Von Ruka über Seefeld nach Québec – Langlauf Weltcup Rückblick 2018/19

Laurien Van Der Graaff (SUI), Victoria Carl (GER), Ebba Andersson (SWE), Heidi Weng (NOR), (l-r) © Modica/NordicFocus

Im Langlauf Weltcup war es selten so spannend wie in dieser Saison – zumindest was die Kristallkugeln betrifft. Auch das junge deutsche Damen-Team kann mit der Saison sehr zufrieden sein – Verbesserungspotenzial gibt es jedoch immer.

Østberg schlägt Nepryaeva

Ingvild Flugstad Oestberg (NOR) © Modica/NordicFocus

Die Weltcup-Saison der Damen begann mit einem Sprintsieg von Yulia Belorukova, die in Ruka ihren ersten Weltcupsieg feierte. Außerdem begann Therese Johaug nach ihrer Dopingsperre einen Siegeszug, den sie über Lillehammer, Beitostølen und Davos zunächst bis Weihnachten fortsetzte. In ihrer Abwesenheit lieferten sich Ingvild Flugstad Østberg und Natalia Nepryaeva bei der Tour de Ski ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das schließlich die Norwegerin für sich entschied, was ihr wichtige Punkte für den Gesamtweltcup einbrachte. Der Kampf zwischen den beiden um Punkte zog sich durch die gesamte Saison bis hin zum Finale, während Therese Johaug weiter unschlagbar war: Otepää, Ulricehamn, Lahti und Falun – wo sie auch antrat, gewann sie jeweils das Distanzrennen – oft mit riesigem Vorsprung. Dieser unglaubliche Siegenzug endete beim Weltcupfinale in Québec, wo die Strecken einfach zu leicht für die Norwegerin waren und Stina Nilsson sie in beiden Distanzrennen schlug. Die Schwedin konnte sich neben dem Gesamtsieg bei der Mini-Tour in Kanada über die Kristallkugel für den Sprintweltcup freuen: Zum ersten Mal überhaupt gewann eine Schwedin eine Kristallkugel – egal welche. Sie setzte sich damit trotz einer vierwöchigen Verletzungspause gegen die Kugel-Gewinnerin der letzten drei Jahre, Maiken Caspersen Falla, durch, der viele Punkte durch einen schwachen Dezember durch die Lappen gingen. Nachdem sie sich Rat bei Tor Arne Hetland gesucht hatte, konnte sie plötzlich wieder siegen – trotz Schmerzen im Fuß, die sie bis zur WM beschäftigten. Wie schon erwähnt, blieb es auch im Gesamtweltcup bis zum Schluss spannend, aber wegen Magenproblemen von Natalia Nepryaeva in Falun, wo sie punktelos blieb, war Ingvild Flugstad Østberg in Kanada nahezu ungefährdet, solange sie gesund blieb. Immerhin war Nepryaeva nach 13 Jahren die erste Russin, die es auf das Podium im Gesamtweltcup schaffte.

Klæbo knapp vor Bolshunov

Johannes Hoesflot Klaebo (NOR) © Modica/NordicFocus

Bei den Herren begann die Saison mit einer Überraschung, als Alexander Bolshunov das erste Wochenende in Ruka völlig dominierte – zum Teil auch deshalb, weil Topfavorit Johannes Høsflot Klæbo mit einem Blick über die falsche Schulter den Sieg im ersten Saisonrennen verschenkte. Sollte es so weitergehen wie in Ruka, wäre der junge Russe mit seinen 21 Jahren ein ganz heißer Kandidat für den Gesamtweltcup. Aber es sollte zunächst anders kommen: Bolshunov konnte bis unmittelbar vor der WM keine weiteren Siege feiern. Stattdessen legte Johannes Høsflot Klæbo wie Johaug eine Saison hin, wie es sie im Langlauf Weltcup selten gegeben hat. Der 22-Jährige, drei Monate älter als Bolshunov, triumphierte in Davos und anschließend in Toblach und Val Müstair und ist damit der erste Langläufer, der beide Sprints im Rahmen derselben Tour de Ski gewann. Nach einem Massenstart-Sieg in Val di Fiemme überquerte er als Sieger die Ziellinie an der Alpe Cermis und ist damit der jüngste Tour de Ski-Sieger aller Zeiten. Danach gönnte er sich beim Sprintweltcup in Dresden zwar eine Pause, setzte seinen Siegeszug aber in Otepää und Lahti fort, bevor es wegen der WM eine Pause in der Jagd nach Weltcuppunkten gab. Anschließend versuchte Klæbo über 50 Kilometer am Holmenkollen Punkte gegen Bolshunov gutzumachen, was mit dem Sieg des Russen aber nicht gelang, so dass die letzten Weltcups überaus spannend waren. Sein russischer Kontrahent hatte insgesamt eine sehr gute Saison, sammelte nach seinen Erfolgen in Ruka aber erst in Cogne wieder 100 Punkte für einen Weltcupsieg sowie 172 am Holmenkollen inklusive Zwischensprints sowie weitere 100 Punkte in Falun. Die Entscheidung musste bei nur wenigen Punkten Abstand in Québec fallen und großes Pech beim Russen mit Stockbruch im falschen Moment sorgte dafür, dass Johannes Høsflot Klæbo sich als jüngster zweifacher Gesamtweltcup-Sieger aller Zeiten erneut in die Geschichtsbücher eintrug.

Norwegen dominiert Nordische Ski-WM

Frida Karlsson (SWE), Therese Johaug (NOR), Ingvild Flugstad Ostberg (NOR). (l-r) © GEPA pictures/ Joel Marklund

Zehn von zwölf Goldmedaillen bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld gingen nach Norwegen, sogar alle sechs bei den Herren. Nur die zwei Team-Titel bei den Damen mit Teamsprint und Staffel holten sich die Schwedinnen. Fleißigste Medaillensammler bei den Norwegern waren Therese Johaug mit dreimal Gold und einmal Silber, Johannes Høsflot Klæbo mit dreimal Gold und Ingvild Flugstad Østberg, die von allen Athletinnen die meisten Medaillen gewann: Fünf Stück bei fünf Starts – nur Gold war nicht dabei. Neben Klæbo wurden auch Sjur Røthe, Martin Johnsrud Sundby und Hans Christer Holund zum ersten Mal Einzel-Weltmeister. Neben einer stark aus ihrer Verletzung zurückgekehrten Stina Nilsson fiel bei Schweden vor allem Frida Karlsson auf. Die 19-Jährige schaffte nach einem Weltcup-Einsatz unmittelbar vor Seefeld bei den Weltmeisterschaften in Tirol ihren großen Durchbruch. Im Klassik-Einzelstart schnappte sie sogar fast Therese Johaug den im Vorfeld sicher geglaubten Titel weg und reiste schließlich mit einem kompletten Medaillensatz aus Seefeld ab. Die Wachablösung unter den beiden Leichtgewichten, die sich technisch und vom Körperbau so sehr ähneln, scheint nicht mehr allzu weit entfernt. Die Russinnen um die Gesamtweltcup-Zweite Natalia Nepryaeva wurden etwas unter Wert geschlagen mit nur zwei Medaillen und auch die Herren waren nicht zufrieden – war holten sie sechs Medaillen, aber keine Goldene. 

 

Starke DSV-Damen, Herren mit klaren Schwächen

Laura Gimmler (GER), Sandra Ringwald (GER), Katharina Hennig (GER), Victoria Carl (GER), (l-r) © Modica/NordicFocus

Für das junge deutsche Damen-Team stand schon vor der Saison fest, dass es ein schwieriges Jahr werden würde: Eigentliche Führungsfiguren wie Steffi Böhler und Nicole Fessel fehlten zumindest zum Auftakt – dass es die ganze Saison werden würde, war damals noch nicht abzusehen. So war Sandra Ringwald die einzige arrivierte Athletin und insgesamt war klar, dass auch die jungen Damen mal in die eine oder andere Bresche würden srpingen müssen. Saison eins unter dem neuen Cheftrainer Peter Schlickenrieder lief aber besser, als viele erwartet hätten, vor allem die Nordische Ski-WM verlief „besser als jemals erwartet“. Katharina Hennig galt vor der Saison als größte Hoffnungsträgerin unter den unerfahrenen Athletinnen auf Top-Platzierungen und die 22-Jährige lief viermal unter die besten Zehn und schraubte ihre Bestleistung auf Platz acht. Noch erfreulicher ist die Leistungssteigerung von Laura Gimmler: Die 25-Jährige entwickelte sich zu einer starken Sprinterin, schaffte zweimal den Sprung ins Halbfinale, und verpasste das Finale in Cogne, wo Sandra Ringwald sich ihr erstes und einziges Weltcup-Podium sicherte, nur ganz knapp als Siebte. In Québec bewies die Allgäuerin, dass sie zumindest auch auf leichteren Strecken in Klassikrennen unter die besten 15 laufen kann. Doch auch Pia Fink, Sofie Krehl, Julia Belger und Antonia Fräbel wussten zu überzeugen und legten die eine oder andere persönliche Bestleistung hin. Victoria Carl lief vor allem bei der WM in Seefeld zu Topform auf und war nie schlechter als Neunte – in der Staffel zeigte das Quartett eine erstklassige Leistung und verpasste die Medaille mit Laura Gimmler als Schlussläuferin überraschend knapp. Die deutschen Herren konnten nicht mit den Leistungen der DSV-Damen mithalten. Nur Florian Notz war sporadisch in der Lage, in vorher ausgewählten Rennen seine beste Leistung abzurufen. Mit der fünftschnellsten Laufzeit an der Alpe Cermis beendete er die Tour de Ski als guter 13. und erreichte zwei weitere Top15-Ergebnisse. Immer wieder im Gespräch bei deutschen Langlauf-Fans war aber das überraschende Abschneiden des DSV-Teams im Handicaprennen in Lillehammer, wo Janosch Brugger sensationell von Startplatz 45 mit der schnellsten Laufzeit das Ziel erreichte und als Weltcupsieger gewertet wurde. Lucas Bögl und Janosch Brugger kamen unter die besten Acht, Thomas Bing wurde Zwölfter. Sonst enttäuschten die DSV-Herren aber größtenteils und wurde zusätzlich durch die Verletzung und das WM-Aus von Thomas Bing geschwächt.

 

 

ÖSV-Saison mit Doping-Skandal und Krankheiten

Teresa Stadlober (AUT) © Modica/NordicFocus

Die Saison der österreichischen Langläufer wurde überschattet vom Dopingskandal um den Erfurter Arzt Dr. Mark Schmidt bei der Nordischen Ski-WM, in den mit Dominik Baldauf und Max Hauke auch zwei ÖSV-Athleten verwickelt waren und Hauke sogar inflagranti erwischt wurde. Beide hatten zuvor im Teamsprint das Finale erreicht und nach starker Leistung einen tollen sechsten Platz belegt – das böse Erwachen kam Tage später. Mit dieser Nachricht ging ein Schock durch das verbliebene ÖSV-Team, in dem aber Teresa Stadlober auch die gesamte Saison mit kleineren Infekten zu kämpfen hatte, so dass die erhoffte erneute Leistungssteigerung ausblieb und der Medaillentraum bei der Heim-WM unerfüllt blieb.

Nur Fähndrich überzeugt bei Swiss Ski

Nadine Faehndrich (SUI) © Thibaut/NordicFocus

In einer Saison, in der Laurien van der Graaff, Nathalie von Siebenthal und Dario Cologna nicht in Bestform waren, avancierte Nadine Fähndrich zur besten Schweizerin. Die 23-Jährige zeigte stabile Leistungen sowohl im Sprint- als auch im Distanzbereich und holte in Cogne den ersten Podestplatz ihres Lebens. Der 33-jährige Dario Cologna konnte die ganze Saison nicht an die Ergebnisse der Vergangenheit anknüpfen. „Es fehlt irgendetwas“, meinte der Schweizer, dem oft auf den letzten Kilometern die entscheidenden Körner fehlten, um mehr als einen Platz um Rang zehn zu erreichen und den Sprung aufs Podium zu schaffen – so auch bei der WM in Seefeld. Diesmal hat der Bündner es nicht geschafft, pünktlich zum Großereignis die Form doch noch zu finden, so dass er nun einen anderen Weg gehen wird, um wieder „Super-Dario“ zu werden: Trainingspause nach der abgelaufenen Saison, nur sporadische Weltcup-Einsätze im nächsten Jahr und stattdessen Starts in Rennen außerhalb des Weltcups. Bei Laurien van der Graaff, der Schweizerin mit niederländischen Wurzeln, lief in diesem Winter nicht viel zusammen, sie erreichte kein einziges Finale, die erhoffte WM-Medaille blieb in weiter Ferne. Auch wenn sie es noch nicht offiziell gemacht hat, käme bei ihr ein Karriereende nicht überraschend….

 

 

Time to say ‚Good-bye’…

Jessica Yeaton (AUS) und Ida Sargent (USA) beenden ihre Karriere (l-r) © Modica/NordicFocus

„Ich möchte gerne Mutter werden“, sagte Laurien van der Graaff, die mit ihrem Trainer Andreas Waldmeier liiert ist, in den letzten Monaten mehr als einmal. „Aber erst nach der Karriere!“ Und: „In Peking werde ich ganz sicher nicht mehr am Start stehen!“ Damit wäre durchaus möglich, dass sie ihre Karriere vor einer Saison ohne Großereignis beendet. Vor den Olympischen Spielen in Peking 2022 käme in zwei Jahren nur noch die WM in Oberstdorf, die noch einen Anreiz zum Weitermachen gäbe, um doch noch die angestrebte WM-Medaille zu holen. Eine Entscheidung ist zumindest offiziell noch nicht gefallen wie auch bei Nathalie von Siebenthal, die aber „zumindest eine Weltcup-Pause“ einlegt, um sich um ihren Bergbauernhof zu kümmern, an dem mehr Herz hängt als am Skilanglauf. Im Gegensatz zu den Schweizerinnen haben viele andere bereits einen offiziellen Schlusstrich unter ihre sportliche Laufbahn gezogen, darunter mit Steffi Böhler, Sandra Ringwald und Elisabeth Schicho drei deutsche Athletinnen sowie Luis Stadlober. Der 27-jährige ältere Bruder von Teresa zog mit Abschluss der Österreichischen Staatsmeisterschaften einen Schlussstrich unter seine sportliche Laufbahn und dezimierte das ÖSV-Team damit weiter. Am meisten Beachtung fand das Karriereende von Alex Harvey, der sich vor heimischem Publikum mit zwei zweiten Plätzen beim Weltcupfinale verabschiedete und den Johannes Høsflot Klæbo und Didrik Tønseth zum Abschied beim Siegerfoto in ihre Mitte nahmen. Dass sein ehemals starker Sprint-Kollege Lenny Valjas, der schon seit Jahren seinen alten Leistungen weit hinterherläuft, ebenfalls seine letzten Rennen lief, war nur in den lokalen Medien zu erfahren. Im finnischen Lager wird Matti Heikkinen, Weltmeister von 2011, eine Lücke hinterlassen, auch wenn sein Kollege Iivo Niskanen ihn längst leistungsmäßig übertrumpft hat – auch sein Landsmann Anssi Pentsinen hört auf, einige andere Finnen mit gesundheitlichen Problemen überlegen noch. Ähnlich grandios wie Harvey beendete Maxim Vylegzhanin seine lange Karriere bereits am Holmenkollen und verpasste den Sieg und damit das perfekte Ende nur knapp. Im französischen Team werden Robin Duvillard und Coraline Thomas Hugue im nächsten Jahr nicht mehr am Start sein, ebenso wie Ida Sargent bei den US-Girls sowie die Australierin Jessica Yeaton und die Slowenin Barbara Jezersek, die seit 2016 unter australischer Flagge startete.