Skilanglauf und Biathlon in Russland: Der Krieg und die Folgen

Russische Athleten wegen Angriffskrieg nicht willkommen © Modica/NordicFocus

Mit Entsetzen beobachtet die Welt, was seit Beginn von Putins Angriffskrieg in der Ukraine passiert, wo aktive und ehemalige Sportler ihr Land verteidigen müssen. Aber auch für die russischen Sportler hat der Krieg weitreichende sportliche und politische Folgen.

Markus Cramer vorerst nicht mehr russischer Trainer

Markus Cramer (RUS) © Modica/NordicFocus

Die Konsequenzen nach dem Ausschluss von internationalen Wettkämpfen russischer und belarussischer Sportler treffen auch einen Deutschen: Markus Cramer, der jahrelang erfolgreich eine Trainingsgruppe um Yulia Stupak, Sergey Ustiugov und anderen führte, kann nicht weiter beschäftigt werden. Die Sportler werden in andere Gruppen verteilt. Das berichtete Elena Välbe in einem einstündigen Interview. „Das größte Problem für uns ist, dass wir nicht wissen, wie Markus Cramer weiter für uns arbeiten soll. Darum haben wir unsere Trainingsgruppen neu zusammengestellt. Ich hoffe, dass das Präsidium uns eine weitere Gruppe unter Petr Sedov genehmigt, der zuletzt mit Cramer zusammengearbeitet hat“, so die Verbandspräsidentin. „Der Vertrag mit dem russischen Verband ist nach dieser Olympiasaison eh ausgelaufen. Beide Seiten waren aber daran interessiert, weiter zusammenzuarbeiten“, so Markus Cramer gegenüber xc-ski.de. „Dass das nun aufgrund der aktuellen Situation nicht möglich ist, ist besonders für den Sport und die Athleten sehr schade.“ Die anderen Trainingsgruppen bleiben bestehen, bekommen aber teilweise Zuwachs. „Perevozchikov übernimmt eine Gruppe junger Athletinnen, weil seine Tochter sich immer weiter verbessert und dieses Jahr für die Europäischen Jugendspiele selektioniert war“, so Välbe. Ältere Athleten wie Bessmerthnykh, Melnichenko oder Larkov werden nicht mehr unterstützt. „Ich denke, jeder versteht, dass es utopisch ist, mit solchen Athleten in die Zukunft zu gehen.“ Auch Borodavko übernimmt zwei junge Talente und hat ansonsten das „Basis-Team“ unter seinen Fittichen. Man hofft jedoch auf eine Rückkehr von Markus Cramer: „Vielleicht kehrt Cramer in einem Jahr zurück? Aber im Moment ist es unrealistisch, Pläne zu schmieden.“ Gemeint ist damit vermutlich die Unsicherheit, die über dem russischen Team liegt: Werden sie nächsten Winter überhaupt im Weltcup starten dürfen? „Auf jeden Fall müssen wir vorbereitet sein mit Plan A und B: Für den Fall, dass wir international antreten dürfen, und für den Fall, dass wir ein weiteres Jahr in Russland festsitzen. Ich muss sagen, wenn wir eine Saison ohne FIS-Wettkämpfe bestreiten müssen, fallen wir in ein Loch. Ein verpasstes Jahr wirft uns zehn Schritte zurück“, so Välbe bei Telesport. Cramers Athleten können auf jeden Fall nicht auf seine mögliche Rückkehr warten, sie werden anderen Teams zugeordnet: Stupak geht zu Borodavko, der im Gegensatz zu Cramer als Schleifer bekannt ist. Dort wird sie sich mit Nepryaeva messen können, wovon beide profitieren können. Ustyugov und Retivykh werden sich vermutlich Egor Sorin anschließen.

IBU suspendiert Russland und Belarus

Said Karimulla Khalili (RUS), Daniil Serokhvostov (RUS), Alexandr Loginov (RUS), Maksim Tsvetkov (RUS), (l-r) © Manzoni/NordicFocus

Wie der Biathlonweltverband IBU am Dienstag mitteilte, sind die nationalen Verbände von Russland (RBU) und Belarus (BiFB) mit sofortiger Wirkung suspendiert. Gerüchte darüber hatte es schon seit Tagen gegeben, nun gab das IBU Executive Board die entsprechende Entscheidung bekannt, die für die Dauer des Krieges in der Ukraine dauern soll. In der Pressemeldung heißt es: „Beide Verbände haben die humanitären Voraussetzungen für Mitgliedsverbände in der IBU verletzt. Das führt dazu, dass die IBU und der Biathlonsport in Misskredit gebracht wird und ihre aktive Mitgliedschaft würde die grundlegenden Prinzipien der IBU und ihrer Mitglieder untergraben wie auch die Glaubwürdigkeit. Außerdem hat die russische Invasion in der Ukraine dafür gesorgt, dass die ukrainischen Biathleten ihre Sendung beendet haben und es wäre unfair, wenn die angreifenden Nationen ihre Saison fortsetzen und sämtliche Rechte der IBU-Mitgliedschaft genießen könnten, nachdem ihr Land den Sport in der Ukraine unterbindet. Das Executive Board wird die Entwicklungen in der Ukraine genau beobachten und wird diese Entscheidung widerrufen, wenn es die Situation zulässt. Die Lage wird auch beim IBU Kongress vom 15. bis 19. September 2022 Thema sein, wenn die Suspendierung nicht schon vorher vom Executive Board aufgehoben wurde.“

Viel Kritik an Putins Propaganda

Pierre Mignerey (FIS) © FIS

Auch wenn Putins Propaganda Show nun schon zwei Wochen her ist, schlägt sie immer noch hohe Wellen. Zum Jahrestag der Anexion der Halbinsel Krim versammelte Vladimir Putin seine Unterstützer im Luzhniki Stadion in Moskau, um diesen Tag zu feiern, während die Ukraine weiter angegriffen wurde. Mit dabei waren auch Olympiasieger wie Alexander Bolshunov, der sich aber offensichtlich unwohl in seiner Rolle fühlte. Diese Teilnahme hatte definitiv Folgen für den Russen. Nachdem ihm zuvor schon seine Skifirma Rossignol wegen eines Posts mit sowjetrussischer Langlaufkleidung (siehe hier), den er schnell wieder löschte, weitere Unterstützung strich (Borodavko: „Keine Problem, Sasha hatte gerade eine Menge neuer Ski bekommen, damit kommt er eine Weile über die Runden“), kündigte ihm nun auch sein deutscher Handschuh Ausrüster Kinetixx den Vertrag. Für seine Teilnahme an Putins Show erntete der 25-Jährige viel Kritik. „Ich war schockiert, als ich das gesehen habe – und auch wieder nicht. Ich dachte….. Ich nehme so stark Abstand davon, dass ich es nicht schaffe, mich dazu zu äußern. Ich bin wütend“, so Johaug. Auch Erik Valnes reagierte beim NRK ähnlich: „Es ist schockierend. Absolut unglaublich, dass das so läuft. Ich habe einfach keine Worte für diesen Quatsch. Noch ein paar tage vor der Show sagte Putin doch noch, dass es wichtig ist, Sport und Politik nicht zu vermischen. Und zwei Tage später dann sowas! Das ist so lächerlich!“ Simen Hegstad Krüger ist dagegen der Meinung, dass man die Russen nicht verurteilen soll, bevor man die Hintergründe kennt. Dieser Meinung ist auch FIS Race Director Pierre Mignerey. „Das kann große Konsequenzen haben, besonders weil sie namhafte Sportler sind. Man könnte Schwierigkeiten mit den Behörden bekommen und die Leistungssport-Karriere riskieren, wenn man sich öffentlich gegen das stellt, was passiert. Dann müsste er [Bolshunov] möglicherweise sein Land verlassen, weil er sonst seine Karriere nicht fortsetzen könnte“, sagte Mignerey im NRK. „Da müssten auch die internationalen Kollegen mehr Verständnis haben. Wenn wir die Dinge ändern wollen, müssen wir sie näher an uns heranbringen. Wir dürfen sie nicht wegstoßen, sondern müssen sie unterstützen.“ Wie Krüger zweifelt auch er, ob die Sportler freiwillig an der Show teilgenommen haben. „Es wäre gut zu wissen, ob sie die Wahl hatten, die Möglichkeit, NEIN zu sagen. Therese ist in Norwegen geboren, ich in Frankreich, wir sind in Ländern geboren, in denen wir auch öffentlich unsere freie Meinung sagen dürfen.“ Marcus Cramer ist als ehemaliger russischer Trainer auch dieser Ansicht: „Ich sehe es genauso wie Pierre! Viele Sportler in Russland sehen den Krieg genau wie wir, aber können nicht einfach so auf die Straße gehen. Das ist dort eine andere Mentalität“, erklärte er gegenüber xc-ski.de. Ob die Russen im nächsten Winter im Weltcup antreten dürfen, ist noch völlig unklar: „Das bin nicht ich, der das entscheidet. Ich hoffe nur, dass das Thema diskutiert wird und alle nationalen Verbände mitentscheiden werden“, so Mignerey.