Die unabhängige Untersuchungskommission im Fall der Nutzung von Asthmamedikamenten von norwegischen Skilangläufern hat vergangene Woche ihren Abschlussbericht vorgelegt. Wir haben uns etwas Zeit genommen und nicht die Pressemeldung des norwegischen Skiverbands, sondern den Originalbericht übersetzt und für euch zusammengefasst.
Fall Sundby als Auslöser
Die Untersuchungskommission wurde ernannt, nachdem im Sommer 2016 bekannt wurde, dass Martin Johnsrud Sundby WADA-Antidoping-Regeln verletzt hatte. Der Norweger bekam eine zweimonatige Sperre auferlegt, war aber zu Beginn der Saison wieder startberechtigt. In den folgenden Wochen kam es zu Medienberichten, dass Sportler, die nicht an Asthma leiden, mit Asthmamedizin behandelt wurden, weshalb vom norwegischen Skiverband eine unabhängige Kommission zur Untersuchung dieser Behauptungen einberufen wurde. Diese Kommission hat nun am vergangenen Donnerstag ihren Abschlussbericht vorgelegt.
Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse
Quelle: Original-Untersuchungsbericht in Norwegisch auf www.skiforbundet.no
Die Diagnose von Asthma entspricht laut Bericht (inter)nationaler Vorgehensweise. Anders als in der Pressemeldung des norwegischen Skiverbandes, in der es heißt, dass man keine Fälle von Asthmamedizinverabreichung an gesunde Athleten gefunden habe, spricht die Kommission in ihrem Bericht nur darüber, dass sie nicht über Fälle informiert wurde, in denen Sportler ohne Diagnose Asthmamedizin erhalten hätten. Jedoch wird festgestellt, dass
- viele Athleten an starkem und unkontrollierten Asthma leiden, deren Behandlung jedoch nicht norwegischer oder internationaler Studien und Standards entspricht.
- es keine Studien gibt, die eine Art Vorbeugung durch die Einnahme von Asthmamedizin belegen.
- grundsätzlich nichts gegen die Benutzung eines Verneblers (Salzwasser) spricht, dessen Einsatz jedoch ethisch bedenklich ist! Hier wird auf die Vorbildfunktion hingewiesen und sich gegen eine Medizinierung des Sports ausgesprochen.
- Medikamente im Wachstruck für alle Athleten frei zugänglich waren, so dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass Athleten ohne vorherigen Kontakt zum Arzt Medizin benutzt haben.
Die Kommission übte im Bericht deshalb Kritik am Zugang zum Arztkoffer für Athleten (mittlerweile nicht mehr ohne Arzt möglich), bemerkte, dass ein zu großer Trainerstab möglicherweise Athleten zu viele Aufgaben abnimmt und diese “nicht mehr selbst denken”. Man empfiehlt die Einrichtung einer elektronischen Krankenakte für Athleten, um eine bessere Behandlung zu gewährleisten und Fehler zu vermeiden. Außerdem soll eine Änderung des Vertrages zwischen Athlet und Verband vorgenommen werden, um die Verantwortlichkeit des Athleten deutlich zu machen.
Empfehlungen zur Antidoping-Arbeit an den norwegischen Skiverband
- Übersicht welcher Athlet an welchem Kurs teilgenommen hat und wann Etablierung eines jährlichen Kurses/Unterrichts.
- Verbesserung des vorhandenen Antidoping-Kurses
- Praktisches Training zur Benutzung der WADA-App und zur Suche auf der Seite der Antidopingagentur
- Praktisches Training zur “objektiven Verantwortung” und den Folgen einer Verletzung des Antidopingcodes
- Identifikation von Bedürfnissen unterschiedlicher Gruppen
- Festlegung von Verfahren zur Gewährleistung eines kompetenten Ärzteteams
- Ausbildung der Athleten in der Antidopingarbeit und Beantwortung medizinischer Fragen zu Stoffen auf der Antidoping-Liste.
Empfehlungen des Berichts an die FIS
- Kritische Überprüfung der derzeitigen Kältegrenzen für Training und Wettkampf. Die Kommission sieht in den geltenden Werten eine mögliche Gefahr für die Gesundheit der Athleten.
- Kritische Überprüfung des derzeitigen Wettkampfprogramms. Die Kommission stuft die Anzahl der Rennen als eventuell zu hoch ein.
- Erwägung, ob es eine angemessene Verteilung zwischen Distanz-und Sprintrennen gibt. Überlegung ob nicht Sprintrennen in der jetzigen Form eine extra große Belastung darstellen.
- Im Hinblick auf die Gesundheit der Athleten wird die Überlegung angestellt, ob weniger Touren im Kalender sein bzw. diese aus weniger Rennen bestehen sollten.
- Eine größere Differenzierung anhand des Alters der Athleten.
Fragestellungen an die Forschung
Neben den Untersuchungsergebnissen und daraus resultierenden Empfehlungen wirft der Bericht auch Fragestellungen auf, die von der Forschung anhand von Studien geklärt werden sollten:
- Kann der Einsatz bestimmter Pharmazeutika die Entstehung von Asthma verhindern (oder nicht)?
- Welche Art von Asthma entwickeln vor allem Langläufer? Tests von verschiedenen Behandlungsmethoden
- Inhalation von Salzwasser zur Vorbeugung und/oder zur Linderung von Symptomen?
- Kältegrenzen
- Besseres Monitoring zur Entwicklung und Behandlung von Asthma
- Untersuchung ob die verschiedenen Rennformen (Sprint, Distanz) unterschiedliches Risiko zur Entwicklung von Asthma bieten.
Es liegt nun an den vom Bericht adressierten Organisationen, die Ergebnisse auszuwerten und Handlungen abzustimmen. Inwieweit die Forschung sich mit dem Thema beschäftigen wird, bleibt abzuwarten. Es bedarf höchstwahrscheinlich finanzieller Mittel der WADA oder von Verbänden, um die Fragestellungen wissenschaftlich zu klären.
Autoren: Kristin Finze, Mario Felgenhauer