Marcialonga – Das Alpe d’Huez der Skilangläufer

Erleichterung © Maren Debertin

Kurz nach dem Massensturz überholte ich einen Läufer, dem die Skispitze fehlte. Er kam so erstaunlich schnell voran und ich hoffte, er würde bald einen Ersatzski bekommen. Meine linke Hüfte schmerzte, aber ich ging davon aus, dass es nur eine leichte Prellung ist, die mir als Erinnerung an das Rennen erhalten bleiben würde. Im Radsport wäre ein solcher Sturz mit erheblich größeren Verletzungen verbunden gewesen. Es ging nun darum Richtung Canazei wieder in Schwung zu kommen und eine gute Gruppe zu finden. Dies gelang mir zum Glück. Nach dem Wendepunkt war ich in einer 10er Gruppe die richtig gut lief. Vorne zwei Lokomotiven, ein eher schwererer Läufer und ein Norweger, die unbeirrt Tempo machten. So konnte ich Dank schneller Ski auch mal bei leichtem Gefälle ein paar Doppelstockschübe auslassen und auch endlich mal aus meiner Trinkflasche einen kräftigen Schluck nehmen. Schnell erreichte die Gruppe mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 25 km/h wieder den Startort Moena und danach auch Predazzo, das Ziel vom Marcialonga Light über 45km, wo die Strecke mitten durch den Ort ging mit Massen an Zuschauern.

Kurz vor dem Ziel © Maren Debertin

Allerdings musste ich permanent aufpassen und Kraft investieren, um die Gruppe nicht zu verlieren. So wurden Läufer eingeholt und andere fielen an kurzen Zwischenanstiegen zurück. Im Bereich vom Skistadion am Lago di Tesero hatte ich dann auch schon erste Krampfsymptome in der Bauchmuskulatur und hinteren Oberarmmuskulatur. Ich musste unbedingt mehr von meinem salzhaltigen Getränk zu mir nehmen. Kurz vor dem Wendepunkt unten im Tal bei Castello-Molina, stolperte ich dann noch über eine leere Gelpackung in der Spur, die ich übersehen hatte und musste wieder in den Schnee greifen, konnte aber den Anschluss an die Gruppe noch vor der Brücke am Wendepunkt wieder herstellen. Nun rückte der Final Climb mit knapp 200 Hm nach Cavalese näher. Nur noch 6 Kilometer bis ins Ziel. Vor 5 Jahren ließ ich mir vom Wachsservice zu Beginn des Anstiegs Steigwachs auftragen, um diesen im Diagonalschritt zu absolvieren. Ich begann abzuwägen. Meine Trinkflasche war leer. Soll ich es diesmal ohne Steigwachs versuchen mit der Gefahr, Krämpfe zu bekommen? Oder doch Steigwachs auftragen, um im Diagonalschritt andere Muskelgruppen einzusetzen? Ich entschied mit für die sichere Variante und plante den Boxenstopp ein. Ich versuchte vor dem Schlussanstieg mich in meiner Gruppe nach vorne zu arbeiten, um möglichst als einer der ersten zum Wachsservice zu kommen. Dies klappte ganz gut, aber zu meiner Überraschung konnte man diesmal nicht einfach die Ski hochstellen und die Serviceleute wachsten einem die Ski, sondern nach kurzer Unsicherheit hatte ich begriffen, dass es sich offenbar in diesem Jahr um einen „do it your self service“ handelte. Das kostetet zusätzlich Zeit: Ski abschnallen, weiches Hartwachs auftragen, Ski wieder anschnallen. Alle aus meiner Gruppe hatten darauf verzichtet und waren weg.

Bjoern Daehlie © Maren Debertin

Und so richtig funktioniert hatte das Steigwachs auf dem Kunstschnee auch nicht. Ich konnte zwar Doppelstock mit Zwischenschritt laufen, aber ein sauberer Diagonalschritt war nicht möglich. Nur im Klaebo-Stil hatte ich Abdruck, aber bei mir sah das dann vermutlich eher wie in Zeitlupe aus im Vergleich zum Norwegischen Sprint-Champion. Aber die Zuschauer und deren Anfeuerungen ließen diese technischen Problem in den Hintergrund treten. Hätte nicht die Sonne den Schlussanstieg ordentlich erwärmt, hätte ich glatt Gänsehaut bekommen. Mitte des Anstiegs überholte ich dann noch Björn Dählie – eine Skilanglauf Legende und der Marcialonga ist berühmt für die Teilnahme dieser Legenden – der auch im Diagonalschritt unterwegs war und auch nicht so richtig vom Fleck kam. Gegebenenfalls hatte ich mich also für die falsche Strategie am Schlussanstieg entscheiden, aber das war mir dann egal. Glücklich erreichte ich ohne Krämpfe das Ziel im Ortskern von Cavalese. Es stand ein 182. Platz in 3:21:44 zu Buche. Als 7. bester Deutscher und 8. in der Altersklasse der 50 bis 60 jährigen war ich sehr zufrieden.

Nach kurzer Erholung traten wir dann auch den langen Heimweg wieder über den Passo Lavaze an. Diesmal ließen wir den am Sonntagnachmittag viel befahrenen Fernpass links liegen und fuhren über Garmisch-Partenkirchen und Oberammergau. Dort testete Tochter Maren die Schneebedingungen und Loipen vom König-Ludwig-Lauf im Rahmen einer kleinen Trainingseinheit: 40 cm kompakter Altschnee und weitere Schneefälle sind angekündigt für die Region. Es sieht also gut aus für den „Lugi-Lauf“ am kommenden Wochenende.

Das erlebte Wochenende bekräftigte mich in der Auffassung, den Marcialonga sollte jeder ambitionierte Langläufer genauso wie den Vasalauf einmal gemacht haben. Die Atmosphäre ist unglaublich und im Ziel in Cavalese empfindet man jene Glücksmomente, die ich sonst nur vom Radsport nach einer Bergankunft kenne.

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