Eines ist so sicher wie das Amen in der Kirche: Der Marcialonga findet statt! Seit 1991 musste das Rennen nicht mehr abgesagt werden. Ich habe mich im Val di Fiemme auf Spurensuche begeben und dabei noch die Alpe Cermis erklommen.
Mehr als 6.000 Teilnehmer gehen jedes Jahr beim Marcialonga an den Start und ein Großteil davon kommt aus dem Ausland insbesondere aus Skandinavien. Aber was macht dieses Rennen und die Region Val di Fiemme so besonders? Während der Tour de Ski habe ich mich vor Ort umgesehen und die Strecke unter die Ski genommen. Es ist Donnerstag, Ruhetag bei der Tour de Ski und somit Zeit für mich, ein paar Kilometer selbst zu laufen. Während auf dem Passo Lavazè tief winterliche Verhältnisse herrschen, liegt hier unten im Tal nur eine dünne Schicht Naturschnee. Aber die Organisatoren wissen sich seit einigen Jahren zu helfen. Schneekanonen produzieren das weiße Gold an kalten Tagen und Nächten, an denen der Niederschlag ausbleibt. Jetzt, Anfang Januar beginnen sie mit der Präparierung der Marcialonga-Loipe.
Nadia vom Tourismusbüro hat mir berichtet, wo bereits fertige Abschnitte zu finden sind. Als Erstes wurde das Teilstück vom WM-Stadion in Lago di Tesero bis Cascata fertiggestellt. Auf diesem werden am Sonntag auch die Tour de Ski Athleten ihre Abschlussetappe beginnen, ehe es den Schlussanstieg hinauf zur Mittelstation der Alpe Cermis geht. Ich selbst werde kurz davor das Jedermannrennen „Rampa con i campioni“ mitlaufen, aber dazu später mehr. Jetzt genieße ich erstmal das entspannte Klassik-Laufen auf der leicht fallenden Strecke in Richtung Cascata. Es geht durch Alleen, vorbei am Örtchen Masi, der Talstation der Alpe Cermis und dann durch ein längeres Waldstück bis zu dem Punkt, wo beim Marcialonga der berühmt-berüchtigte Schlussanstieg hinauf nach Cavalese wartet. Dort befindet sich auch eines der Schneedepots und die Helfer sind gerade mit schwerem Gerät im Einsatz, um den Abschnitt nach Molina und zurück fertigzustellen. Hier wird alles für die Durchführung dieses Großereignisses getan und der Marcialonga musste trotz so mancher Wetterkapriolen und Sturmschäden seit 1991 nicht mehr abgesagt werden. Das nötigt mir ganz schön Respekt ab! Langsam mache ich mich auf den Rückweg und treffe auf dem Weg zum Stadion noch so manchen Weltcup-Athleten beim lockeren Auslaufen.
Während für die Top-Athleten am Freitagnachmittag ein Massenstart auf dem Programm steht, nutzte ich das perfekte Winterwetter für eine weitere Erkundungstour. Heute verschlägt es mich nach Predazzo, dem Ort der Schanzen im Tal. Von hier aus kann man schon bis Ziano laufen, der Anschluss an das WM-Stadion dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen. Entlang des Flusses Avisio läuft es leicht fallend fast von selbst. Immer wieder ergeben sich herrliche Ausblicke auf die umliegenden Berggipfel der Dolomiten. Kurz vor dem Ortseingang von Ziano erwartet mich dann ein berühmter Torbogen mit dem Marcialonga-Schriftzug. Das Rennen ist hier einfach allgegenwärtig! Zurück in Predazzo begrüßt mein Fotograf Federico eine Langläuferin in mittlerem Alter und stellt sie mir vor. Die Bürgermeisterin des Ortes! Auch ein Zeichen dafür, welchen Stellenwert der Langlauf hier im Tal genießt.
Am Samstag beginnt dann meine finale Vorbereitung auf das kleine Highlight, das ich mir für meinen Kurzbesuch ausgesucht habe. Zum dritten Mal will ich beim Jedermann-Rennen „Rampa con i campioni“ die Schlussetappe der Tour de Ski und den über 400 Höhenmeter führenden Schlussanstieg zur Mittelstation der Alpe Cermis bezwingen. Das Teilnehmerlimit liegt bei 200 und meist werden die Startplätze knapp. Ich habe mich rechtzeitig angemeldet und hole mir am Tag vor dem Rennen meine Startnummer ab. Außerdem genieße ich als Zuschauer die Sprint-Wettbewerbe der Tour-Starter. Der Eintritt ins Stadion ist schließlich frei und die Stimmung toll.
Am Sonntagmorgen erwartet mich dann erneut Top-Wetter, als ich kurz vor 9:00 Uhr im Stadion ankomme. Es sind schon einige Hobbyläufer da und testen ihre Ski. Auch ich mache mich warm und stelle mich schließlich in den Startblock. Punkt 10:00 Uhr fällt der Startschuss und die Meute hetzt los. Da könnte man fast glauben, das Ziel befindet sich im Tal und nicht 400 Meter weiter oben. Nach einer kurzen Runde im Stadion biegen wir auf die Marcialonga-Loipe ein, der wir bis zur Talstation der Alpe Cermis folgen. Dann geht es ab auf die Skipiste, die heute für Alpinskifahrer gesperrt ist. Ziemlich schnell befinde ich mich im Tunnel und nehme kaum noch wahr, wer da so um mich herum läuft. Die steilsten Rampen haben bis zu 28 Prozent Steigung und ich muss in den „Trainerschritt“ wechseln. Dann ist es kurz nach dem Schild, das mir den letzten Kilometer anzeigt, geschafft und die Strecke wird etwas flacher. Obwohl ich schon am Limit bin, fighte ich noch gegen einen Konkurrenten um diesen einen Platz. Es geht hin und her, aber am Ende kann ich vor ihm die Ziellinie überqueren. Ich bin total kaputt, glücklich und stolz zugleich. Irgendwie faszinierend wie so viele Emotionen und Gefühle in ein relativ kurzes Rennen passen.
Auf dem Weg nach Hause muss ich an den Marcialonga denken. Er ist wieder einmal ausverkauft. Aber irgendwann schaffe ich es noch, dort einmal am Start zu stehen.