Vom Flughafen gelangt man mit dem Zug in circa einer Stunde nach Lahti, wo ich nach kurzem Fußmarsch direkt im Hotel einchecke. Für den nächsten Morgen habe ich mich wieder mit Hannes verabredet. Mit den Skiern in der Hand und dem Rucksack am Rücken spazieren wir in 15 Minuten von unserer Unterkunft im Zentrum zum Lahti Skistadion, das man mit seinen imposanten Skisprungschanzen und der großen Tribüne aus den Weltcup-Übertragungen kennt. Hier befinden sich Start und Ziel des Finlandia Hiihto, sowie Startnummernausgabe, Zielverpflegung und vieles mehr. Wir starten von hier auf die 20 Kilometer Runde, die uns schon mal einen Vorgeschmack auf die 33 Kilometer Schleife für die Langdistanz gibt. Am vierten Tag nach dem Tartu Maraton bin ich erholt und fühle mich wieder frisch. Ein gutes Zeichen!
Auch hier in Lahti will ich nicht nur langlaufen, sondern auch etwas Kultur erleben. Und so machen wir uns zu viert (inzwischen sind Gunnar Zlöbl von der Worldloppet Organisation und Anton Floor vom Veranstalter zu uns gestoßen) auf den Weg zu einem typischen Saunaabend mit Eisbaden. Direkt am Vesijärvi-See gelegen stehen drei unterschiedliche Saunen zur Verfügung, die wir natürlich alle austesten. Keine Chance habe ich, als ein Finne beginnt, genug Wasser für einen ganzen deutschen Saunatag auf den Ofen zu kippen. Da bin ich schnell wieder draußen im Freien. Das Eisbaden kostet mich etwas Überwindung, aber steigert die Durchblutung im Anschluss enorm. Zum Abschluss gibt es noch Pizza im angeschlossenen Restaurant.
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Am nächsten Morgen spüre ich dann schon noch etwas die Müdigkeit von unserem Saunaausflug. Das ist also definitiv nichts für den Abend vor dem Rennen! Während Gunnar und Hannes zum Eisfischen aufbrechen, habe ich mir einen Besuch der Sibelius-Halle vorgenommen. Begleitet werde ich von Tiina Kallio, der Marketing Chefin von Visit Lahti. Auf dem Weg dorthin schauen wir noch im Malva Museum für bildende Kunst vorbei. Obwohl ich mich eigentlich als Kunstbanause bezeichne, bin ich begeistert von den interessanten Installationen und Ausstellungsstücken. Besonders angetan haben es mir die Bilderserien der finnischen Wälder bei Nacht mit Lichtakzenten aus einer Drohne. Aber auch die historischen Möbelstücke der berühmten Firma Asko aus Lahti sind ein Hingucker. Dann geht es über einen idyllischen Fußweg entlang des Vesijärvi-Ufers hinüber zur Sibelius-Halle. Sie ist benannt nach dem berühmtesten Komponisten Finnlands, Jean Sibelius, und wurde vor 25 Jahren als Erweiterung an das Gebäude einer verlassenen Schreinerei errichtet. Ihre Holzkonstruktion ist wirklich atemberaubend und der Konzertsaal soll eine überragende Akustik bieten.
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Am Abend treffen wir uns alle wieder zur Startnummernabholung und zur Pasta-Party. Wer mag, kann hier auch seine Ski wachsen lassen und benötigtes Material einkaufen. Am Samstag gehen dann die Klassik-Rennen über die Bühne, die ich als Fotograf begleite. Hannes gewinnt das 20 Kilometer Rennen und ich selbst absolviere später noch ein paar Kilometer, um mich auf den nächsten Tag einzustimmen. Dabei begleite ich kurzzeitig den letzten Teilnehmer auf die zweite Runde. Er ist einer der wenigen Legenden, die alle 52 Austragungen des Finlandia Hiihto bestritten haben.
Dann ist der Renntag endlich da und wir sind nach einem extra für die Teilnehmer vorverlegten Frühstück fast schon zu früh im Stadion. Ganz entspannt lege ich meinen Trinkgurt an und verstaue alles Notwendige darin. 20 Minuten vor dem Start darf ich in meinen Block und auch hier herrscht absolute Gelassenheit. Ich halte mich mit Laufübungen warm und Punkt acht Uhr fällt der Startschuss. Über die Brücke aus dem Stadion hinaus staut es sich zwar ein wenig, aber schnell tun sich danach Lücken auf und ich kann mich nach vorne arbeiten, bis ich eine Gruppe finde, deren Tempo mir passt. Nach etwas mehr als einem Kilometer ist bereits die größte Steigung mit ihren 50 Höhenmetern bezwungen und von nun an geht es wellig dahin.
Mein Ski läuft sehr gut und ich muss mich immer wieder zurückhalten, um nicht zu überpacen. 66 Kilometer bin ich noch nie am Stück geskatet und schon gar nicht in einem Wettkampf gelaufen. Aber ich lasse mich immer wieder mit einer Gruppe mitreißen. Schnell ist Tapanila und dann auch Messilä erreicht. Hier bin ich schon während meiner Besuche beim Weltcup oft unterwegs gewesen. Ab Kilometer neun beginnt dann aber eher unbekanntes Terrain. Abwechslungsreich schlängelt sich hier die Strecke durch dichten Wald, der aber immer wieder den Blick auf tiefere Lagen freigibt. Kurze Abfahrten wechseln sich mit Kurven und kurzen Anstiegen ab. An der Verpflegungsstelle in Hälvälä wendet die Strecke schließlich zurück in Richtung Lahti.
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Zwischen Kilometer 25 und dem Rundendurchlauf bei Kilometer 33 übernehme ich immer mal wieder die Führungsarbeit. Ich fühle mich noch immer gut, bis auf der Geraden hin zum Schanzenturm auf einmal zwei Läufer unserer Gruppe an mir vorbeiziehen. Mit einem kurzen „Kiitos“ (Danke!) glauben sie mich entschädigen zu können und ziehen davon. Langsam merke ich, dass ich wohl etwas zu viel investiert habe und ab Kilometer 40 beginnt dann der Kampf um jeden Meter. Insbesondere nachdem ich mir den Stock beim Trinken gegen die Lippe gerammt habe und etwas Blut schmecke, nehme ich Tempo raus. Aber ich bleibe zumindest von Krämpfen verschont und kann mit brauchbarer Geschwindigkeit weiterlaufen. Ab jetzt bin ich öfter allein unterwegs, genieße aber auch so weit das möglich ist Sonne, Schnee und das Skilanglaufen.
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1,5 Kilometer vor dem Ziel holt mich dann schließlich ein Konkurrent ein, der taktisch noch einen Platz gut machen will. Eingangs der Abfahrt zu den berühmten Tunneln lässt er mir den Vortritt, nur um am Ende des letzten Anstiegs an mir vorbeizuspringen. Er reißt eine Lücke und ich muss mich auf meinen Ski verlassen, um sie in der letzten Abfahrt mit der traditionellen Spitzkehre noch schließen zu können. Das gelingt mir nicht ganz und ich muss viel investieren, um seine Skienden in der letzten Kurve zu erreichen. Dann nimmt er allerdings die Innenbahn und beschleunigt unerwartet. Ich muss mich geschlagen geben. Im Ziel bin ich erstmal froh, es geschafft zu haben. Als Hannes mir später meine Platzierung mitteilt, kann ich es kaum glauben! Platz 134 unter den knapp 1.000 Teilnehmern auf der Langdistanz. Das hätte ich nicht erwartet!
Es folgt das gewohnte Zielprozedere: Umziehen, Zielverpflegung, Stempel abholen und Fachsimpeln über das Rennen. Dann geht es zurück ins Hotel und nach einer kurzen Pause zur Belohnung noch in den Burger-Laden um die Ecke. Erst am nächsten Tag wartet die Rückreise nach Hause und die Verarbeitung der vielen gesammelten Eindrücke. Was für eine Reise, was für ein Erlebnis!