Endlich bekommen Jessie Diggins und ihre Teamkollegen ihren Heimweltcup in Minneapolis, nachdem der Weltcup 2020 wegen der beginnenden Corona Pandemie kurzfristig ausfallen musste. Zum ersten Mal seit 2001 in Soldier Hollow kehrt der Langlauf Weltcup auf amerikanischen Boden zurück und für Diggins ist es ein wirkliches Heimspiel…
Langlauf Weltcup in den Twin Cities
Etwa 2000 Kilometer und eine Zeitzone liegen zwischen Canmore in den kanadischen Rockies und dem nächsten Weltcuport Minneapolis im Mittleren Westen der USA. Jessie Diggins stammt aus Afton, Minnesota, einem Vorort der Twin Cities Minneapolis und Saint Paul, der selbst knapp 3000 Einwohner hat. Das westlich gelegene Minneapolis hat etwa 430.000 Einwohner, das östliche Saint Paul etwa 310.000 und in der Metropolregion beider Städte sind etwa 3,6 Millionen Menschen zu Hause. Die Regionen um das heutige Minneapolis im Mittleren Westen der USA gehörten zu den Siedlungsgebieten der Dakota-Indianer. Seit Ende des 17. Jahrhunderts beanspruchten zunehmend europäische Siedler die Region am Mississippi für sich. 200 Jahre später wurde Minneapolis zur Stadt und mit dem Bau der Eisenbahnlinie nach Chicago vergrößerte sich die Einwohnerzahl ab Ende des 19. Jahrhunderts rasant, was auch am Bau der Getreidemühlen an den Saint-Anthony-Fällen zusammenhing, durch die die Stadt einer der wichtigsten Mehlproduzenten der Vereinigten Staaten wurde. In den 1950er Jahren hatte Minneapolis mit mehr als einer halben Million Einwohnern die höchste Einwohnerzahl ihrer Geschichte. Zu dieser Zeit wurde mit der Erneuerung der Stadtmitte begonnen und dabei über 200 neue Gebäude erbaut sowie zahlreiche alte, zum Teil auch historisch wertvolle Bauwerke, abgerissen wie auch das 1890 erbaute Metropolitan Building, eines der ersten und bedeutendsten Hochhäuser der Stadt. In der jüngeren Vergangenheit war Minneapolis wegen der Tötung des Afroamerikaners George Floyd im Mai 2020 und den anschließenden Protesten weltweit in den Medien.
Weltcup Rennen 50 Kilometer von Diggins‘ Heimat
Jessies Heimat Afton ist bekannt für die Afton Alps, das größte Ski- und Snowboard Gebiet der Metropolregion, die aber nur auf einer Meereshöhe von maximal 210 Meter liegen. Der Weltcup findet aber nicht dort statt, wo die 32-Jährige das Skilaufen lernte, sondern ziemlich genau 50 Kilometer westlich davon mitten im Stadtzentrum von Minneapolis, im Theodore Wirth Park. In seiner ursprünglichen Größe existiert der Park seit dem Jahr 1889 und beansprucht heute eine Fläche von etwas mehr als drei Quadratkilometer, was fast der Größe des New York Central Parks entspricht. Namensgeber Theodore Wirth war von 1906 bis 1936 als Superintendent hauptverantwortlich für die Parks in Minneapolis. Im Park gibt es zwei Golfplätze, den Wirth Lake, einen Birkenweiher und den Basset Creek sowie Skilanglauf- und Mountainbike Strecken, Wandermöglichkeiten, Rodelhügel, Schießstand und vieles andere. Der Park liegt auf einer Höhe von 250 bis 280 Meter über dem Meer. Minneapolis liegt in der Zeitzone UTC-6 und hat damit eine Zeitverschiebung von sieben Stunden zur mitteleuropäischen Winterzeit.
Zwei Renntage mit Sprint und Distanz
In Minneapolis sind zwei Wettkampftage angesetzt. Los geht es am Samstag mit einem Freistilsprint, am Sonntag werden Einzelstarts über zehn Kilometer in der freien Technik ausgetragen. Neben viel Familie und Freunden von Jessie Diggins und den anderen amerikanischen Athleten, die wie schon in Canmore natürlich wieder eine nationale Gruppe am Start haben, werden auch mindestens 15.000 Zuschauer vor Ort sein. So viele Tickets wurden bereits verkauft, aber auch verschenkt, um eine perfekte Atmosphäre zu garantieren. Der Eintritt zur Strecke ist generell kostenlos (Ticketbuchung aber dennoch erforderlich), für einen Sitzplatz auf der Tribüne zahlt ein Zuschauer 35 bis 150 US Dollar, was etwa 32 bis 140 Euro entspricht. Zu sehen bekommen die vielen Zuschauer sicher spannende Rennen in Diggins bevorzugter Technik und auf welligem Terrain. Der 1,5 Kilometer lange Sprintkurs bewegt sich auf einer Höhe zwischen 256 und 279 Metern, hat zwei Anstiege und insgesamt geht es 42 Höhenmeter bergauf. Für die Einzelstarts am Sonntag wird eine 3,3 Kilometer lange Runde genutzt, auf der es ständig rauf oder runter geht. Insgesamt sind während des Rennens 324 Höhenmeter zu erklimmen, der längste Anstieg auf der Runde geht über 30 Höhenmeter. „Ich habe 300 Weltcuprennen in vielen Ländern bestritten, aber nun geht es endlich in mein eigenes Land, das ist schon verrückt. Aber es macht es auch zu etwas sehr Besonderem“, sagte Jessie Diggins in einer Pressekonferenz.
Wenig Änderungen in Teams
Da die Teams bereits in Übersee vor Ort sind, gibt es kaum Änderungen in den Kadern für Minneapolis. Allerdings gibt es natürlich immer gesundheitliche Probleme, die für Planänderungen sorgen. Viele sind allerdings nicht bekannt. So war Emma Ribom nach einem Sturz vor knapp zwei Wochen zu einer Pause gezwungen, in der das geschwollene Knie offenbar täglich die Farbe änderte. Nachdem inzwischen die Fäden an der großen Wunde gezogen wurden, konnte sie am Dienstag wieder starten und kam immerhin ins Finale. Traurig musste Ben Ogden mitteilen, dass er den Heimweltcup in Minneapolis verpassen wird. Ob er überhaupt in diesem Winter noch einmal Rennen bestreiten wird, scheint unwahrscheinlich. Schon am Dienstag im Sprint wurde er in letzter Minute ersetzt – nun steht der Grund fest: Der 23-Jährige leidet an Mononukleose, was im Deutschen meist als Pfeiffer’sches Drüsenfieber bezeichnet wird. Er reist nun heim, dreht die Musik auf und wird an seinem Landrover schrauben, wenn der Körper es zulässt, schreibt er. Martin Løwstrøm Nyenget trat inzwischen die Heimreise an, nachdem er sich tagelang mit starken Rückenschmerzen plagte. Zu Hause soll er genau untersucht werden. Zwei Finninnen reisten von Canmore nach Hause, Jasmin Kähärä wegen eines grippalen Infekts und Johanna Matintalo will sich auf den Heimweltcup in Lahti konzentrieren. Auch Francesco De Fabiani flog zurück in die Heimat – der Grund ist Formschwäche.
Mocellini erfolgreich operiert
In der Nacht zum Dienstag auf italienischem Boden angekommen ist Simone Mocellini, der nach seinem Schien- und Wadenbeinbruch im Training inzwischen in der La Madonnina Klinik in Mailand erfolgreich operiert wurde. Wie es in der Pressemeldung weiter heißt, wurde der Trümmerbruch des Schienbeins mittels Osteosynthese, also mit Platten und Schrauben, gerichtet. Die Operation verlief perfekt und wie seine Instagram Story zeigt, telefonierte der 25-Jährige nach der Operation bereits wieder mit seiner Lebensgefährtin Francesca Franchi in Canmore. Vor seiner Heimreise gab er am Wochenende dem Expressen noch ein Interview, in dem er sich zum Unfall am Donnerstag letzter Woche äußerte. Demnach habe sich sein rechter Ski bei hoher Geschwindigkeit im Schnee verfangen und in einer Art Katapult Effekt flog der Italiener über das Sicherheitsnetz hinweg. Die Landung einige Meter tiefer war hart. „Aktuell sind die Probleme eher mental als körperlich, aber im Moment des Unfalls lag der Schmerz auf einer Skala von eins bis zehn bei elf. Ich wusste sofort, dass das Bein gebrochen ist, aber es hätte noch so viel schlimmer kommen können. Ich bin hart auf Nacken und Rücken gelandet. Ich hatte Angst, dass ich mich auch dort verletzt habe.“ Federico Pellegrino fuhr direkt hinter Mocellini, als es passierte. „Es war schrecklich, seine Schreie zu hören“, sagte er.
Weißes Band im Park durch viel zu milden Winter
Einer der trockensten Winter in der Geschichte von Minnesota sorgt bei den Veranstaltern des Weltcups für Probleme. Naturschnee ist nicht vorhanden, aber weil die Temperaturen rechtzeitig kälter wurden, konnte genug Schnee produziert werden, um ein weißes Band durch den Theodore Wirth Park zu ziehen. Die Auflage hat eine Dicke von ein bis drei Fuß, also bis zu einem Meter. „Wir haben eine extrem arbeitsreiche Woche vor uns, um die Strecke fertig zu stellen“, sagte Claire Wilson, Leiterin der Loppet Foundation, dem Ausrichter des Weltcups, am vergangenen Freitag dem lokalen Radiosender MPRNews. „Aktuell ist sie nicht in Bestform, aber wir tun alles, um es in der Zeit zu schaffen.“ Die Aufgabe ist nicht leicht in einem Rekordwinter mit warmen Temperaturen, Regen und fehlendem Schneefall. Seit Neujahr maßen die Meteorologen lediglich zwei Inches Schnee, also fünf Zentimeter. „Wir waren den ganzen Winter auf Abruf,“ sagte Wilson, die zusammen mit ihrem Team dachte, auf der sicheren Seite zu sein, die Veranstaltung auf Mitte Februar zu terminieren. „So eine Möglichkeit hatten wir nicht auf dem Schirm. Wir dachten nicht, dass es Probleme geben könnte, die Rennen Mitte Februar auszutragen.“ Die Organisatoren waren auf einen Winter mit wenig Schnee vorbereitet. Nicht aber auf einen Winter, in dem es über weite Strecken zu warm war, um Schnee zu produzieren. Denn der Park wurde in den vergangenen 20 Jahren für Millionen von Dollar mit einem System zur Schneeproduktion ausgerüstet: Wasserleitungen ziehen sich durch den Park, um an verschiedenen Stellen mit Schneekanonen Schnee zu produzieren. Ohne diese Technik könne man heute auch gar nicht mehr den Zuschlag für einen Weltcup bekommen, so Wilson. Nachdem der frühzeitig produzierte Schnee in einer Wärmeperiode von 50° Fahrenheit (10° Celsius) zu Weihnachten größtenteils wieder wegschmolz, rettete eine zehntägige Kälteperiode Mitte Januar die Veranstalter. Rund um die Uhr wurde Schnee produziert, man lieh sich sogar weitere Schneekanonen, was sich auszahlte: „Ehrlich gesagt würde ich sagen, dass sie wahrscheinlich 75 Prozent der Schneedecke erzeugt haben, auf die wir gehofft hatten. Vielleicht nicht an allen Stellen so dick wie gehofft, aber genug, um ein sicheres Renen auszurichten“, sagte Matt Laue bei der FIS Inspektion.
Prognose: Sonne und Wolken
Für den Mittwoch und die Nacht zum Donnerstag war etwas Neuschnee angekündigt, der aktuell Minneapolis ist eine winterliche Optik hüllt und der auch bis zum Wochenende liegen bleiben könnte, denn ab Donnerstag sollen die Temperaturen auch tagsüber unter die Null-Grad-Grenze fallen. Vor allem Sonntag steigen die Temperaturen wieder an, da ist aber auch viel Sonne angekündigt, während Samstag für den Sprint ein Sonne-Wolken-Mix zu erwarten ist.
Kaum Langlauf im TV
Vom Langlauf Weltcup in Minneapolis gibt es kaum etwas im Fernsehen zu sehen – zur Prime Time auch keine Überraschung. Aber auch Eurosport zeigt kaum etwas, nur den Einzelstart der Damen am Sonntag gibt es live auf Euro1 zu sehen. Beim Sprint und dem Distanzrennen der Herren ist man auf Discovery+ angewiesen, allerdings überträgt SRFinfo in der Schweiz live den Sprint, ORF Sport+ aber nicht. SRF2 steigt etwas verspätet in den Einzelstart der Damen ein, den es auch in Österreich live zu sehen gibt und von den Herren eine Zusammenfassung.
Minneapolis Zeitplan
(alle Zeiten MEZ)
Samstag, 17. Februar 2024
17:00 Uhr: Qualifikation Sprint Freistil
19:30 Uhr: Finalläufe Sprint Freistil
Sonntag, 18. Februar 2024
17:30 Uhr: 10 Kilometer Freistil Einzelstart Herren
19:45 Uhr: 10 Kilometer Freistil Einzelstart Damen