Nordische Ski-WM Lahti: Alex Harvey Überraschungs-Weltmeister über 50 Kilometer

Alex Harvey (CAN) © NordicFocus

Alex Harvey ist der neue Weltmeister über 50 Kilometer Freistil im Massenstart. Der Kanadier gewann den Zielsprint vor Sergey Ustiugov und Matti Heikkinen.

Russen und Norweger bestimmen das Geschehen

Anders Gloeersen (NOR) © NordicFocus

Es sollte die dritte Goldmedaille für Sergey Ustiuov werden, der zusammen mit seinen Teamkollegen viel dafür getan hat, um heute erfolgreich zu sein. Vor dem Start hatten sich Ustiugov und Petr Sedov länger unterhalten, um die Taktik zu besprechen. Doch Sedov war schnell aus dem Rennen und konnte nicht mehr helfen: Nach zwei Rennminuten stürzte er in einer abschüssigen Kurve und als auch noch ein Amerikaner von hinten schmerzhaft in ihn reinfuhr, war das Hauptfeld endgültig weg. So spannte Ustiugov seinen Kollegen Alexey Chervotkin ein, mit dem zusammen er viele Kilometer Führungsarbeit machte. Den Rest des Rennens war meist ein Norweger ganz vorn zu finden: Auf den ersten Kilometern sogar für kurze Zeit Petter Northug, später dann Anders Gløersen, der zwischen Kilometer elf und 22 etwa 20 Sekunden vor dem Feld herlief, bis die Russen ihn wieder einfingen. Erst auf der dritten Runde zeigte sich auch Martin Johnsrud Sundby an der Spitze. Nachdem sein Teamkollege eingeholt worden war, spannte er sich vor das Feld, blickte sekundenlang über die Schulter und sah Sergey Ustiugov lange ins Gesicht. Nach dem Stadiondurchlauf bei Kilometer 35 wurde die Geschwindigkeit durch Sundby deutlich erhöht, allerdings im Laufe der Zeit das Tempo auch immer wieder verlangsamt. Nach dieser Attacke hatte sich die Spitzengruppe geteilt und bestand nur noch aus zehn Sportlern, darunter mit Dario Cologna und Roman Furger auch zwei Schweizer. Athleten wie Northug und Hellner waren in der zweiten Gruppe mit einigen Sekunden Rückstand, doch dank des Norwegers konnte die Gruppe fast komplett wieder aufschließen.

Harvey mit dem besten Finish

Alex Harvey (CAN) © NordicFocus

Die Entscheidung fiel wie in den letzten Tagen an den letzten beiden Anstiegen auf den letzten zwei Kilometern. Martin Johnsrud Sundby und Alex Harvey machten nebeneinander das Rennen schnell, konnten sich aber nicht richtig absetzen. Das gelang erst in der Abfahrt zwischen beiden Bergen, wo sich Harvey, Sundby und Ustiugov lösen konnten und Matti Heikkinen sich als erster Verfolger um Anschluss bemühte. Im Indian Hill versuchte dann der Russe, alle Kräfte zu mobilisieren und zwischen den beiden Gegnern durchzugehen, was aber nicht möglich war. So ging der Norweger mit dem Kanadier und dem Russen an den Fersen in die Abfahrt ins Stadion. In der Lahti-Kurve versuchte Ustiugov die Bjørgen-Taktik und nahm innen den kürzesten Weg, musste aber zu viel Geschwindigkeit rausnehmen, um nicht mit Harvey zu kollidieren, der am besten aus der Kurve kam und den Sprint von vorn anging. Der Kanadier triumphierte etwas überraschend und holte sich den Weltmeistertitel – zu den Medaillenkandidaten hatte man ihn aber definitiv rechnen müssen. „Das ist Wahnsinn. Ich hatte heute die besten Ski und ich wusste, dass ich etwas versuchen kann, wenn ich ins Stadion komme. Als ich die 15 Kilometer klassisch in Ulricehamn gewonnen habe, habe ich gesagt, dass ist ein „Rennen für Männer“. Aber das hier ist ein „Rennen für wahre Männer“! Das ist das beste Rennen meines Lebens“, jubelte er. Hinter ihm kämpften Sundby und Ustiugov nebeneinander um Silber in der letzten Kurve. Dort berührten sich beide fast und der Norweger verlor nach einem Strauchler etwas Geschwindigkeit, so dass Matti Heikkinen außen an ihm vorbeigehen konnte und laut jubelnd Bronze hinter dem Russen sicherte. Völlig enttäuscht, nicht das langersehnte Einzel-Gold und dann überhaupt keine Medaille gewonnen zu haben, ließ er an vierter Stelle liegend frühzeitig austrudeln und er wurde noch von Andrew Musgrave und beinahe von Sjur Røthe eingeholt.

Zwei Schweizer lange in der Spitzengruppe

Dario Cologna (SUI) © NordicFocus

Dario Cologna wurde nach einem Rennen, in dem er sich nur vier Kilometer vor dem Ziel mal ganz vorne zeigte, guter Siebter. Mit wenigen Metern Rückstand erreichte Petter Northug als Achter das Ziel vor Maurice Manificat, der zwischenzeitlich zehn Kilometer lang sehr stark gegen das Herausfallen aus der Gruppe kämpfen musste und für kurze Zeit abgehängt wurde. Hans Christer Holund und Anders Gløersen wurden Zehnter und Elfter. Colognas Teamkollege Roman Furger machte ein bärenstarkes Rennen in der Spitzengruppe, verlor dann vier Kilometer vor dem Ziel aber doch den Anschluss und belegte den guten 17. Platz mit 36 Sekunden Rückstand. So gut sich Cologna und Furger am heutigen Tage schlugen, so sehr hatten offenbar ihre Teamkollegen Curdin Perl und Toni Livers Probleme mit dem Material. Schon aus der Gruppe zurückgefallen, entschieden sie sich nach zehn beziehungsweise 30 Kilometern für einen Skiwechsel, der aber nicht viel Erfolg brachte.

Lucas Bögl zufriedener 18.

Jonas Dobler (GER), Lucas Boegl (GER) (l-r) © NordicFocus

Für das deutsche Team gingen drei Athleten ins Rennen, nachdem Thomas Bing leicht erkältet bereits die Heimreise angetreten hatte. Jonas Dobler, Lucas Bögl und vor allem Florian Notz zeigten sich in der ersten Rennhälfte in sehr guter Form und hielten gut mit der Gruppe mit. Dann hatte Florian Notz sichtbar mit Problemen zu kämpfen. Er fiel nach 28 Kilometern aus der Gruppe heraus, arbeitete sich kurzzeitig wieder ran. Nach dem Stadiondurchlauf im Anstieg verlor er dann aber deutlich an Boden, bewegte sich deutlich langsamer voran und verlor speziell auf den letzten zehn Kilometern Minute um Minute. Jonas Dobler sah nach Kilometer 30 noch besser aus als sein Kollege Lucas Bögl, aber nach der Tempoverschärfung bei Kilometer 35 wurden beide in den zweiten Teil der Gruppe durchgereicht. Lucas Bögl konnte sich im Fahrwasser von Northug und anderen Athleten wieder an die Spitzengruppe heranarbeiten, was Jonas Dobler nicht gelang. Bei Kilometer 40 versuchte er noch mit wenigen Metern Abstand den Anschluss wieder herzustellen, fiel dann nach dem Stadiondurchlauf aber endgültig zurück. Lucas Bögl blieb bis zum Schluss bester Deutscher. Nach drei Kilometern Kampf musste er drei Kilometer vor dem Ziel endgültig abreißen lassen und wurde dennoch sehr guter 18. mit nur 45 Sekunden Rückstand. Im Ziel begutachtete er als Erstes seine Ski, die im Rennen ebenfalls gelitten hatten. „Es war ein schnelles Rennen, ein hartes Rennen. Es war sehr eisig, meine Kante schaut ganz schön kaputt aus. Ich hätte gerne den Skiwechsel gehabt, aber wir sind 50 Kilometer durchgelaufen mit einem Ski. Da kann man dann auch nicht wechseln, wenn die Gruppe nicht wechselt“, sagte er und zeigte sich sehr zufrieden mit seinem ersten 50er. „Ganz zum Schluss haben mir die Körner gefehlt. Für mich war es gut, dass ich ohne größeren Einbruch durchgekommen bin, das war super. Ich habe mich auch einmal zurückkämpfen müssen zur Gruppe. Aber alles in allem war es eine super WM und ein tolles Erlebnis.“ Jonas Dobler wurde 24. mit etwas mehr als drei Minuten Rückstand, Florian Notz verlor als 47. mehr als achteinhalb Minuten, biss sich aber bis zum Ende durch.

 

=> Ergebnis 50 Kilometer FT Massenstart Herren

=> Medaillenspiegel

=> Statements aus Lahti: “Ein Rennen für wahre Männer!”

 

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