Nur noch wenige Meter bis zum Gipfelkreuz, ich mobilisiere noch einmal alle meine Kräfte und plötzlich bricht Jubel aus. Meine Camp-Kollegen empfangen mich und klatschen sich mit mir ab nach 1.000 Höhenmetern am Stück. Ein Erlebnis, das mir noch lange in Erinnerung bleiben wird.
Hand aufs Herz: Wer von euch kennt Mösern? Mösern in Tirol? Mit Seefeld sieht das sicher schon ganz anders aus. Mösern liegt gerade einmal drei Kilometer vom WM-Stadion in Seefeld entfernt in Richtung Telfs oberhalb des Inntals. Es zählt touristisch zur Olympiaregion Seefeld, wird aber von Besuchern der Region gerne mal übersehen. Das soll sich im Hinblick auf die Nordische Ski-WM 2019 ändern, weswegen sich ein Verein gegründet hat, der die Aufmerksamkeit des Zielpublikums auf Mösern lenken will. Eine erste Gelegenheit für alle nordischen Sportler, die Vorzüge des Dorfs zu testen, bot sich beim 1. Möserer Nordic Sommer Camp, das vom 9. bis 11. Juni in Zusammenarbeit des Vereins, mit der Olympiaregion Seefeld und Thomas Freimuth, dem schnellsten deutschen Vasaläufer, über die Bühne ging.
15 „Tester“ fanden sich am Freitagmittag nur unweit der Sportstätten der WM 2019 im Hotel Habhof ein und lernten sich in einer kurzweiligen Vorstellungsrunde kennen. Schnell stellte sich dabei heraus, dass so ziemlich alle Leistungsklassen und vom Trailrunner, der Skilanglauf im Winter als Ausgleich nutzt, bis zum leistungsorientierten Skimarathonläufer alle Läufertypen vertreten waren. Dann wurde allerdings nicht viel Zeit verschwendet und es ging direkt vor dem Hoteleingang des Habhofs zu Fuß los auf eine Tour zur Rauthhütte. Bereits nach wenigen hundert Metern trennte sich die Lauf-Gruppe von den Speed-Hikern, was es jedem ermöglichte, in seinem Tempo die Rauthhütte zu erreichen.
So richtig viel trainiert habe ich diese Saison noch nicht und schließe mich deshalb den Speed-Hikern an. In lockerem Trab geht es zunächst auf perfekt präpariertem Wanderweg und in welligem Gelände von Mösern in Richtung Buchen. Ich habe meine Stöcke dabei und absolviere die steileren Anstiege im Skigang. So bleibt noch genügend Luft zum Gespräch mit den anderen Camp-Teilnehmern in meiner Gruppe. Man glaubt gar nicht, was so eine Ablenkung ausmacht und wie schnell dabei die Zeit vergeht. Im Schlussanstieg zur Hütte schlägt dann jeder sein eigenes Tempo an und fordert noch mal seinen inneren Schweinehund heraus. Zur Belohnung gibt es am Ziel ein alkoholfreies Weißbier, Spezi oder eine Schorle. Wenige Minuten später trifft auch die Lauf-Gruppe ein und nach einer ausgiebigen Rast geht es gemeinsam wieder ins Tal.
Frisch geduscht und vom Viergang-Menü gestärkt erwartete die Teilnehmer am Abend eine äußerst interessante Gesprächsrunde mit Wachsexperte und HWK-Chef Reini Kronbichler sowie dem Schliffspezialisten und ÖSV-Servicemann Martin Pfurtscheller. In lockerer Atmosphäre hatten die beiden wertvolle Tipps für die Präparation der Langlaufski dabei, die so manchen Camp-Teilnehmer in Erstaunen versetzten, aber kommende Saison sicher schneller machen werden. „Pfurtschi“ nahm zudem einige Ski der Camp-Teilnehmer in Empfang und versah sie bis zum kommenden Tag mit einem neuen Schliff.
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Tag zwei des Camps stand ganz im Zeichen des Skirollertrainings. Am Vormittag ging es gemeinsam ins wenige Kilometer entfernte Telfs im Inntal. Da im WM-Stadion aufgrund von Bauarbeiten die Skirollerstrecken nicht genutzt werden können, mussten die Teilnehmer ausweichen. Eine 18 Kilometer lange Runde entlang des Inns auf Radwegen war aber ein guter Ersatz für die anspruchsvollen Strecken in Seefeld. Die Camp-Teilnehmer hatten hier die freie Wahl, ob sie sich lieber dem Techniktraining mit Thomas Freimuth anschließen oder in kleinen Gruppen zum Ausdauertraining auf die Runde gehen wollten. Auch ein Mix war möglich, so dass man zum Beispiel zunächst seine Klassik-Technik verbessern und anschließend das neu gelernte gleich in der Praxis ausprobieren konnte.
Ich entscheide mich für eine längere Doppelstockeinheit auf der zwar komplett flachen, aber landschaftlich durchaus abwechslungsreichen Runde. Schnell finden sich vier Mitläufer und gemeinsam geht es in flottem, aber für jeden laufbarem Tempo voran. Natürlich dürfen auch kleine Zwischensprints und „Ausreißversuche“ nicht fehlen. 2,5 Stunden später haben wir uns das Mittagessen in einem nahe gelegenen Restaurant redlich verdient.
Am Nachmittag konnten dann die Technik gewechselt oder weitere Kilometer abgespult werden. Bei warmen bis heißen Temperaturen floss der Schweiß in Strömen und so machten sich einige Camp-Teilnehmer nach der Rückkehr ins Hotel direkt auf zum Möserer See, der in nur zehn Minuten fußläufig zu erreichen ist. Ein Sprung ins kalte Nass erfrischte die müden Muskeln und sorgte für gute Durchblutung in der Regeneration für den kommenden Tag. Nach dem Abendessen lud Thomas Freimuth noch zu einem interessanten Vortrag mit Bildern seiner bisherigen Karriere und bereits absolvierten Langlauf-Abenteuern. Damit konnte er sicher den einen oder anderen auf den Geschmack bringen und Motivation für ein neues Saisonziel säen.
Den krönenden Abschluss des 1. Möserer Nordic Sommer Camps bildete schließlich am dritten Tag eine Bergtour zur Seefelder Spitze. Von der Talstation der Rosshütte Bergbahnen galt es auf einer Strecke von sechs Kilometern circa 1.000 Höhenmeter zu überwinden. Dazu waren die meisten Camp-Teilnehmer mit Stöcken unterwegs und wer sich nicht die ganze Tour zumuten wollte, fand immer wieder Zwischenziele, an denen er auf den Rest der Gruppe warten konnte.
Zum großen Finale will ich es noch einmal wissen und setze mich vom Start weg an die Spitze des Teilnehmerfeldes .Noch ist das Tempo eher moderat und ich kann mich noch unterhalten. Als die Strecke allerdings vom breiten Schotterweg in einen schmalen Pfad abzweigt, setzen sich die üblichen Verdächtigen der vergangenen Tage im Lauftempo an die Spitze. Dahinter bildet sich wieder die Gruppe der Speed-Hiker und die Wanderer bilden den Abschluss. Es geht steil bergauf, vorbei an der Rosshütte und der Jochbahn-Bergstation. Die letzten Höhenmeter folgen dann am Gipfelgrat bis zur Seefelder Spitze, wo mich die Läufer mit Jubel empfangen. Nach einer kurzen Rast inklusive Gruppenfoto beginnt der Abstieg. An der Rosshütte tanken wir noch einmal auf und machen uns dann auf die letzten Meter zum Ausgangspunkt.
An der Talstation trennten sich die Wege der Camp-Teilnehmer. Während sich die einen direkt auf den Heimweg machten, nutzten die anderen noch einmal die Abkühlung im Möserer See. Bei einem Punkt waren sich allerdings alle einig: Das 1. Möserer Nordic Sommer Camp war der ideale Start in die Wintervorbereitung und schreit förmlich nach einer zweiten Auflage im nächsten Jahr!