Den letzten Anstieg springe ich im Klaebo-Style hoch, oder zumindest in dem was ich dafür halte. Dann ist es fast geschafft, aber es liegen noch 200 Meter Schieben vor mir, auf denen ich noch einmal beißen muss.
Als Sportler braucht man Ziele und als Skilangläufer oder Biathlet liegen die Events oder Herausforderungen, auf die man hinarbeitet, meist im Winter. Mit dem Rennsteig Rollskilauf sollte sich das zukünftig ändern. Von Anfang an war ich in die Ideenfindung miteingebunden und deshalb war es natürlich Ehrensache, dass ich mich dieser „Prüfung“ auf Skirollern auch stellen würde. Das Besondere an diesem Rennen? Es wurde nicht nur in die zentrale Leistungskontrolle der deutschen Skilangläufer eingebunden, es war auch eine Eigenproduktion der Langlauf-Leistungssportabteilung des Deutschen Skiverbands. Der sportliche Leiter Andreas Schlütter fungierte dabei als OK-Chef und Damentrainer Erik Schneider als Rennleiter. Schneiders Ortskenntnissen dürfte es dann auch zu verdanken gewesen sein, dass der Start in Gräfenroda erfolgen sollte. Aber alles der Reihe nach …
Als ich meinen Teamkollegen des xc-ski.de A|N Skimarathon Teams von diesem neuen Rennen berichtete, fanden sich schnell vier Mitstreiter, so dass wir am Wettkampftag eine ganz ansehnliche Abordnung stellten. Während es in Oberhof bei einstelligen Temperaturen relativ frisch zuging, hätten mich wenige hundert Meter tiefer in Gräfenroda die zwölf Grad plus beinahe überrascht. So konnte das Warmlaufen etwas kürzer ausfallen und es blieb etwas mehr Zeit für Gespräche mit vielen bekannten Gesichtern. Das „Zusammenkommen der Szene“ sollte sowieso Schwerpunkt des gesamten Wochenendes im Thüringer Wald sein. Sich vor Beginn der neuen Saison treffen, unterhalten, den Eliteläufern zusehen und selbst sporteln, das hat sicher großes Potential für die nächsten Jahre.
Inzwischen mache ich mir etwas Sorgen. Es sind nur noch 15 Minuten bis zum Start und es ist immer noch möglich, von hinten die Startlinie zu sehen. Bei Skimarathons ist das Starterfeld zu diesem Zeitpunkt schon dicht gedrängt, aber heute nimmt es jeder wohl etwas lockerer. Fünf Minuten vor dem Schuss stehen dann allerdings 150 Teilnehmer bereit und es kann losgehen. Während vorne vom Start weg die Post abgeht, weil sich die deutsche und französische Langlaufelite natürlich nichts schenkt, bin ich im Mittelfeld eher darauf bedacht, dass meine Stöcke heil bleiben. Allerdings ist meine Sorge unbegründet. Es wird fair gelaufen und es kommt zumindest in meinem Umfeld zu keinerlei Stürzen oder Hakeleien.
150 Höhenmeter gilt es auf den ersten acht Kilometern in Richtung Gehlberg zu überwinden. Das ist zwar eigentlich nicht der Rede wert, aber es zieht sich dann doch. Ich versuche, alles in der Doppelstocktechnik zu laufen, was mir nur bedingt gelingt. Immer wieder ziehen Läufer und auch Läuferinnen an mir vorbei. Für kurze Zeit klemme ich mich in den Windschatten der Crosslaufsiegerin Lena Bächle, aber auch ihr kann ich nicht folgen. Nach 6,5 Kilometern kommt mir die Spitzengruppe entgegen. Die hat ganz schön Speed drauf und mir wird klar, dass ich schon einige Minuten Rückstand habe. Nach der Wende bei Kilometer acht folgt dann auch für mich eine kleine Erholungspause auf dem Weg zurück.
Bei Kilometer 10,7 geht es dann schließlich links ab ins Kehltal und hinauf in Richtung Oberhof. Es wird nun etwas steiler und in der Diagonaltechnik finde ich nun endlich in meinen Rhythmus. Zwei, drei Positionen kann ich hier gut machen. Ob ich die Anfeuerung vom Streckenrand „Das schaut gut aus!“ ernst nehmen soll, weiß ich nicht, aber zumindest gibt es mir einen kleinen Motivationsschub. Dann ist der Ortseingang von Oberhof erreicht und es stehen weitere Zuschauer am Streckenrand. Vor mir entdecke ich die zweite Verpflegungsstation. Die Erste war unten im Tal strategisch günstig platziert und auch die Zweite wartet direkt vor einer kurzen Abfahrt. Als ich näher komme, erkenne ich Ilona und Ellen, die beiden Physiotherapeutinnen des Langlauf-Weltcupteams, die Getränke reichen. Es dauert etwas, bis mir klar wird, dass die da für Jedermann stehen und nicht nur für die Elite. Ich lehne zwar dankend ab, weil ich meine eigene Flasche dabei habe, aber ein besonderes Erlebnis ist das für meine Mitstreiter sicherlich, einmal wie im Weltcup verpflegt zu werden.
Dann lasse ich Oberhof hinter mir und mache mich auf die letzten Kilometer in Richtung Grenzadler. Unzählige Male bin ich diesen Abschnitt schon mit dem Auto abgefahren, auf Skirollern dagegen erst einmal bei der Streckenbesichtigung am Tag zuvor. Vor mir entdecke ich weitere Teilnehmer und ich gebe noch einmal alles, um noch ein paar Plätze gut zu machen. Über den großen Parkplatz oberhalb des Biathlonstadions geht es schließlich auf die alte Rollerbahn am Grenzadler und der letzte Kilometer wird eingeläutet. Ich muss noch einmal Gas geben, um den gerade überholten Konkurrenten auf Distanz zu halten. Ich habe aber tatsächlich noch ein paar Körner übrig, um den letzten Anstieg „hochzuspringen“. Dann nähere ich mich der Ziellinie und überquere diese nach 21 Kilometern, etwas mehr als 530 Höhenmetern und einer Zeit von 1:31:50 Stunden.
Der Sieger, Adrien Backscheider aus Frankreich, war da sicherlich schon unter der Dusche. Er hatte das Ziel 30 Minuten vor mir erreicht. Auch ich bin schnell ins Quartier zurückgefahren. Es war dann doch etwas frisch auf knapp 900 Metern Höhe. Geduscht und umgezogen zurück im Zielbereich genehmige ich mir eine Thüringer Rostbratwurst und zwei Stück Kuchen, ehe ich mich auf den Heimweg mache. Mein Fazit fällt dabei so einfach wie auch zwingend aus: Nächstes Jahr auf jeden Fall wieder! Wir sehen uns zum 2. Rennsteig Rollskilauf!