Nach einer frühen Attacke konnte Iivo Niskanen den Sieg ins Ziel retten und Olympiasieger im Massenstart über 50 Kilometer im klassischen Stil werden. Alexander Bolshunov und Andrey Larkov holten Silber und Bronze. Andi Katz überraschte als starker 14.
Unterschiedliche Skitaktik macht Rennen spannend
In einem harten Rennen über sechs Runden war die zweimalige Möglichkeit zum Skiwechsel nach jeder 8,66 Kilometer langen Runde von enormer Wichtigkeit, da der koreanische Wind feinen Sand aus den Bunkern des Golfplatzes auf der Strecke verteilte und der Ski mehr litt als auf anderen Strecken. Außerdem verliert man in PyeongChang keine zusätzliche Zeit, da die Wechselboxen direkt neben der gespurten Strecke stehen. Die Königsdisziplin der Langläufer begann zunächst relativ verhalten. Nach 18 Kilometern startete Iivo Niskanen kurz nach dem Skiwechsel, den fast alle Sportler nach zwei Runden vollzogen, seine Attacke, der zumindest zunächst Alexey Poltoranin und Niklas Dyrhaug folgen konnten. Doch für den Norweger war das Tempo bei seinem ersten Start in Korea zu hoch, so dass er sich bald nach hinten verabschiedete. Immer wieder versuchte der Finne, den Kasachen zum Übernehmen der Führungsarbeit zu animieren, was Poltoranin aber regelmäßig kategorisch ablehnte. So bemühte sich Niskanen über viele Kilometer, seinen offenbar taktierenden Kontrahenten abzuschütteln. Aus der Verfolgergruppe startete Alexander Bolshunov einen Angriff kurz vor der Halbzeit des Rennens, so dass er einen kleinen Vorsprung auf die Gruppe herauslief und Zeit für seinen ersten Skiwechsel hatte, den er wie seine Landsmänner erst nach 25 Kilometern nutzte. Obwohl auch Poltoranin diesmal durchlief erhöhte Niskanen unmittelbar nach den Wechselboxen wieder das Tempo, konnte den Kasachen aber kurz vor der Stadionpassage zur Hälfte der vierten Runde abschütteln. Sein einziger Verfolger im Kampf um den Titel war nun Bolshunov, der sich nach seinem Skiwechsel sofort wieder aus der Gruppe löste und bei Kilometer 37 dank seines frischeren Skis an den erschöpften Finnen heranlief, der kurz darauf die Ski wechselte. Diese Chance nutzte der Russe zu einer Attacke, aber der Finne holte die elf Sekunden Rückstand mit neuem Material schnell wieder auf und der Kampf um Gold ging weiter. „Ich wusste nicht, wie gut meine Ski noch waren und hatte keine Ahnung, wie lange Alexander Bolshunov seine schon benutzt hatte. Danach habe ich versucht, ihn so schnell wie möglich wieder einzuholen und in der Abfahrt waren meine neuen Ski viel schneller. Dann musste ich nur Kräfte sparen bis zum Ende“, sagte er später.
Frischer Ski bringt den Sieg
Zu Beginn der letzten Runde verpasste der Finne seine angereichte Verpflegung, was ihn kurz hektisch werden ließ. Immer wieder schüttelte er seine Arm- und Beinmuskulatur aus, um für den Endspurt im Kampf um den Titel bereit zu sein und attackierte schließlich im Flachen knapp 1,5 Kilometer vor dem Ziel. Der Russe musste abreißen lassen und gab sich schon vor dem Anstieg zum Omega geschlagen, indem er Tempo rausnahm und sich aufrecht gleitend kurz erholte. Iivo Niskanen war der Olympiasieg nicht mehr zu nehmen und er wurde im Ziel von seiner strahlenden Schwester erwartet. Trotz Gewinn der Silbermedaille ärgerte sich Alexander Bolshunov im Ziel nach seinem erst dritten Fünfziger über die verpasste Chance: „Ich bin enttäuscht, weil ich heute hätte Gold gewinnen können. Ich habe einen kleinen taktischen Fehler gemacht, ich hätte wohl die Ski wechseln sollen. Mit meinen Ski konnte ich am Ende nicht mehr mit Iivo Niskanen um Gold kämpfen. Das war einfach mein Fehler.“ Mit seinem 25 Kilometer alten Ski konnte er dem Finnen am Ende nicht mehr Paroli bieten. Alexey Poltoranin ließ sich schon bei seinem Skiwechsel nach 33 Kilometern viel Zeit und war zu diesem Zeitpunkt bereits sichtlich erschöpft, obwohl er nur 25 Sekunden hinter Niskanen lag und lange Zeit ungefährdet auf Bronzekurs mit 90 Sekunden Vorsprung auf die Verfolgergruppe. Auf der letzten Runde war der Kasache aber völlig blau, wurde nach 45 Kilometern von der Gruppe eingeholt und kam schließlich mit mehr als fünf Minuten Rückstand ins Ziel. Aus der zunächst fünf- und später vierköpfigen Verfolgergruppe von Niskanen und Bolshunov erwies sich im letzten Anstieg Andrey Larkov als der Stärkste und konnte sich hinter seinem jüngeren Teamkollegen über die Bronzemedaille freuen, 2:37 Minuten hinter dem Sieger – nur die beiden Russen verzichteten auf einen zweiten Skiwechsel. Alex Harvey gewann den Zielsprint um Platz vier gegen Martin Johnsrud Sundby, Hans Christer Holund wurde Sechster. Für die Norweger endete das Rennen damit in einer großen Enttäuschung ohne Medaillen. Mit einem exzellenten frischen Ski konnte Daniel Rickardsson auf den letzten zwei Runden 13 Positionen gutmachen und den Schweden immerhin noch Platz sieben sichern, nachdem Calle Halfvarsson das Rennen nach 20 Kilometern aufgegeben hatte. Dario Cologna konnte ab Mitte des Rennens nicht mit der Verfolgergruppe mithalten, so dass er über Platz neun noch hinter Martin Jaks nicht hinauskam. Für ihn gab es damit auch im dritten olympischen Fünfziger wieder eine Enttäuschung nach Stürzen kurz vor Schluss 2010 und 2014. „Beim ersten Skiwechsel habe ich viel Zeit verloren. Zudem lief das 2. Paar Ski nicht wie gewünscht. Das kostete Kraft“, meinte der 31-Jährige später im Schweizer Fernsehen und fügte hinzu: „Die ersten beiden wären eh zu stark gewesen. Es wäre maximal Bronze machbar gewesen.“
Tolles Rennen trotz mehrerer Stürze
Von Stürzen kann auch Andreas Katz nach dem heutigen Wettkampf ein Lied singen, was ihn aber nicht daran hinderte, ein exzellentes Rennen abzuliefern. Das erste Mal kam er bei der Stadionpassage nach vier Kilometern zu Fall, als es zwischen Spur und V-Boards zu eng wurde und er auf Poltoranin auffuhr. Knapp zehn Kilometer später lag er schon wieder am Boden, diesmal im Anstieg. Er verlor den Anschluss an die Gruppe und kämpfte lange darum, wieder aufzuschließen, bis er sich schließlich an 22. Stelle liegend auf sein eigenes Tempo konzentrierte. Nach hinten war der Abstand zu diesem Zeitpunkt schon sehr groß, so dass es für den Schwarzwälder nur nach vorn gehen konnte. Mit großem Kampfgeist verbesserte er sich im Laufe des Rennens bei immer stärker werdendem Nebel und sinkenden Temperaturen von Position zu Position nach vorn und belegte schließlich trotz Krämpfen einen tollen 14. Platz noch vor Poltoranin. Dabei hatte er sich so sehr verausgabt, dass er sich übergeben und von zwei Betreuern aus dem Zielraum gebracht werden musste, um ihn erst einmal wieder zu stabilisieren. „Bei so einem 50er muss man vor jedem, der durchkommt, den Hut ziehen. Das ganze ist einfach schweinehart, die Königsdisziplin. Ich freue mich nun auf ein Weißbier und das Bett“, meinte er anschließend. Zusammen mit Jonas Dobler hielt sich Andi Katz zwischen Kilometer 23 und 36 in einer Gruppe von Platz 13 bis 20 auf, bis der Kollege die Gruppe nicht mehr halten konnte. Jonas Dobler konnte von seinem frischen Ski zwei Runden vor Schluss nicht mehr profitieren, fiel immer weiter zurück und gab das Rennen schließlich nach 44 Kilometern wegen Schwindelgefühlen und totaler Erschöpfung auf: „Das war ganz bestimmt das härteste Rennen meines Lebens! Auf den ersten 40 Kilometern habe ich mich richtig gut gefühlt und war in einer guten Position. Dann kam aus dem Nichts der Mann mit dem Hammer und traf mich unglaublich hart. Mir war schwindelig und ich war unglaublich erschöpft und habe es nicht mehr bis ins Ziel geschafft.“
Kein Tag für Bing und Bögl
Die bisher besten DSV-Athleten der Spiele, Thomas Bing und Lucas Bögl, erwischten heute einen ganz schwarzen Tag. Schon in der zweiten Runde fielen beide klar zurück und erreichten mit großem Rückstand als 30. und 46. das Ziel. Auch Thomas Bing hatte während des Rennens Krämpfe und er kämpfte sich damit die letzten 20 Kilometer ins Ziel. Dennoch zog er nach dem Rennen ein positives Fazit aus den Spielen und stellte fest, dass er vorn mitlaufen kann, wenn die Topform da ist. Heute war bei ihm aber der Akku leer – wie auch bei Lucas Bögl: „Heute ein enttäuschendes Rennen für mich… Es ging einfach gar nix. Die 50 Kilometer erlauben keine Schwäche. Ich habe die letzten Nächte schlecht geschlafen, aber das ist nur eine kleine Entschuldigung. Am Ende war ich heute einfach nicht stark genug. Nach drei guten Wettkämpfen hier und einem katastrophalen 50er trete ich morgen die Heimreise an. Alles in allem war Olympia aber unschlagbar!“, meinte er später. Ähnlich erging es auch den Österreichern sowie den restlichen Schweizern, obwohl Max Hauke ganz stark begann. Ende der zweiten Runde verlor er aber den Anschluss an Andi Katz und sammelte schnell einen großen Rückstand an. Mit zwölf Minuten Rückstand wurde er 36., während der Schweizer Candide Pralong nach Zielsprint direkt hinter Thomas Bing 31. wurde. Bernhard Tritscher belegte Platz 42, Ueli Schnider rangierte sich direkt vor Lucas Bögl auf Platz 45 ein. Kurz danach ließ sich Halbkoreaner Magnus Kim auf der Zielgeraden von den koreanischen Zuschauern feiern.
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=> Reaktionen zum Massenstart: „Das ist einfach schweinehart, die Königsdisziplin!“
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