Marcialonga: 70 Kilometer italienische Gastfreundschaft

Marcialonga 2022: Im WM-Stadion von Lago di Tesero © Michael Rackl/xc-ski.de

Ich stehe im Zielbereich in Cavalese und kann es noch immer nicht fassen! Habe ich da tatsächlich mein schönstes Skimarathonrennen erlebt? Je mehr ich darüber nachdenke: Ja!

Gerade bin ich von einer meiner zahlreichen Reisen im Winter zurück und auf der Heimfahrt hat mich eine fixe Idee ereilt. Warum nicht die gesammelten Kilometer der letzten Tage nutzen und endlich meine Premiere beim Marcialonga feiern! Der Haken an der Sache: Es bleiben gerade einmal zehn Tage Zeit für die konkrete Vorbereitung auf die 70 Kilometer Klassik von Moena im Val di Fassa nach Cavalese im Val di Fiemme. Aber egal, irgendwie wird’s schon klappen.

Marcialonga 2022_Streckenbesichtigung © Michael Rackl/xc-ski.de

Corona habe ich es zu verdanken, dass ich kurzfristig noch einen Startplatz ergattere. Normalerweise ist der Marcialonga schon weit im Voraus ausverkauft. Im zweiten Corona-Winter werden es aber keine 7.500 Teilnehmer wie sonst üblich sein, die sich auf den Weg machen. Circa 4.000 haben sich angekündigt. Um möglichst viel Marcialonga-Feeling mitzubekommen, reise ich bereits am Freitag an und begebe mich direkt nach dem Hotel-Check-In zu einer kurzen Streckenbesichtigung. Von einem kleinen Parkplatz am Fuße der berühmten Cascata-Steigung mache ich mich auf die letzten Kilometer hinunter zur Wende in Molina und zurück bis in die ersten Höhenmeter des Schlussanstiegs. Es ist sozusagen die Quintessenz der gesamten Strecke: Viel Doppelstockschieben, leichte Steigungen, die sich mit kurzen Rampen abwechseln und am Ende wartet die ultimative Herausforderung.

Marcialonga 2022: Gespräche im Palafiemme © Michael Rackl/xc-ski.de

Kurz vor Beginn der Cascata-Steigung treffe ich das Toko-Serviceteam, das sich hier gerade einrichtet. Am Sonntag werden sie an dieser Stelle mit ihren Klister-Maschinen vielen Teilnehmern die letzten Höhenmeter deutlich erleichtern. Ich habe mich dagegen bereits für einen Fellski mit verschiebbarer Bindung entschieden. Mal schauen, ob diese Wahl mit den Wachskiern meiner Konkurrenten mithalten kann. Für heute habe ich genug gesehen und mache mich noch auf den Weg ins Palafiemme, dem Veranstaltungszentrum, wo die Startnummern ausgegeben werden. Alles ist bestens organisiert und in weniger als zwei Minuten halte ich mein Starterpaket in Händen. Das ist aber nicht der einzige Grund, warum man hierher kommen sollte. Die Partner des Marcialonga präsentieren ihre neuesten Produkte, es gibt verschiedenste Ausrüstungsgegenstände zu kaufen und man trifft hier auf viele bekannte Gesichter. Da bleiben Fachgespräche und nette Unterhaltungen natürlich nicht aus. OK-Präsident Angelo Corradini, den ich schon viele Jahre kenne, berichtet mir, dass den Umständen entsprechend alles gut läuft und man froh ist, endlich wieder viele ausländische Teilnehmer begrüßen zu dürfen.

Nach einer entspannten Nacht habe ich mir für den Samstag einen Besuch beim „Marcialonga Story“ Wettbewerb vorgenommen. Dabei gehen alle Teilnehmer mit Ausrüstung von vor 1976 an den Start und absolvieren die Strecke vom WM-Stadion in Lago di Tesero bis zum Skisprungstadion von Predazzo. Den Teilnehmern zolle ich allerhöchsten Respekt, als sie sich teils ambitioniert, teils nur zum Spaß auf den Weg machen. Im Teilnehmerfeld erkenne ich die eine oder andere Persönlichkeit wie Cristian Zorzi oder Marco Albarello. Aber auch die deutschen Farben sind durch Andreas Fischer vertreten, der mit seinen überbreiten Holzskiern sogar außerhalb der Spur laufen muss. Als der letzte Läufer das Stadion verlässt, mache ich mich auf den Weg nach Moena, dem Startort des Marcialonga im Val di Fassa. Das Startgelände liegt dort noch verlassen da, während auf der Strecke ringsherum schon etwas Betrieb herrscht. Ich laufe eine kleine Runde und erfahre dadurch, dass die Steigungen rund um Moena und Soraga durchaus anspruchsvoll, aber für jeden ambitionierten Skilangläufer zu meistern sind. Zudem bekomme ich hautnah mit, welcher Aufwand hier betrieben wird, um die Streckenführung durch die Dörfer und über Straßenabschnitte zu gewährleisten. Fast überall ist schweres Gerät im Einsatz, das Berge von Kunstschnee an zahlreiche Stellen transportiert.

Marcialonga 2022: Skiwachsservice © Michael Rackl/xc-ski.de

Zurück von meiner kurzen Runde habe ich noch einen weiteren wichtigen Programmpunkt auf meiner Liste, die Präparation der Ski. Das will ich Profis überlassen und bequemer ist es auch noch für mich. Während des Marcialonga-Wochenendes sind mehrere Wachshersteller im Val di Fiemme vertreten und bieten ihren Service an. Zudem gibt es Wachsexperten und Sportgeschäfte, denen man gegen Bezahlung sein Rennmaterial übergeben kann. Ich treffe Simon und Flo von HWK in einem Nebengebäude eines Hotels in Cavalese. Dort sind sie schon bei der Arbeit und übernehmen meinen Fellski, den ich drei Stunden später wieder abhole. Am Abend bereite ich noch den Rest meiner Ausrüstung inklusive der Verpflegung vor. Sechs Energiegels und 1,5 Liter Kohlenhydratgetränk werde ich mit auf die Strecke nehmen. Damit sollte ich gut ins Ziel kommen.