Ein Skimarathon der, sagen wir mal um zehn Uhr startet endet je nach Streckenlänge und Können der Teilnehmer zwischen zwölf und fünfzehn Uhr. So weit, so einfach. Für manch einen Athleten mit sportlichen Ambitionen mag das so ausreichend sein. Doch moderne Veranstaltungen holen viel länger aus und faszinieren Teilnehmer und Zuschauer über mehrere Tage mit einem breit gefächerten Programm. Gemeinsam mit Skilanglauf-Experte Peter Schlickenrieder waren wir ganze vier Tage in und um Tannheim unterwegs und haben das komplette Eventspektrum des Ski Trails Tannheimer Tal – Bad Hindelang genossen.
Der Auftakt fand in Dunkelheit, keineswegs jedoch in aller Stille statt. Beim Stirnlampenlauf in Bad Hindelang, aus Allgäuer Sicht quasi auf der Anreise nach Tannheim gelegen, sollte in diesem Jahr eine stimmungsvolle Abendveranstaltung über die Bühne gehen. „Tausende Lichter“ hatte manch einer im Kopf bei der Vorstellung von zahlreichen Langläufern mit Stirnlampe auf der Nachtloipe an der Hornbahn. Schlussendlich wurde es eines: dasjenige von Peter Schlickenrieders „Hirnbirn“ (Kopflampe). Die Kinder der umliegenden Skiclubs, die für die Abendveranstaltung mit dem Langlauf-Star angereist waren, wussten schließlich, dass die Nachtloipe ausreichend von Flutlicht beleuchtet ist. „Eine riesen Gaudi war es trotzdem“, erzählt Peter hinterher. „Nebst den vielen technischen Spielereien, die durchaus als Vorbereitung für den TeKo-Parcours tags darauf gedacht waren, wollten die Nachwuchssportler vor allem eines: wissen wie schnell der Schlickenrieder noch laufen kann.“ So wurde es ein stimmungsvoller Auftakt, wenn auch bei leichtem Regen. Max Hillmeier, ansonsten Stadionsprecher beim Ski-Trail und Tourismusdirektor in Bad Hindelang, hatte mit dieser Veranstaltung das richtige Gespür. Voller Erwartung an die nächsten Tage reisten die einen heim zu den Eltern, die anderen weiter ins Tannheimer Tal.
Dass der TeKo-Parcours (zu deutsch: Technik- und Koordinations-Parcours) eine Erfolgsgeschichte ist, wusste das Ski-Trail Organisationskomitee rund um Michael Keller schon vorher. Eine Teilnehmerzahl von knapp 160 Kindern hatte jedoch niemand auf dem Schirm. Wir erinnern uns: Vor drei Jahren wurde der TeKo-Parcours im Rahmen einer Kooperation mit dem Deutschen Skiverband gemeinsam mit Georg Zipfel beim Ski Trail als Nebenprojekt zum Mini Ski-Trail eingeführt. In diesem Jahr hat er die Schwesterveranstaltung nach Teilnehmern sogar überholt. „Die Idee dahinter ist genial: es sollen nicht immer die absolut Fittesten gewinnen, sondern auch einmal die Geschicktesten“, zeigt sich Peter Schlickenrieder begeistert. Er ist jedes Jahr für die Referenz-Zeit zuständig, an der sich die Kleinen messen sollen. Klingt unfair? Ist es keineswegs. Unter der Führung des OK-Imports Ruppert Scheiber aus dem Ötztal wurde Georg Zipfels Idee Stück für Stück weiterentwickelt. Sehr eng gesteckte Slalom-Tore, enge Wendemanöver, niedrige Tunnel und Geschicklichkeitsspiele machen die rein körperliche Überlegenheit zunichte. „Die „Chicken-Line“, die an der teils gefürchtete Sprungschanze vorbei führt, wurde außerdem deutlich verlängert, sprich der größere Umweg motiviert dann doch die Schanze zu benutzen“, zeigt sich der Koordinations-Experte Schlickenrieder erfreut. Für ihn war es der „beste TeKo-Parcours ever“, nach wie vor mit Luft nach oben. „Es sind noch einige neue Ideen in der Pipeline“, weiß einer, der es wissen muss. Wenn dann noch das Wetter und die Abendstimmung perfekt passen, vermisst niemand eine schnöde Eröffnungsfeier. Man konnte es getrost dem Nachwuch überlassen, mit viel Freude an der Bewegung am Freitag das Ski-Trail Wochenende zu eröffnen.
Für Peter hatte das arbeitsreiche Wochenende da schon einige Höhepunkte hinter sich. Nebst den angesprochenen Veranstaltungen hatte er noch seine Langlauf-Kurse im Programm. Freitag und Samstag erklärt er jedes Jahr interessierten Langläufern seine Sicht der perfekten Technik, jeweils eine Stunde Skating und eine Stunde Klassik. Die Teilnehmerzahlen haben inzwischen grenzwertige Höhen erreicht. „Am Samstag starteten wir den Skating-Kurs mit 80 Teilnehmern, die sich im Laufe der Zeit auf etwa 60 reduzierten. Mehr ist einfach nicht drin“, gibt Peter Schlickenrieder gerne zu. Schließlich will jeder irgendwie einen guten Tipp vom Olympia-Silbermedaillengewinner erhaschen, weshalb er nach wie vor alle Kurse ganz alleine leitet. „Natürlich ist das hier kein Trainingscamp, bei dem man mehrere Tage lang mit einer überschaubaren Gruppe an Technik und Kondition feilen kann. Trotzdem kann man erkennen, wie gewisse Basics mit dem entscheidenden Tipp doch ganz schnell verbessert werden können.“ Bei dem Optimismus des Schlierseer Energiebündels ist das auch kein Wunder. Und schließlich ist ihm ein Punkt noch ganz wichtig: „So manchen Teilnehmer konnte ich innerhalb von dieser Stunde dazu motivieren, es doch einmal mit einer der kurzen Runden beim Ski-Trail zu probieren.“ Wenn das Rahmenprogramm sich also sogar aktiv und positiv auf die Teilnehmerzahlen des Hauptlaufes auswirkt, hat der Veranstalter doch wohl alles richtig gemacht.
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Wer alles richtig macht, wird auch mit dem passenden Wetter belohnt. Zumindest an einem Tag lassen wir das mal so gelten. Es ist Samstagmorgen, der Himmel ist blau, die Luft ist kalt, die Spur hart gefroren und die Sonne schickt erste Sonnenstrahlen über das Neunerköpfle in Richtung Startfeld. Von außen betrachtet, ohne die Anspannung vor einem Rennen, ein sehr friedvoller Anblick. Für Peter ist das etwas gänzlich Neues, gibt er sich doch sonst an allen beiden Renntagen die Ehre. Eine Schulterverletzung zwingt ihn jedoch in die Zuschauerrolle, damit aber auch zu einer eingehenderen Betrachtung der Szenerie. „Natürlich sind die Starterfelder hier nicht so beeindruckend wie bei den größten Läufen mit zigtausend Startern gleichzeitig. Doch das Ambiente ist einzigartig: die startenden Ballone, die hier zur guten Tradition gehören, inmitten dieser traumhaften Winterlandschaft, wie es sie leider fast nur noch auf über 1.000 Höhenmetern gibt. Das ist Wintersport pur“, schwärmt der Mann, der schon viele Startorte in seinem Leben gesehen hat. Doch natürlich hat er recht. Der Samstag ist der Tag, um „die Leute abzuholen“, wie er es nennt. Der Startplatz ist gut gefüllt, nicht nur mit Rennläufern, sondern auch mit vielen Hobby-Langläufern, die die Chance nutzen sich das Spektakel anzusehen und nebenher noch ein paar Neuigkeiten der Ausrüster-Firmen zu testen. Das gute Wetter lädt zum Verweilen ein und langweilig wird es im Rennprogramm sicher nicht. Zwei Starts, dazu der Durchlauf bei Start und Ziel des 33er-Rennens und schließlich packende Sprints sowie lächelnde Gesichter bei den Zieleinläufen. „Genau damit holst du die Leute auf die Loipe“, freut sich Peter gemeinsam mit OK-Chef Michael Keller, der schon skeptisch die Wetterprognosen des kommenden Tages im Kopf durchgeht.
Sonntag, Hauptrennen und es ist Ski-Trail Wetter. Das soll nicht heißen, dass es beim Skimarathon im Tannheimer Tal mehrheitlich dichten Schneefall geben würde. Doch gerade die Kombination aus Niederschlag und Kaiserwetter gehört schon irgendwie zu diesem Wochenende dazu. Oft genug legt es die weiße Pracht bereits am Freitagabend auf die Loipen und sorgt für zusätzliche Nachtschichten der unermüdlichen Loipenfahrer. Manches mal erwischt es die Athleten aber auch direkt am Renntag. Peter, der zumindest den kurzen 19er laufen will, hat da gleich dreimal Glück in Serie: „Erst einmal hat mir der Kroni (Reinhard Kronbichler, Peters Servicemann zu seiner erfolgreichsten Zeit und inzwischen HWK-Eigentümer) ein fast schon unverschämt schnelles Brett hingestellt.“ Was schließlich heißt, dass er dem armen Max Olex, immerhin 19 Jahre jünger, ziemlich lange an den Skienden klebte. Das wiederum brachte ihn in die Lage, direkt hinter dem Motorschlitten herlaufen zu können, der für die Führenden die Strecke mittels Schleifmatte zumindest etwas vom Neuschnee befreit. Im Ziel, dass er dann doch mit eineinhalb Minuten Rückstand als Zweiter erreichte, beschlich in zwar das Gefühl: „schade, schon vorbei“. Doch tauschen wollte er im Nachhinein nicht mit den Jungs, die sich die volle Distanz über 60 Kilometer gönnten. Gegen Mittag wurde aus Schnee Regen und feuchter Neuschnee bedeutet endlose Schinderei. Gerade auf den letzten, flachen Kilometern waren die völlig durchnässten Athleten nicht mehr zu beneiden. „Egal wann, wer da durchgekommen ist zählt zu den ganz Harten“, konstatierte Peter anschließend. Und vielleicht gehört das ja auch zu einem erfolgreichen Rennwochenende. Nach spaßigen Veranstaltungen für den Nachwuchs und Bilderbuch-Erlebnissen beim Klassiker war das Skating-Rennen eine echte sportliche und mentale Herausforderung. Genau das, was der Langläufer doch sucht, oder etwa nicht?