Das deutsche Team hat die ganz große Langlauf-Sensation nach Silber mit der Damen-Staffel geschafft und durch Katharina Hennig und Victoria Carl den Olympiasieg im Teamsprint errungen. Bei den Herren ging Gold an Norwegen.
„Keine großen Erwartungen“ werden vergoldet
„Ein schöneres Geburtstagsgeschenk kann man sich gar nicht wünschen!“, sagte Peter Schlickenrieder mit Tränen in den Augen im Feiertaumel im Zielbereich in der ARD in die Kamera. Das hatte am 52. Geburtstag des Teamchefs nun wirklich niemand erwartet. Für die deutschen Teamsprinterinnen und Teamsprinter war es eigentlich das Ziel, das Finale zu erreichen. „Man sollte keine zu großen Erwartungen haben, mit Top8 wäre schon viel geschafft“, sagte der Teamchef am Dienstag. Schließlich hatte man alles andere als Sprinter aufgestellt. Bei den Damen waren zwei „Dieselmotoren“ geplant und offensiv aufgestellt mit der stärksten Klassikläuferin Katharina Hennig, „die hoffentlich Angst und Schrecken bei ihren Konkurrentinnen verbreitet“, so Schlickenrieder. Katherine Sauerbrey sollte „das Ding über die Ziellinie bringen“, verzichtete aber auf einen Start, weil sie sich nach den anstrengenden letzten Tagen nicht mehr 100% fit fühlte. So rückte nun Victoria Carl als Schlussläuferin ins Team. Gemeinsam absolvierten beide ein starkes Halbfinale, als sie sich mit Österreich und den USA absetzten.
Carl mit bester Taktik und unschlagbarem Finish
Das Finale der Damen wurde dann zum Ausscheidungsrennen, dem immer mehr Teams zum Opfer fielen. Nach vier von sechs Runden waren noch fünf Teams zusammen, von denen in der Schlussrunde noch drei um die Medaillen kämpften. Zuvor war Schlussläuferin Victoria Carl im Anstieg von Platz zwei durchgereicht worden und ging nur als Vierte in die lange Abfahrt. Die Doppelstockschub arbeitete sie sich wieder auf Platz zwei nach vorne zu den Russinnen, während dahinter Jonna Sundling Krista Pärmäkoski endgültig abhängte. Die Schwedin kam im Stadion immer stärker auf und ging an Nepryaeva vorbei auf Platz eins, während Victoria Carl eindeutig auf Bronzekurs lag. Mit Beginn der Zielgeraden aber holte die Thüringerin mit exzellentem Material noch einmal alles aus sich heraus. Während Katharina Hennigs Augen direkt hinter der Ziellinie immer größer wurden, zog Victoria Carl klar an beiden Konkurrentinnen vorbei und fiel jubelnd in Hennigs Arme. Silber ging an Maja Dahlqvist und Jonna Sundling vor Yulia Stupak und Natalia Nepryaeva. Die Finninnen Kerttu Niskanen und Krista Pärmäkoski mussten sich mit dem vierten Rang begnügen vor Rosie Brennan und Jessie Diggins. „Eigentlich haben nur noch die Arme funktioniert“, beschreibt Victoria Carl die letzten Meter: „Ich habe meinen Kopf komplett ausgeschaltet. Als ich auf die Zielgerade kam, habe ich nur noch gedacht: ‚Schieben, schieben, schieben!‘ Als ich dann an der Russin vorbei geschoben habe und auch der Schwedin, das habe ich irgendwie gar nicht so wahr genommen. Erst als ich im Ziel war. Ich kann es noch nicht glauben, dass ich so einen starken Schlussspurt gemacht habe, das ist für mich unglaublich!“ Katharina Hennig sagte: „Wir sind gerade beide emotional überfordert, was uns da geglückt ist und wir uns da erkämpft haben, ist unbeschreiblich! Ich stand da hinter der Ziellinie und habe gebrüllt und als sie dann als Erste über die Ziellinie gelaufen ist – ich glaube, ich habe ein bisschen fassungslos geguckt. Es ist einfach verrückt! Ich bin total stolz und freue mich einfach so.“
Klæbo holt Gold mit Schlussattacke
Im Finale der Herren duellierten sich wie erwartet Norwegen und Russland mit Erik Valnes und Johannes Høsflot Klæbo sowie Alexander Bolshunov und Alexander Terentev. In Runde drei verschärfte bereits Bolshunov das Tempo, konnte sich aber nicht absetzen, was auch Erik Valnes in Runde fünf nicht gelang. Immerhin wurde aber durch Valnes‘ Angriff und einen starken Iivo Niskanen im Anstieg vor dem Stadion die Spitzengruppe so klein, dass mit Finnland, Norwegen und Russland nur noch drei Teams die Medaillen unter sich ausmachten. Die Schlussrunde lief der Norweger zunächst vorbei, aber Joni Mäki übernahm im Anstieg die Spitze. In die Abfahrt hinein führte Terentev das Feld an, aber Klæbo setzte am zweiten Anstieg die entscheidende Attacke und riss ein Loch, das weder Terentev noch Mäki wieder schließen konnten. So ging Gold an die beiden Norweger. „Das war unglaublich“, so Klæbo. „Ich wollte nach meiner zweiten Runde meine Jacke anziehen, als Arild [Monsen] sagte: ‚Erik fühlt sich gut erholt, er will nun attackieren.‘ Und etwas mehr als eine Minute später war es dann auch schon soweit. Das war sehr beeindruckend. Er hat es mit Bolshunov und Iivo aufgenommen, die beide unglaublich stark waren und ließ sie wie kleine Jungs aussehen. Im Zielsprint um Silber erwies sich der Finne als deutlich stärker als der Russe, der sich mit Alexander Bolshunov mit Bronze begnügen musste. Bolshunov, der selbst beim letzten Wechsel nicht wie geplant einen Vorsprung oder die Führung mitgeben konnte, sondern als Dritter wechselte, ignorierte nach dem Zieleinlauf wie schon 2021 in Oberstdorf seinen Teamkollegen und feierte nicht mit ihm die Medaille. In der Mixed Zone sprach nur Terentev, während Bolshunov wie immer, wenn es nicht nach Wunsch läuft, die Medien boykottierte. Terentev sagte: „Wir haben um Gold gekämpft, sind aber auch zufrieden mit Bronze. Es hat eine wichtige Rolle gespielt, dass wir im zweiten Halbfinale waren [NOR und FIN im ersten Halbfinale] und weniger Zeit zur Erholung hatten. Im Zielsprint ging gar nichts mehr, meine Muskeln waren völlig übersäuert.“ Im Gegensatz zu Bolshunov, der sich später doch noch äußerte, zeigte sich Elena Välbe zufrieden: „Warum sollten wir enttäuscht sein, wir haben Medaillen!“ Rang vier ging an die Schweden Poromaa/Svensson vor den starken Kanadiern Antoine Cyr und Graham Ritchie, Italien und Frankreich.
Brugger wieder im Pech
Noch stärker wäre ein Finale der DSV-Herren mit Albert Kuchler und Janosch Brugger zu bewerten gewesen. Aber Albert Kuchler tat sich in allen seinen drei Runden im Halbfinale schwer auf der hammerharten Strecke und kam nur mit letzter Kraft und leichtem Rückstand zum letzten Wechsel. Immer gelang es einem erneut bärenstarken Janosch Brugger, sich wieder nach vorne zu laufen. In der Schlussrunde wurde er allerdings durch das Einscheren des Österreichers Benjamin Moser behindert, der dafür eine gelbe Karte bekam. Im letzten Anstieg zum Stadion passierte dann wieder ein Malheur: Wie bei der WM 2021 verlor Janosch Brugger einen Ski, der sich bergab verabschiedete und später von Schlickenrieder eingesammelt wurde. Janosch Brugger musste das Rennen auf einem Ski beenden. „Mir fehlen ein bissel die Worte. Es ist schon das zweite Mal, dass sowas passiert. Wir waren gut dabei und wenn die ersten Sechs ins Finale eingezogen wären – das hätten wir drauf gehabt, ins Finale reinzuschwimmen. Und dann wäre es wieder ein völlig neuer Lauf gewesen. Wir hätten jegliche Chance auf alles gehabt und so bleibt es uns verwehrt. Das ist eine ziemlich bittere Angelegenheit. Im Endeffekt waren es eigentlich zwei Situationen. Oben wurde ich einmal Vollgas geschnitten von einem Konkurrenten, so dass mein Ski vorne an der Schaufel bricht. Da war aber noch alles drin, weil man kann auch mit einer kaputten Schaufel laufen, solange der Ski nicht bricht. Das habe ich dann auch gemacht und im finalen Berg war der Ski dann wieder weg wie in Oberstdorf und ich habe keine Ahnung, wie das passiert ist“, so Brugger nach dem Ausscheiden.
So schlugen sich Österreicher und Schweizer
Die Österreicherinnen Teresa Stadlober und Lisa Unterweger, die sonst quasi nie einen Teamsprint bestreiten, kamen souverän ins Finale, während die Schweizerinnen sich nur mit Abstand als Vierte qualifizierten und die slowenischen Sprinterinnen sogar als Siebte des Vorlaufs mit großem Rückstand enttäuschten. Die Chinesinnen scheiterten als Fünfte des ersten, langsameren Halbfinals nur knapp am Finaleinzug. Auch im Finale zeigte sich, dass die Strecke, die Höhenlage und auch die Lauftechnik dafür sorgten, dass Laurien van der Graaff und Nadine Fähndrich nicht wie erhofft in den Kampf um die Medaillen eingreifen konnten, weil speziell die gebürtige Niederländerin in ihrem letzten olympischen Sprint nicht mit den Besten mithalten konnte. So wurde es nur Platz sieben mit 52 Sekunden Rückstand für die Schweizerinnen – immerhin vor den enttäuschenden Norwegerinnen. Dennoch waren auch sie enttäuscht: „Wir hatten uns mehr erwartet“, sagten sie beim SRF. Einen Rang vor den Schweizerinnen erreichten überraschend starke ÖSV-Damen einen beachtlichen sechsten Platz. „Unser Ziel war es, ins Finale zu kommen. Dann haben wir das Halbfinale so souverän geschafft und jetzt sind wir im Finale mit diesem sechsten Platz natürlich voll happy und das hätten wir uns nie gedacht“, sagte Stadlober und Unterweger fügte hinzu: „Das ist sicher der größte Erfolg in meiner Karriere. Ein Teambewerb ist immer etwas Besonderes. Man will einfach sein Bestes geben, für sich selbst und alle anderen.“ Bei den Herren schafften sowohl Michael Föttinger und Benjamin Moser wie auch Jonas Baumann und Jovian Hediger den Sprung ins Finale, wo die Österreicher aber zuerst abreißen lassen mussten und Zehnte wurden. Die Schweizer verloren wie viele andere in Runde fünf den Anschluss und belegten Platz acht. „Wir haben das Optimum herausgeholt“, sagten sie später.
=> Ergebnis Teamsprint KT Damen
=> Ergebnis Teamsprint KT Herren
=> Medaillenspiegel
=> Zeitplan
Jaaa! Jetzt hat ganz Deutschland die Pfanne heiß 🙂