Marcialonga 2013: Der lange Jubiläumsmarsch durchs Fleimstal

Geschafft: Zieleinlauf beim Marcialonga © tri2b.com/H.Eggebrecht

Zum 40. Mal wurde in diesem Jahr der Marcialonga Skimarathon ausgetragen. Die 70 km lange Strecke durch das Val di Fassa und Val di Fiemme hat über die Jahre echten Kultstatus erlangt und für die Topläufer des FIS-Marathoncups ist ein Sieg bei dem seit 2003 nur im klassischen Stil ausgetragenen Rennen mit einem kleinen Ritterschlag gleichzusetzen. Verständlich, dass dem auch die ambitionierten Hobbylangläufer nacheifern wollen und so standen bei der Jubiläumsausgabe insgesamt 7.500 Teilnehmer aus über 30 Ländern an der Startlinie in Moena, wobei 80 Prozent davon aus Italien, Norwegen und Schweden kamen.

Passend zur 40. Austragung präsentierten sich auch das Wetter und die Schneebedingungen am Rennwochenende. Klirrend kalt waren die Nächte vor dem Rennen gewesen an den Tagen dann Sonne und blauer Himmel. Dazu gab es eine Woche davor auch noch Neuschnee, so dass gerade im oberen Streckenabschnitt in Richtung Wendepunkt bei Canazei der Untergrund zum Großteil Naturschnee war und die darunter liegende Kunstschneeauflage nur teilweise zum Vorschein kam.

Fliegender Start aus der Boxengasse

Dementsprechend konnte die Steigzone mit Hartwachs (grün und blau) präpariert werden. Der Standard der Topläufer, die 70 km einfach durchzuschieben, ist bei den Hobbyläufern eher die Ausnahme. So war schon im dritten der insgesamt 15 Startblöcke die große Mehrzahl mit Stieg unterwegs. Gestartet wird beim Marcialonga mit Ausnahme der 200 Topläufer/innen aus der „Boxengasse“, in 500er Blöcken werdend die Teilnehmer nach und nach mit Skiern in der Hand auf die Spur gelassen. Ein Rezept, das funktionierte, von Anfang konnte flüssig und ohne Stau auf der oft nur zwei Spuren breiten Strecke gelaufen werden. Dementsprechend schnell konnte ich meinen Laufrhythmus finden. Die ersten Steigungen und leichten Abfahrten bei Moena und Soraga zeigten, dass der Ski sowohl im Stieg als auch beim Gleiten gut dabei war.

Obwohl es bis zum Wendepunkt bei 18,5 km von 1.050 bis auf 1.450 Meter hinaufgeht, können die meisten Abschnitte im Doppelstock oder Doppelstock mit Zwischenschritt gelaufen werden. Nach gut 10 Kilometern hatte sich das Feld um mich herum sortiert und es begleiteten einen über viele Kilometer die gleichen Läufer. Von Anfang an gab es auch reichlich Zuspruch der Zuschauer. „Bravi, Bravi“ und „Dai, Dai“-Rufe waren ein ständiger Begleiter. Gerade in den engen Ortsdurchläufen in Canazei, Moena oder Predazzo war an vielen Stellen Volksfeststimmung angesagt.

Schieben, Schieben, Schieben

Nach knapp eineinhalb Stunden war der höchste Punkt der Strecke erreicht. Von nun an galt es Schieben, Schieben und nochmal Schieben. Der Rückweg befindet sich im Fassatal fast ganztägig im Schattenbereich und dementsprechend stumpf präsentierte sich hier teilweise die Spur, so dass auch im leichten Gefälle viel mit den Armen mitgearbeitet werden musste. Abwechslung gab´s dann knapp vor Halbzeit des Rennens. Bei Soraga erwartet die Teilnehmer ein anspruchsvoller Zwischenanstieg, gefolgt von einer technisch etwas anspruchsvolleren Abfahrt hinunter nach Moena. Obwohl in der dritten Startgruppe unterwegs, war die Schlüsselstelle – eine 180 Grad-Kehre -schon tief ausgefahren. An einer Stelle blankes Eis, daneben knöcheltiefer griesliger Schnee. Direkt vor mir hatten zwei Mitläufer etwas zu spät das Tempo weggenommen – Sturz und Stockbruch – mit etwas Glück und Geschick konnte ich gerade noch ausweichen.

Von Moena in Richtung Predazzo, vorbei an den Skischanzen, fällt dann das Gelände sehr gleichmäßig. Um mich herum hatte sich eine kleine Gruppe gefunden in der einerseits ein hohes Tempo angeschlagen wurde, andererseits aber im Windschatten auch etwas Körner gespart werden konnten. Nach der Verpflegung in Predazzo dann ein komplett anderes Bild. Die Gruppe ist leider zerfallen und auf dem fast ebenen Streckenabschnitt kommt erstmals echte Müdigkeit in den Armen und Beinen auf. Kurzzeitig kommt nun der Gedanke, wie angenehm wäre es jetzt mal ein paar Skatingschritte einzulegen. Doch gegen den Ehrenkodex wird nun mal nicht verstoßen, was übrigens auch alle anderen Teilnehmer um mich herum ebenso zelebrierten. Nur ein, zweimal sah ich an einem Anstieg einen zaghaften „Ladystep“ anstatt des geforderten Grätenschritts.

Genau 16 km sind es noch, wenn man in Lago di Tesero das WM-Langlaufstadion durchläuft. Es überkommt mich kurzzeitig ein kalter Schauer, als ich mir bildlich vorstelle wie hier in vier Wochen die besten Langläufer vielleicht in einem Sprintfinale um Gold, Silber und Bronze kämpfen. Mit dem Verlassen des Stadions wird auch beim Marcialonga langsam das Finale eingeläutet. Nur von Sprint kann nach gut dreieinhalb Stunden Renndauer keine Rede mehr sein. Kleine Anstiege tun nun richtig weh und türmen sich vor einem auf, als ob man sich im „Final Climb“ der Tour de Ski an der Alpe Cermis befindet, dessen Einstieg man bei km 59 passiert.

Kurz danach kann auch ich den heutigen „Final Climb“ schon sehen. Die berühmt berüchtigte Cascata wird rechts erkennbar. Allerdings heißt es für die Teilnehmer erst noch hinab nach Molina di Fiemme zum tiefsten Punkt der Strecke. Gut Essen und Trinken, Caffe mit Energygel, ist dort an der vorletzten Verpflegungsstelle die Devise, damit man nicht kraftlos an den Schlussanstieg kommt.

Frisch geklistert in die Cascata

Dort heißt es dann „Nachwachsen“ oder besser „Nachwachsen lassen“. Der Toko-Rennservice hat sich am Fuße der Cascata mit seinen Klistermaschinen aufgebaut. Zwei, vielleicht drei Minuten muss ich warten, dann wird in wenigen Sekunden auf meine Ski eine dünne Klisterschicht aufgezogen. Ein Helfer schnallt einem sogar noch die Skier an – dann kann es losgehen ins Finale. Schon auf den ersten Metern zeigt sich, dass der Ski perfekt steigt. Die Zuschauer und das Gefühl doch noch ein paar Körner in Armen und Beinen zu haben motivieren mich nochmals eine höhere Gangart einzulegen. Mir gelingt es mit einem für die Renndauer noch ganz sportlichen Diagonalschritt einen ordentlichen Split hinauf in die engen Gassen von Cavalese hinzulegen. Noch eine Rechtskurve, dann liegt sie vor mir die Zielgerade des 40. Marcialonga. (Rang 1196 Gesamt in 4:39:36 Stunden)

Im Ziel gibt es den Kleiderbeutel zurück, die Ski können in einem Depot hinterlegt werden und bei einer Pastaparty gibt es Kohlenhydrate für die mehr als leeren Speicher. Vor der Essenausgabe gab es übrigens auch den längsten Stau des Tages. Doch mit etwas italienischer Gelassenheit ist auch das kein Problem. Alles in allem ein richtig toller top organisierter Volkslauf, bei dem es aus deutscher Sicht wünschenswert wäre, dass in Zukunft die Organisatoren auch wieder mehr Startplätze über die freie Anmeldung zur Verfügung stellen.