Worldloppet Kombi: Vom Tartu Maraton zum Finlandia Hiihto - xc-ski.de Langlauf

Worldloppet Kombi: Vom Tartu Maraton zum Finlandia Hiihto

Start zum Finlandia Hiihto © Felgenhauer/xc-ski.de

Was treibt mich an, immer wieder in die Welt aufzubrechen, um bei Skimarathons rund um den Globus an den Start zu gehen? Es ist eine ganz besondere Kombination aus verschiedenen Aspekten, die ich auch bei meinem jüngsten „Abenteuer“ wieder erleben durfte.

Am elften Tag meiner Reise sitze ich gerade am Flughafen Helsinki und blicke vor dem Heimflug zurück auf den Tartu Maraton in Estland und den Finlandia Hiihto in Finnland, zwei außergewöhnliche Rennen, die sich perfekt kombinieren lassen. Aber fangen wir ganz von vorne an! Es ist nicht meine erste Reise nach Estland und in Finnland war ich auch schon mehrmals. Aus Sicht des Weltcup-Berichterstatters sind mir diese Länder also nicht fremd. Ein Rennen beziehungsweise einen Skimarathon habe ich hier allerdings noch nicht bestritten. Und so kommt mir die Möglichkeit sehr gelegen, die beiden Worldloppet Rennen miteinander zu kombinieren und mir zwei Stempel innerhalb von acht Tagen zu sichern.

Los geht’s von Deutschland aus mit dem Flieger nach Tallinn und von dort für gerade mal 15 Euro mit dem Linienbus nach Tartu. Das nenne ich mal Anreiz zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel. Davon könnte sich so manches mitteleuropäische Land eine Scheibe abschneiden. Leider hat der unstete Winter auch vor dem hohen Norden nicht Halt gemacht und der Tartu Maraton kann nicht auf seiner Originalstrecke ausgetragen werden. Davon lassen sich die Veranstalter aber nicht verunsichern und kommunizieren früh und transparent, dass auf einer Ausweichstrecke in Alutaguse gelaufen wird. Mit einem Kraftakt sondergleichen wird das 3.000 Teilnehmer Event 130 Kilometer nach Nordosten verlegt. Auch das ist etwas, was in unseren Breiten schier unmöglich erscheint. In Estland macht man es einfach.

Startnummernausgabe beim Tartu Maraton © Felgenhauer/xc-ski.de

Und so starte ich zusammen mit dem Österreicher Hannes Seebacher, der einen ähnlichen Reiseplan wie ich ausgearbeitet hat, am nächsten Morgen, um die Strecke in Augenschein zu nehmen. Alutaguse ist ein Trainingszentrum, das im Sommer von der Rollski-Runde bis zu Sportplätzen alles zu bieten hat, was man sich als Sportler wünscht. Im Winter werden hier, nur 15 Kilometer vom Ufer der Ostsee entfernt, Loipen gespurt. Für den Tartu Maraton wurde eine 20 Kilometer Runde präpariert, die sich idyllisch durch den Wald schlängelt. Große Höhenunterschiede gibt es nicht, ideal also für Hobbyläufer und Worldloppet-Enthusiasten. Mit der Startnummer im Gepäck geht es dann für uns beide wieder zurück nach Tartu und in die direkte Wettkampfvorbereitung für den nächsten Tag.

Unterwegs beim Tartu Maraton © Theodor Merilai/sportfoto.com

Der beginnt dann trotz der 1:30 Stunden langen Anreise relativ entspannt. Wir sind mit dem Mietwagen unterwegs, aber es werden auch von allen wichtigen Orten aus Shuttle-Busse eingesetzt. 1:15 Stunden vor dem Start ist die Parkplatzsituation absolut entspannt und wer später kommt, kann direkt auf Ski in einen Loipenzubringer einsteigen. Aufgrund der etwas beengten Verhältnisse hier auf der Ausweichstrecke wird in Wellen gestartet und es zählt die Netto-Zeit nach Überqueren der Startlinie. So ist es nur auf den ersten Kilometern etwas zäh, das Feld zieht sich aber schnell auseinander. Nach der ersten Verpflegungsstation bei Kilometer sieben wird es sogar kurz mal einspurig, was aber zu keinerlei Problemen führt und von allen Läuferinnen und Läufern diszipliniert hingenommen wird. Während die Elite Doppelstock schiebt, bin ich auf Fellski unterwegs und kann an den kleinen Hügeln immer mal wieder ins Diagonallaufen wechseln. Insbesondere auf den letzten Kilometern jeder Runde hilft mir das enorm und entlastet meine Arme.

Die zahlreichen Richtungswechsel und das abwechselnde Gelände lassen die 40 Kilometer wie im Flug vergehen und nach knapp 2:37 Stunden habe ich es als 331. geschafft. Etwas außer Puste stehe ich im Zielbereich und schaue mich um. Da kommt auf einmal Hendrik, ein treuer xc-ski.de Leser auf mich zu. Wir tauschen uns über unsere Rennen aus und treffen uns später frisch geduscht bei der Zielverpflegung wieder. Hannes ist als 19. schon deutlich länger im Ziel und auch Klaus aus Thüringen gesellt sich zu uns. Die Welt ist klein für Worldloppet-Teilnehmer!

Olympisches Museum in Tartu © Felgenhauer/xc-ski.de

Die Rennteilnahme ist das eine, aber das Reisen an sich ein weiterer wichtiger Aspekt als Worldloppet-Läufer. Und so absolviere ich noch ein kleines Kulturprogramm vor meiner Weiterreise nach Finnland. In Tartu schließe ich mich einer amerikanischen Reisegruppe an und besuche das Olympische Museum der Stadt. Das ist echt eine Empfehlung auch für internationale Gäste und unser Guide hat einige Anekdoten zu erzählen. Die estnischen Skilangläufer sind dort natürlich vertreten, es ist aber auch dem dunklen Kapitel Doping sowie dem Skandal im Skilanglauf ein kleiner Bereich gewidmet. Den nächsten Tag nutze ich für einen Besuch bei Keidi und Epp, den beiden wichtigsten Personen der Worldloppet Organisation. Sie haben ihr Büro in Tartu, wir philosophieren über die Zukunft des Skimarathons und ich lasse mir die Stempel in meinem Worldloppet Pass nachtragen, die ich vor Ort immer vergessen habe, eintragen zu lassen.
Schließlich heißt es Abschied nehmen von Estland und ich fahre am sechsten Tag zurück nach Tallinn. Dort begebe ich mich in der Altstadt des mittelalterlichen Hanse-Stützpunkts auf Sightseeing und gönne mir in der „Olde Hansa“ ein leckeres mittelalterliches Mahl. Dann geht auch schon mein Flieger und ich „springe“ in 35 Minuten über die Ostsee nach Helsinki.

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Vom Flughafen gelangt man mit dem Zug in circa einer Stunde nach Lahti, wo ich nach kurzem Fußmarsch direkt im Hotel einchecke. Für den nächsten Morgen habe ich mich wieder mit Hannes verabredet. Mit den Skiern in der Hand und dem Rucksack am Rücken spazieren wir in 15 Minuten von unserer Unterkunft im Zentrum zum Lahti Skistadion, das man mit seinen imposanten Skisprungschanzen und der großen Tribüne aus den Weltcup-Übertragungen kennt. Hier befinden sich Start und Ziel des Finlandia Hiihto, sowie Startnummernausgabe, Zielverpflegung und vieles mehr. Wir starten von hier auf die 20 Kilometer Runde, die uns schon mal einen Vorgeschmack auf die 33 Kilometer Schleife für die Langdistanz gibt. Am vierten Tag nach dem Tartu Maraton bin ich erholt und fühle mich wieder frisch. Ein gutes Zeichen!

Auch hier in Lahti will ich nicht nur langlaufen, sondern auch etwas Kultur erleben. Und so machen wir uns zu viert (inzwischen sind Gunnar Zlöbl von der Worldloppet Organisation und Anton Floor vom Veranstalter zu uns gestoßen) auf den Weg zu einem typischen Saunaabend mit Eisbaden. Direkt am Vesijärvi-See gelegen stehen drei unterschiedliche Saunen zur Verfügung, die wir natürlich alle austesten. Keine Chance habe ich, als ein Finne beginnt, genug Wasser für einen ganzen deutschen Saunatag auf den Ofen zu kippen. Da bin ich schnell wieder draußen im Freien. Das Eisbaden kostet mich etwas Überwindung, aber steigert die Durchblutung im Anschluss enorm. Zum Abschluss gibt es noch Pizza im angeschlossenen Restaurant.

Sibelius Halle in Lahti © Felgenhauer/xc-ski.de

Am nächsten Morgen spüre ich dann schon noch etwas die Müdigkeit von unserem Saunaausflug. Das ist also definitiv nichts für den Abend vor dem Rennen! Während Gunnar und Hannes zum Eisfischen aufbrechen, habe ich mir einen Besuch der Sibelius-Halle vorgenommen. Begleitet werde ich von Tiina Kallio, der Marketing Chefin von Visit Lahti. Auf dem Weg dorthin schauen wir noch im Malva Museum für bildende Kunst vorbei. Obwohl ich mich eigentlich als Kunstbanause bezeichne, bin ich begeistert von den interessanten Installationen und Ausstellungsstücken. Besonders angetan haben es mir die Bilderserien der finnischen Wälder bei Nacht mit Lichtakzenten aus einer Drohne. Aber auch die historischen Möbelstücke der berühmten Firma Asko aus Lahti sind ein Hingucker. Dann geht es über einen idyllischen Fußweg entlang des Vesijärvi-Ufers hinüber zur Sibelius-Halle. Sie ist benannt nach dem berühmtesten Komponisten Finnlands, Jean Sibelius, und wurde vor 25 Jahren als Erweiterung an das Gebäude einer verlassenen Schreinerei errichtet. Ihre Holzkonstruktion ist wirklich atemberaubend und der Konzertsaal soll eine überragende Akustik bieten.

Pasta Party beim Finlandia Hiihto © Felgenhauer/xc-ski.de

Am Abend treffen wir uns alle wieder zur Startnummernabholung und zur Pasta-Party. Wer mag, kann hier auch seine Ski wachsen lassen und benötigtes Material einkaufen. Am Samstag gehen dann die Klassik-Rennen über die Bühne, die ich als Fotograf begleite. Hannes gewinnt das 20 Kilometer Rennen und ich selbst absolviere später noch ein paar Kilometer, um mich auf den nächsten Tag einzustimmen. Dabei begleite ich kurzzeitig den letzten Teilnehmer auf die zweite Runde. Er ist einer der wenigen Legenden, die alle 52 Austragungen des Finlandia Hiihto bestritten haben.

Dann ist der Renntag endlich da und wir sind nach einem extra für die Teilnehmer vorverlegten Frühstück fast schon zu früh im Stadion. Ganz entspannt lege ich meinen Trinkgurt an und verstaue alles Notwendige darin. 20 Minuten vor dem Start darf ich in meinen Block und auch hier herrscht absolute Gelassenheit. Ich halte mich mit Laufübungen warm und Punkt acht Uhr fällt der Startschuss. Über die Brücke aus dem Stadion hinaus staut es sich zwar ein wenig, aber schnell tun sich danach Lücken auf und ich kann mich nach vorne arbeiten, bis ich eine Gruppe finde, deren Tempo mir passt. Nach etwas mehr als einem Kilometer ist bereits die größte Steigung mit ihren 50 Höhenmetern bezwungen und von nun an geht es wellig dahin.

Mein Ski läuft sehr gut und ich muss mich immer wieder zurückhalten, um nicht zu überpacen. 66 Kilometer bin ich noch nie am Stück geskatet und schon gar nicht in einem Wettkampf gelaufen. Aber ich lasse mich immer wieder mit einer Gruppe mitreißen. Schnell ist Tapanila und dann auch Messilä erreicht. Hier bin ich schon während meiner Besuche beim Weltcup oft unterwegs gewesen. Ab Kilometer neun beginnt dann aber eher unbekanntes Terrain. Abwechslungsreich schlängelt sich hier die Strecke durch dichten Wald, der aber immer wieder den Blick auf tiefere Lagen freigibt. Kurze Abfahrten wechseln sich mit Kurven und kurzen Anstiegen ab. An der Verpflegungsstelle in Hälvälä wendet die Strecke schließlich zurück in Richtung Lahti.

Unterwegs beim Finlandia Hiihto © Gunnar Zlöbl/xc-ski.de

Zwischen Kilometer 25 und dem Rundendurchlauf bei Kilometer 33 übernehme ich immer mal wieder die Führungsarbeit. Ich fühle mich noch immer gut, bis auf der Geraden hin zum Schanzenturm auf einmal zwei Läufer unserer Gruppe an mir vorbeiziehen. Mit einem kurzen „Kiitos“ (Danke!) glauben sie mich entschädigen zu können und ziehen davon. Langsam merke ich, dass ich wohl etwas zu viel investiert habe und ab Kilometer 40 beginnt dann der Kampf um jeden Meter. Insbesondere nachdem ich mir den Stock beim Trinken gegen die Lippe gerammt habe und etwas Blut schmecke, nehme ich Tempo raus. Aber ich bleibe zumindest von Krämpfen verschont und kann mit brauchbarer Geschwindigkeit weiterlaufen. Ab jetzt bin ich öfter allein unterwegs, genieße aber auch so weit das möglich ist Sonne, Schnee und das Skilanglaufen.

Finlandia Hiihto © Gunnar Zlöbl/xc-ski.de

1,5 Kilometer vor dem Ziel holt mich dann schließlich ein Konkurrent ein, der taktisch noch einen Platz gut machen will. Eingangs der Abfahrt zu den berühmten Tunneln lässt er mir den Vortritt, nur um am Ende des letzten Anstiegs an mir vorbeizuspringen. Er reißt eine Lücke und ich muss mich auf meinen Ski verlassen, um sie in der letzten Abfahrt mit der traditionellen Spitzkehre noch schließen zu können. Das gelingt mir nicht ganz und ich muss viel investieren, um seine Skienden in der letzten Kurve zu erreichen. Dann nimmt er allerdings die Innenbahn und beschleunigt unerwartet. Ich muss mich geschlagen geben. Im Ziel bin ich erstmal froh, es geschafft zu haben. Als Hannes mir später meine Platzierung mitteilt, kann ich es kaum glauben! Platz 134 unter den knapp 1.000 Teilnehmern auf der Langdistanz. Das hätte ich nicht erwartet!

Es folgt das gewohnte Zielprozedere: Umziehen, Zielverpflegung, Stempel abholen und Fachsimpeln über das Rennen. Dann geht es zurück ins Hotel und nach einer kurzen Pause zur Belohnung noch in den Burger-Laden um die Ecke. Erst am nächsten Tag wartet die Rückreise nach Hause und die Verarbeitung der vielen gesammelten Eindrücke. Was für eine Reise, was für ein Erlebnis!

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