„Warum in die Ferne schweifen, wenn das Gute liegt so nah?“ Diese Redewendung ist mir in den letzten Jahren öfter durch den Kopf gegangen, wenn ich meine Koffer gepackt habe und in ferne Länder aufgebrochen bin. Australien, Island, Grönland …, jedes Mal habe ich große Abenteuer beim Kangaroo Hoppet, dem Fossavatnsgangan oder dem Artic Circle Race erlebt. Aber geht das auch vor der eigenen Haustür?
Als Bayerwäldler lebe ich tatsächlich in einem Loipenparadies, wenn man sich das auch immer erst wieder verdeutlichen muss. Im täglichen Training komme ich nicht über die 15 Kilometer Hausrunde hinaus. Das sollte sich nun ändern. Eine Bayerwalddurchquerung auf Langlaufski war mein Plan und da kam mir das bestehende Loipennetz der Bayerwaldloipe mit 150 Kilometern Länge entgegen. In mehrtägiger Recherche anhand digitaler Karten und Streckenbeschreibungen der Tourismusbüros wollte ich aber noch einen Draufsetzen. Der Große Arber, mit 1456 Metern der höchste Berg des Bayerischen Waldes, sollte in die Strecke integriert werden. Das gelang und so stand der Herausforderung Durchquerung des Bayerwaldes von Nordwest nach Südost auf insgesamt 160 Kilometern Streckenlänge fast nichts mehr im Wege. Etwas schwieriger gestaltete sich da schon die Terminsuche. Aufgrund der Streckenführung, die auch Abschnitte beinhaltet, die unter 600 Metern Seehöhe liegen, sollte man die Bayerwaldloipe nur zwischen Mitte Januar und Mitte/Ende Februar ablaufen. In schneereichen Wintern kann sich dieser Zeitraum natürlich nach vorne und hinten ausdehnen. Aufgrund meiner kurzfristigen Planung und der Wettervorhersage blieb nur noch ein Wochenende übrig, was die Suche nach Mitläufern nicht unbedingt erleichterte. Schließlich stand fest, dass ich auf der ersten Etappe andere Begleiter haben würde, als auf Etappe Nummer zwei und drei. Das stellte für mich keinen Nachteil dar, gab es doch so unterschiedliche Gesprächspartner für die vielen Stunden, die wir gemeinsam unterwegs sein würden. Und so kam auch schon der Tag des Aufbruchs.
In der Nacht vor dem Start schlief ich unruhig. Zwar wusste ich die genauen Längen der einzelnen Tagesabschnitte (43km, 69km, 47km), Höhenangaben gab es jedoch nicht. Zudem wurde es langsam wärmer und der Schnee in den Tagen vor dem Aufbruch nasser. Das sollte noch größeren Einfluss auf unsere Laufzeiten haben. Als Begleiter hatten sich Michael, ein erfolgreicher Nachwuchssportler aus der Region, und Horst, ein aktiver Volksläufer, gefunden. Gemeinsam fuhren wir im Begleitfahrzeug nach Hudlach, einer Drei-Häusersiedlung oberhalb von Hohenwarth. Hier schnallten wir die Skier an und machten uns auf den 43 Kilometer langen Weg nach Seebachschleife, dem ersten Etappenziel. Schnell wurde klar, dass ich meine beiden Mitläufer würde einbremsen müssen, um nicht vorzeitig k.o. zu gehen. Das Laufen mit Rucksack ist dann doch etwas anderes, als das normale alltägliche Training. Nach sechs Kilometern und den ersten Höhenmetern erreichten wir Eck, eine Art Pass im Höhenzug zwischen Kaitersberg und Arber.
Hier ist auch der Einstieg in die Auerhahnloipe, die auf knapp 30 Kilometern Länge zum Langlaufzentrum Bretterschachten oberhalb von Bodenmais führt. Dieser Strecke folgten wir zunächst über einen steilen Anstieg hinauf zum Mühlriegel und von dort weiter in Richtung Berggasthof Schareben. Die Bedingungen waren wie befürchtet etwas stumpf und so erreichten wir die Einkehrmöglichkeit etwas hinter dem Zeitplan. Pause gönnten wir uns aber keine, sondern nahmen nur einen kurzen Schluck aus der Trinkflasche beziehungsweise dem Trinkrucksack. Wenige Kilometer später begann dann auch der Aufstieg in Richtung Großer Arber. Bereits die Höhenloipe beinhaltet zwei längere Anstiege, die man langsam angehen muss und bei mir bekam das Wort anGEHEN eine neue Bedeutung. Irgendwie kam ich mir so vor, als hätte ich den ganzen Winter lang nichts trainiert und meine Ausdauer wäre wie weggeblasen. Aber mit der Zeit fand ich meinen Rhythmus und es ging wieder etwas leichter. Auf Höhe der Wende des Bretterschachten-Loipennetzes, das zu Bodenmais gehört, durfte ich mich noch einmal erholen, ehe die letzten zwei Kilometer bis zum Gipfel anstanden. Meine zwei Begleiter musste ich schnell ziehen lassen, ich selbst setzte einen Ski vor den anderen. Unterhalb des Gipfels warteten sie dann auf mich und wir nahmen die Überquerung des höchsten Punktes gemeinsam in Angriff. Am höchsten Punkt war es dann definitiv Zeit für eine Pause, bei der wir auch für die folgende Abfahrt Wärmebekleidung anzogen. Gestärkt durch Energieriegel stürzten wir uns in die schwarze Abfahrt in Richtung Bergstation der Gondel. Das Schwingen war allerdings extrem schwierig, da die Piste bereits sehr zerfahren und aufgewühlt war. Nach einer halben Ewigkeit erreichten wir schließlich die Talstation und folgten der Straße für circa 300 Meter bis zum Brennes, einer kleinen Ansiedlung an der Durchgangsstraße von Lam nach Bayerisch Eisenstein. Dort betraten wir zum ersten Mal im Rahmen unserer Tour die Bayerwaldloipe, die mich an den kommenden Tagen noch bis zum Ziel führen sollte. Die Tourenabfahrt vom Brennes nach Bayerisch Eisenstein verdiente ihren Namen dann zunächst nicht. Wir mussten einen etwas steileren und dann einen etwas flacheren Anstieg bewältigen, ehe es stetig bergab ging. Alpinskifahrer hätten diese Steigungen vor unlösbare Aufgaben gestellt. Mir gönnten die fallenden Kilometer etwas Erholung und so ging es mir schon wieder etwas besser, als wir das Langlaufzentrum Bayerisch Häusl oberhalb von Bayerisch Eisenstein erreichten. Ab hier hatte uns der Loipenfahrer extra eine Skatingspur bis zum Etappenziel gelegt, normalerweise ist nur klassisch gespurt. Wir folgten der großen Runde des Langlaufzentrums und näherten uns über Arberhütte dem Hotel Seebachschleife (www.seebachschleife.de). Doch ganz schön geschlaucht kam ich dann dort an und verabschiedete mich von Michael und Horst, die von dort die Heimreise antraten. Mich erwartete meine Frau mit dem Gepäck. Nach einem Saunagang und frisch gestärkt wertete ich die Daten der Tour auf meinem GPS-Gerät aus: 43 Kilometer und 1.250 Höhenmeter waren die Bilanz. Doch für die nächsten beiden Tage meldeten sich erste Bedenken an, ob ich auch wirklich das Ziel in Neureichenau erreichen würde.