ich genau im Fahrplan sub 40 Minuten.
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Nach drei Kilometern folgt der erste Richtungswechsel und es geht auf Asphalt weg von der Ache hinüber zur anderen Talseite. Von der Streckenbesichtigung am Vortag weiß ich, dass nun der Teil der Strecke folgt, der mir eigentlich liegen sollte. Ab der Verpflegungsstation bei Kilometer vier geht es nämlich zunächst bergauf und dann wellig dahin. Davor greife ich aber erst mal nach einem Becher Wasser. Weniger um es zu trinken, vielmehr um es mir über den Kopf zu schütten. Es herrschen zwar eigentlich ideale Laufbedingungen bei 18 Grad, aber die Abkühlung tut trotzdem gut. Dann nehme ich die Steigung in Angriff, merke aber schnell, dass mein Atem nicht reicht, um groß aufs Tempo zu drücken. Und so überholen mich zunächst ein älterer und ein jüngerer Konkurrent, mit denen ich mir bis zum Ziel einen harten Fight liefern sollte.
Eigentlich beinhaltet die acht Kilometer Strecke nicht viele Höhenmeter, aber irgendwie sehne ich mir das nächste Gefälle herbei. Ich muss irgendwie wieder zu Atem kommen, sonst halte ich das Tempo nicht mehr lange durch. Und schließlich werde ich erlöst. Ich erreiche die Wellen, die den 21 Kilometer Läufern noch ganz schön Körner rauben werden. Nun kommt plötzlich der jüngere Läufer wieder in Sicht, der merklich langsamer geworden ist. Das beschert mir frische Motivation, ebenso wie der Anblick des drei Kilometer Schildes und der Kontrollblick zur Uhr. Im längeren Bergabstück hinunter zum Weidachsee, wo die Angler aufgereiht am Steg stehen und auf den großen Fang hoffen, kann ich schließlich den einen Läufer passieren und zudem in Schlagdistanz zum älteren Konkurrenten bleiben. Doch der jüngere Lokalmatador gibt sich noch nicht geschlagen und sprintet, angefeuert von seinen Supportern am Streckenrand plötzlich wie Usain Bolt an mir vorbei. Meine Erfahrung sagt mir allerdings, dass er dieses Tempo nicht lange durchhalten wird und tatsächlich kann ich 500 Meter vor dem Ziel wieder aufschließen. Etwas verwundert blickt der sich um und versucht erneut das Tempo zu erhöhen, doch sein Pulver ist verschossen. Ich klebe im Windschatten und lasse mir Zeit bis zu meinem Zielspurt, den ich 150 Meter vor dem Ziel ansetze. Schnell kann ich mich lösen und plötzlich ist auch der ältere Konkurrent, der mit konstanter Geschwindigkeit läuft, in Reichweite. Auch ihn überlaufe ich noch wenige Meter vor der Ziellinie, die ich nach 38:38 Minuten überquere.
Zufrieden mit meiner Leistung nehme ich die Finisher-Medaille in Empfang und stütze mich erstmal auf meinen Knien ab. Das war ganz schön hart heute für einen „Lauf-Verweigerer“ wie mich. Es hat aber auch richtig Spaß gemacht, das Leutaschtal mal im Sommer unter Wettkampftempo kennenzulernen. Den Ganghofer Trail kann ich allen Langläufern als scharfen Test in der Vorbereitung auf den Winter nur empfehlen.
Alle Infos zum Ganghofer Trail findet ihr hier: www.ganghofertrail.at