Biathlon Weltcup: Tarjei Boe feiert Sprintsieg in Antholz und verkündet Karriereende

Sturla Holm Laegreid (NOR), Johannes Thingnes Boe (NOR), Tarjei Boe (NOR), Endre Stroemsheim (NOR), (l-r) © Manzoni/NordicFocus

Tarjei Boe gewinnt den Sprint beim Biathlon Weltcup in Antholz und gibt zeitgleich bekannt, dass auch für ihn nach dieser Saison Schluss ist. J. T. Boe verliert das rote Trikot an seinen Bruder. Sturla Holm Laegreid wird Zweiter und der Lokalfavorit Tommaso Giacomel sichert sich mit beeindruckender Laufform die Bronzemedaille. Nach schwacher Schießleistung der DSV-Herren wird Philipp Horn Bester auf Rang elf. 

J. T. Boe in gelb-rot der große Favorit

Johannes Thingnes Boe (NOR) © Manzoni/NordicFocus

Im Sprint über 10 km gingen heute erstmals die Herren in Antholz an den Start. Als im Januar 2023 zuletzt ein Biathlon Weltcup in der Südtirol Arena ausgetragen wurde feierte Johannes Thingnes Boe einen Doppelerfolg in Sprint und Verfolgung und auch mit der Herrenstaffel stand er am Ende ganz oben. Dieses Jahr kommt der Norweger, nachdem er während des Weltcups in Ruhpolding sein Karriereende bekannt machte, ein letztes Mal nach Antholz und ist als Gesamtweltcupführender und als Führender in der Sprintwertung natürlich der große Favorit.

Tarjei Boe siegt knapp vor Sturla Holm Laegreid

Sturla Holm Laegreid (NOR), Tarjei Boe (NOR), Tommaso Giacomel (ITA), (l-r) © Thibaut/NordicFocus

Der Norweger Tarjei Boe blieb in beiden Schießeinlagen fehlerfrei und sicherte sich dadurch den Sieg im Sprint der Herren in Antholz. Sturla Holm Laegreid kam in Führung liegend zum entscheidenden Anschlag, brachte den letzten Schuss nicht ins Ziel und machte sich mit einem Rückstand von 0,6 Sekunden auf Tarjei Boe auf die Schlussrunde. Am Ende überquerte Laegreid die Ziellinie 0,4 Sekunden hinter Tarjei Boe auf dem zweiten Platz. Der Italiener Tommaso Giacomel wurde Dritter. Obwohl er bei jeder Schießeinlage eine Strafrunde kassierte, kam er mit der schnellsten Schlussrunde und auch mit der schnellsten Gesamtlaufzeit mit nur 2,4 Sekunden Rückstand auf den Sieger auf dem Bronzerang ins Ziel. Mit Martin Uldal (0:1, + 20,5 Sek.) platzierte sich ein weiterer Norweger auf Rang vier vor dem Ukrainer Dmytro Pidruchnyi (0:1, + 22 Sek.). Jakov Fak aus Slowenien komplettierte das Feld der sechs Besten. Mit zehn Treffern kam er mit einem Rückstand von 26,8 Sekunden ins Ziel. Insofern darf man sich bei den minimalen Zeitabständen auf eine spannende Verfolgung freuen. Johannes Thingnes Boe war wie Giacomel mit zwei Strafrunden belastet, lief in der ersten Runde schnellste Zeit und war auch in der zweiten läuferisch vorne dabei. Als er in die Schlussrunde einbog fehlten ihm knapp 14 Sekunden auf das Podest, aber ein Laufrückstand von 28,9 Sekunden auf den Italiener Giacomel, der schnellste Schlussrunde lief, ließ am Ende nur Rang neun (+35,7 Sek.) zu. 

Auch Tarjei Boe macht Schluss

Tarjei Boe (NOR) © Thibaut/NordicFocus

Am Rande des Siegerinterviews beim norwegischen Fernsehen war zu beobachten, dass Tarjei Boe sehr emotional wirkte und sich immer wieder Tränen aus dem Gesicht wischte. Als er zum ZDF kam wurde der Grund schnell klar. Tarjei Boe hatte, wie schon zuvor sein Bruder in Ruhpolding, mitgeteilt, dass er zum Saisonende Schluss macht. Es war sein Plan, wenn er den nächsten Sieg in dieser Saison erreicht, dass er das Karriereende bekannt geben will. „Es ist mein erster Sieg in Antholz, meine Frau ist hier, ein schöner Tag und ich dachte, das ist der perfekte Tag für das.“ Tarjei Boe feierte mit dem Sprinterfolg seinen 15. Weltcupsieg, den zweiten in dieser Saison. „Mein Körper fühlt, dass es jetzt genug ist. Ich will die letzte Saison auf hohem Niveau laufen.“ Eigentlich war die Entscheidung schon vor zwei Monaten in ihm gereift zusammen mit seinem Bruder aufzuhören, aber Johannes Thingnes Boe ist mit der Bekanntgabe seines Karriereendes vorgeprescht. „Es ist schön, dass wir die letzten Rennen und die WM mit einem Smile laufen können. Jetzt bin ich erleichtert und kann den Rest der Saison genießen.“ Auch die Flowerceremonie vor der großen Tribüne in Antholz war sehr tränenreich, als auch Laegreid und Giacomel sich ihren Emotionen nicht erwehren konnten.  

Simon Kaiser und David Zobel zurück im Weltcupteam.

David Zobel (GER) © Manzoni/NordicFocus

Leichte Irritationen gab es im Starterfeld um das deutsche Team. Erst war Roman Rees aufgeboten, der angeschlagen nicht starten konnte und sich stattdessen in Ridnaun auf die EM vorbereitet. Für ihn kam Simon Kaiser zurück zum Nationalteam. Danach ergab sich, dass auch Danilo Riethmüller auf ärztlichen Rat in Antholz nicht laufen wird. Es ging um die Vermeidung der Gefahr einer Überbelastung. „Er hat diverse Untersuchungen gemacht die letzten Tage und hier haben uns einige Werte dahingehend Kopfschmerzen bereitet, dass es ein nicht zu unterschätzendes Risiko wäre, ihn hier auf der Höhe starten zu lassen. Deshalb wird Riethmüller zur Fortsetzung eines angepassten Trainings nach Ridnaun gehen und im Gegenzug wird aus Ridnaun von der EM-Vorbereitung David Zobel nach seinem Einsatz in Ruhpolding wieder zur Weltcupmannschaft stoßen,“ so Felix Bitterling, Sportdirektor Biathlon beim Deutschen Skiverband. 

Mentales Problem – Angst vor der Situation?

Felix Bitterling (GER) © Manzoni/NordicFocus

Dass keinem der deutschen Biathleten in den insgesamt zwölf zu absolvierenden Schießeinlagen ein Nuller gelang ist bezeichnend für das derzeit unter den Deutschen herrschende Schießniveau. Dass sie alle es können, haben sie bereits mehrmals bewiesen, aber zurzeit scheint der Erfolgsdruck das Können lahm zu legen. „Ich weiß was die Jungs können. Wir brauchen nicht darüber zu diskutieren. Viel zu viele Fehler setzen uns von Anfang an viel zu sehr unter Druck am Schießstand,“ so Felix Bitterling. „Zwei in den Top-15 das ist solide, zufrieden bin ich trotzdem nicht. Aus meiner Sicht geht es nur über Gespräche, durchaus abzuklopfen, ob jemand Angst hat vor dieser Situation. Aber wir müssen uns diesem Thema stellen. Wir müssen dieses Thema Schießen in den Griff kriegen. Ich stecke nicht im Kopf des einzelnen Athleten, wenn er in den Schießstand läuft, ich glaube zumindest nicht, dass es ganz angstfrei ist. Wir müssen so gut es geht Hilfestellung geben, aber am Ende muss der Athlet diesen letzten Schritt selbst gehen,“ sagt Felix Bitterling klar und deutlich. 

Philipp Horn bester Deutscher

Philipp Horn (GER) © Manzoni/NordicFocus

Philipp Horn bekam zum Biathlon Weltcup in Ruhpolding eine Pause verordnet. Er sollte zu Hause am Stützpunkt an seinem Schießen arbeiten. Mit insgesamt zwei Strafrunden wurde er mit einem Rückstand von 39,3 Sekunden auf den Sieger auf Rang elf bester Deutscher. „Mit der Platzierung bin ich durchaus zufrieden, es ist so viel mehr drin gewesen,“ so Horn im ZDF-Interview. Horn ging das Rennen etwas verhalten an, steigerte sich läuferisch in der zweiten und dritten Runde und hatte schließlich die viertbeste Gesamtlaufzeit. „Laufen war überragend, da bin ich selber in der Lage da vorne rein zu laufen, wenn ich am Schießstand treffe. Es war mindestens einer zu viel. Es war ein absoluter Schießfehler. Es war einfach nur schlechte Arbeit und stehend habe ich den Fokus verloren, da war ich mit dem Kopf schon wieder auf der Strecke.“ Philipp Nawrath kam mit demselben Schießergebnis und einem Rückstand von 52 Sekunden auf Rang 15 ins Ziel. Auch Nawrath bestätigte, dass für ihn heute mehr drin gewesen wäre. „Natürlich möchte ich weiter vorne angreifen. Man will unbedingt seine Bestleistung abrufen und den Fans was bieten, aber warum wir das nicht hinkriegen – es war wahrscheinlich wieder eine Konzentrationsschwäche,“ so auch ein enttäuschter Nawrath nach dem Rennen. Sowohl Horn als auch Nawrath haben sich dadurch eine solide Ausgangsposition für die Verfolgung geschaffen. Allerdings wird im Jagdrennen vier Mal geschossen. Insofern liegt es an den Athleten, aber auch an der Hilfe aus ihrem Umfeld sich bis Sonntag von dem Debakel zu erholen.

„Ärgerlich, wenn die Verfolgung dran hängt“

Johannes Kuehn (GER) © Thibaut/NordicFocus

Johannes Kühn (1:2) erreichte Rang 40 und resümierte nach dem Rennen, dass er es wieder einmal nicht geschafft hat im Sprint gut zu schießen. „Ärgerlich, wenn die Verfolgung dran hängt.“ Ob es daran liegen könnte, dass der Fokus im Team auf ein schnelleres Schießen gerichtet sei, meinte er: „Ich schieße nicht besonders schnell, aber es läuft halt insgesamt nicht so reibungslos. Wenn man insgesamt das Gefühl hat, es läuft nicht so gut, hat man mehr Druck als sonst und es stimmt schon, dass wir uns schwerer tun als im letzten Jahr.“ Justus Strelow erreichte nach drei Strafrunden Rang 49 und wird mit einem Rückstand von 1:53,9 Min. in die Verfolgung gehen. „Das Schießen war nicht das Gelbe vom Ei. Liegend gleich der erste Schuss weg, stehend die waren relativ knapp, da war ich mit dem Finger zu langsam. Da habe ich gemerkt, dass der Kopf noch auf der Strecke war. Da merkt man die Höhe, das war enttäuschend.“ Daneben hat sich auch David Zobel auf Rang 54 (1:1) für die Verfolgung qualifiziert. „Ich bin heute hier ins Stadion gekommen: volles Stadion, überragende Kulisse und habe mir gedacht, heute hier zu laufen ist ein Privileg.“ Läuferisch ist Zobel derzeit nicht auf seinem Niveau. Zobel hätte mit einem guten Ergebnis möglicherweise auf den deutschen WM-Zug aufspringen können. „Wenn wir ehrlich sind, ist meine Laufleistung nicht genug um WM-reif zu sein. Es ist mir heute nicht geglückt, wie ich es mir vorgenommen habe.“ Simon Kaiser verfehlte liegend zwei und im stehenden Anschlag vier Scheiben. Nach insgesamt sechs Strafrunden hat er als 71. die Verfolgung verpasst. Das gleiche Schicksal ereilte die drei Schweizer Sebastian Stalder, Jeremy Finello und Dajan Danuser. Joscha Burkhalter geht von Rang 14 aus in die Verfolgung und Niklas Hartweg als 17. 

 Alle Österreicher unter den besten 60

David Komatz (AUT) © Manzoni/NordicFocus

Alle fünf im Sprint gestarteten Österreicher konnten sich für die Verfolgung qualifizieren. Am Schießstand fielen die meisten Scheiben, aber läuferisch reichte es nicht ganz nach vorne, obwohl sich David Komatz mit einer überzeugenden Schlussrunde auf Rang 18 (1:0) als bester seines Teams mit einem Rückstand von 1:01 Minuten platzierte. Simon Eder verfehlte stehend eine Scheibe und wurde 22. Patrick Jakob kam nach einem Fehler auf Rang 41 nur 0,1 Sekunden vor Felix Leitner auf Platz 42 (0:1). Fabian Müllauer brachte im Stehendanschlag zwei Patronen nicht ins Ziel und überquerte die Ziellinie auf Rang 45. 

Ergebnis

Das weitere Wettkampfprogramm in Antholz 

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