Der zweite Tag begann grauenvoll. Ich hatte müde Arme und Beine, die das Tragen des Rucksacks über eine lange Distanz nicht mehr gewohnt waren (zum letzten Mal hatte ich ihn beim Arctic Circle Race so lange auf dem Rücken). Außerdem brachte ich beim Frühstück kaum etwas hinunter. Nachdem ich aber meine zwei neuen Begleiter Sandra und Martin begrüßt hatte und draußen an der frischen Luft in der Loipe stand, ging es mir bereits deutlich besser. Der Himmel war bedeckt und über Nacht hatte es etwas geschneit. Ab heute hieß es klassisch laufen, was uns zunächst vor die Wahl von Klister oder Klister mit Trockenwachs abgedeckt stellte. Wir entschieden uns, die Deckschicht wegzulassen, machten uns kurz nach 9 Uhr auf den Weg und genossen die ersten gut gespurten Kilometer. Sandra und Martin ließen es mir zuliebe langsam angehen, was mir sehr entgegen kam. Bis nach Rabenstein mussten wir dann auch einen langgezogenen Anstieg überwinden, ehe es bis nach Zwiesel eher wieder tendenziell bergab ging. Bereits am frühen Samstagmorgen trafen wir hier einige Läufer von denen ich den einen oder anderen sogar kannte. Die Langlauffamilie ist eben doch nicht so groß wie das Alpinlager. Im Zwieseler Skistadion trafen wir dann wieder einmal einen der Männer, die für unser gutes Vorankommen verantwortlich waren. Unseren Dank für die gute Spur nahm Loipenfahrer Otto Baumann erfreut zur Kenntnis und zeigte uns voller Stolz das neue Funktionsgebäude. Lange konnten wir uns dann aber nicht aufhalten, schließlich hatten wir noch einige Kilometer vor uns. Ab dem Stadion hieß es aber erstmal Ski tragen und zu Fuß durch die Stadt. Circa drei Kilometer und zwanzig Minuten später erreichten wir den Glasberglift, einen kleinen Alpinhang am Rande von Zwiesel, wo wir wieder in die Loipe einsteigen konnten. Vorbei ging es daraufhin an Bärnzell, dem Wohnort von DSV-Topsprinter Josef Wenzl, und über eine längere Steigung hinauf zum Taferlbaum, der seinen Namen aufgrund der vielen Hinweisschilder bekommen hat, die von ihm in jede Himmelsrichtung den Weg anzeigen. Hier endete das Zuständigkeitsgebiet der Zwiesler Loipenfahrer und wir standen urplötzlich in fünf Zentimeter frisch gefallenem Schnee. Die folgenden sieben Kilometer sollten aber Gott sei Dank der einzige, nicht frisch gespurte Streckenabschnitt während unserer Tour bleiben. Kurz vor Klingenbrunn war es geschafft und wir glitten in fester Loipe weiter in Richtung eines der kältesten Orte Deutschlands, dem Bahnhof des kleinen Dorfes. Viele Doppelstockschübe später standen wir dann urplötzlich im Kurpark von Spiegelau. Vom Ort selbst sahen wir jedoch nichts, da uns die Route in weitem Bogen um die Ansiedlung herumführte.
Nach Überqueren der Nationalparkstraße ließen wir Riedelhütte rechts liegen und mussten schließlich unterhalb von Reichenberg an einem Lifthäuschen das einzige Mal nach der Richtung fragen. Dass auch GPS-Tracks und Loipenkarten nicht immer 100-prozentig genau sind, macht wahrscheinlich den Reiz einer solchen Tour aus. Auf jeden Fall war es im weiteren Verlauf kein Problem, der Beschilderung zu folgen. Hinter Höhenbrunn machten wir schließlich Brotzeitpause. Brezen und Cola light neutralisierten den doch etwas süßen Geschmack der Energieriegel und versorgten uns mit neuer Energie. Nur wenige Kilometer weiter wurde uns wieder einmal bildhaft vor Augen geführt, dass „viele Wege nach Rom führen“. Zwei vollkommen entgegengesetzte Wegweiser zeigten die Route zum gleichen Ziel, dem Skistadion Rosenau. Wir wählten die Variante mit „steiler Abfahrt“ und schon ging es in Schussfahrt hinunter zu einem der vielen Wettkampforte entlang der Bayerwaldloipe, die ich von früher kenne. Dort lichtete sich der Wald und gab den Blick auf einen zugeschneiten Golfplatz frei, der uns ein Flachstück bescherte. Anspruchsvoller wurde es dann hinauf nach Neuschönau, das wir zu Fuß durchquerten, aber bereits kurz hinter der Kirche wieder auf einer Loipe verließen. Eigentlich hätten wir laut Plan um diese Zeit schon fast am Ziel sein sollen, was zumindest mich etwas mulmig stimmte. Auch die Kraft ließ langsam nach und das wellige Gelände saugte an den Energiereserven. Martin kannte die Gegend allerdings und beruhigte uns. Tatsächlich schien es so, dass am Horizont etwas höher gelegen bereits unser Ziel zu sehen war. Über Schönbrunn und Neuraimundsreut gelangten wir schließlich an den Fuß der Schlusssteigung. Das Tageslicht ließ langsam nach und wir legten noch mal einen Zahn zu, um nicht noch im Dunkeln durch den Wald irren zu müssen. In Stufen erkämpften wir uns die letzten Höhenmeter, die zweimal durch Flachstücke entlang von Trifftbächen unterbrochen wurden. Dann kam uns von links eine Straße entgegen, die ich als die Zufahrt nach Mauth identifizierte. Das Ziel war nah. Mit dem 18 Uhr Glockenschlag liefen wir in der kleinen Nationalparkgemeinde ein. 72 Kilometer, neun Stunden Laufzeit und 1.800 Höhenmeter hatten wir an diesem Tag absolviert. Im Gasthof Fuchs (www.fuchs-mauth.de) hatte man bereits die Sauna für uns vorgeheizt und mit einem leckeren Abendessen ließen wir den Tag ausklingen. Trotz Müdigkeit wollte ich jedoch nicht das Olympia-Verfolgungsrennen der Herren verpassen und so opferte ich einen Teil meiner Erholungszeit, um am Fernseher mit Tobi Angerer auf seinem Weg zu Silber mitzufiebern.