Therese Johaug war wieder in ihrer eigenen Welt und gewann mit großem Vorsprung vor Ingvild Flugstad Østberg und Frida Karlsson. Nathalie von Siebenthal, Teresa Stadlober und Victoria Carl liefen unter die besten Zehn.
Ab Kilometer fünf allein
Für den Massenstart galt es für die Damen zunächst die rote und dann die blaue 3,75 Kilometer-Runde zu absolvieren, so dass die Doppelrunde jeweils viermal zu laufen war. Im Stadion gab es die Möglichkeit zu einem Skiwechsel im gesamten Rennen, den ein Großteil der Top20-Athleten nach 18,75 Kilometern im Pulk in Anspruch nahm. Zu diesem Zeitpunkt war Therese Johaug aber schon lange allein unterwegs. Schon direkt am Start hatte die Norwegerin ein so hohes Tempo angeschlagen, dass zunächst sieben Athletinnen mit ihr mitgehen konnten. Zu Beginn der blauen Runde griff sie erneut an und konnte die verbliebenen vier Damen plus die leicht zurückgefallene Østberg abhängen. Während die Gruppe, in der sich auch Teresa Stadlober aufhielt, sich nun neu sortierte, gelang es Nathalie von Siebenthal in kürzester Zeit, ihre 20 Sekunden Rückstand wieder aufzuholen, indem sie sich allein aus der zweiten Gruppe absetzte. Zur Hälfte des Rennens hatte Therese Johaug bereits 40 Sekunden Vorsprung, den sie später noch auf maximal 50 Sekunden vor Beginn der letzten halben Runde ausbaute. Ihre dritte Goldmedaille von Seefeld war in keiner Phase des Rennens gefährdet und sie konnte mit der norwegischen Flagge feiern. „Ich habe mich heute sehr gut gefühlt. Ich wollte sehr schnell angehen. Wenn ich eine Lücke herauslaufen kann, muss ich es versuchen. Aber dann bin ich einfach die ganze Zeit volles Tempo gelaufen“, sagte sie. „ich freue mich sehr über diese Goldmedaille. Ich war nach Seefeld gekommen, um einmal Gold zu holen und nun habe ich drei!“
Spannender Kampf um die Medaillen
Hinter Therese Johaug wurde es mit dem Skiwechsel nach 18,75 Kilometern aber spannend. Die 19-jährige Frida Karlsson und Jessie Diggins konnten sich außerhalb des Stadions leicht absetzen und die junge Schwedin gab weiter Gas, so dass die Amerikanerin sich geschlagen geben musste und wieder zurückfiel. Die 27-Jährige aus Minnesota hatte sich während des Sommereinbruchs Mitte der Woche wie viele andere auch ihren offenbar einzigen Rennanzug zerschnitten, so dass sie heute bei Temperaturen knapp über Null mit nackten Armen und Beinen unterwegs war, die sich in der Kälte schnell röteten. „Das finde ich gewagt oder eher Blödsinn, mit kurzen Hosen zu laufen, aber wahrscheinlich hat sie nur einen Anzug, den sie zerschnitten hat“, äußerte sich der deutsche Bundestrainer während des Rennens kritisch. Kurze Zeit später konnte Østberg die Lücke zur Amerikanerin wieder schließen und sich sogar von ihr absetzen, so dass sie allein Jagd auf Frida Karlsson machte. Bald hatte sie auch die Schwedin wieder eingeholt und beide konzentrierten sich auf den Kampf um Silber. Einen Kilometer vor dem Ziel waren sie Seite an Seite zusammen im Anstieg unterwegs, aber über die Kuppe musste die völlig erschöpfte Schwedin eine Lücke aufgehen lassen. In der Abfahrt konnte sie sich wie Laura Gimmler in der Staffel kaum auf den Beinen halten, so dass sie die Lücke auf die Norwegerin nicht mehr schließen konnte. Ingvild Flugstad Østberg jubelte im Ziel und fiel der wartenden Therese Johaug in die Arme. Frida Karlsson sicherte sich die Bronze, war aber so erschöpft, dass sie sich nicht einmal mehr darüber freuen konnte. Jessie Diggins kämpfte sich als Vierte ins Ziel und war froh, es überhaupt geschafft zu haben. „Wenn das Rennen nur zwei Kilometer länger gewesen wäre, hätte ich es vielleicht nicht geschafft, weil ich so starke Krämpfe hatte. Ich habe alles gegeben, nichts zurückgehalten und das ist ein gutes Gefühl. Ich habe versucht, mit Karlsson mitzugehen, aber dann begannen die Krämpfe und ich hatte noch fünf Kilometer zu laufen. Ich war absolut am Limit und habe die ganze Zeit gekämpft.“
Stadlober und Von Siebenthal vorn dabei
Teresa Stadlober und vor allem Nathalie von Siebenthal hinterließen einen sehr starken Eindruck, aber auf den letzten zwei Kilometern konnten beide das hohe Tempo nicht mehr mitgehen. Sie verloren die Schwedinnen Ebba Andersson und Charlotte Kalla aus den Augen, die sich hinter Jessie Diggins die Plätze fünf und sechs sicherten. Für Charlotte Kalla, die sich eigentlich heute noch eine Medaille nach ihrer starken Staffelleistung vorgenommen hatte, war es ein Auf und Ab im Rennen. Die 31-Jährige konnte schon nach vier Kilometern das Tempo der Spitzengruppe nicht mehr mitgehen, löste sich nach 20 Kilometern aber wieder aus der zweiten Verfolgergruppe mit Victoria Carl und lief nach vorne heran. Nathalie von Siebenthal zeigte als Siebte ihre beste Saisonleistung und kam noch vor Teresa Stadlober ins Ziel, die bei ihrer Heim-WM Achte wurde. „Dieses Resultat ist eine Erlösung. Jetzt könnte die Saison nochmal beginnen. Ich habe bereits am Donnerstag in der Staffel gespürt, dass ‚es aufwärts geht‘!“
Vici Carl beeindruckt
Victoria Carl lief ein beeindruckendes Rennen in der zweiten Verfolgergruppe und lag das gesamte Rennen unter den besten Zehn. Auf den letzten sechs Kilometern löste sie sich auch noch von ihrer letzten Weggefährtin Ragnhild Haga, die heute zu ihrem einzigen WM-Einsatz kam. Mit Platz neun war die Thüringerin überglücklich. „Ich weiß überhaupt nicht, wo ich die Power hergeholt habe, das ist mein letztes Rennen die Saison und da wollte ich einfach noch einmal mein Bestes geben. Ich bin locker rangegangen und habe gemerkt, die Ski gehen hammermäßig. Selbst wenn ich am Berg ein kleines Loch hatte, runterwärts bin ich alles wieder zugefahren. Ich wusste einfach, ich kann mich auf das Material verlassen und da läuft es sich einfach befreiter“, freute sich Vici Carl, die sich mit Sturheit auf ihrer Taktik beharrt hatte: „Ich habe mich einfach auf mein Rennen konzentriert, habe keine Tempoarbeit gemacht. Ich habe gemerkt, dass die Pärmäkoski hier einmal im Durchlauf langsamer gelaufen ist, da bin ich aber stur geblieben und habe mich dahinter eingereiht und habe den anderen den Vortritt gelassen. Ich habe heute sogar zweimal gefrühstückt, um genug Energie zu haben.“ Auch Peter Schlickenrieder konnte vor seiner Athletin nur den Hut ziehen: „Ich bin sehr begeistert. Wenn mir das jemand vorher gesagt hätte, hätte ich gesagt: ‚Okay, träum weiter…‘ Chapeau, Gratulation an die Victoria Carl, das war einfach spitzenmäßig. Nach diesem fünften Platz, dem besten Resultat ihres Lebens, jetzt noch mal das wahrscheinlich beste Distanzergebnis mit dem neunten Platz, das ist absolut stark“, lobte er Victoria Carl, die die Saison wegen einer bevorstehenden Operation vorzeitig beenden wird, nachdem sie seit dem Sommer immer wieder Probleme mit ihrem Knie hatte. Aber auch mit den anderen beiden DSV-Athletinnen war er durchaus zufrieden, auch wenn sie nicht unter die besten 20 kamen. „Auch Katharina Hennig, da hat man gesehen, dass sie sich da durchbeißen muss. Ich bin sehr stolz auf meine Athleten, man kann sagen, wir wedeln nicht mit er weißen Fahne und geben auf, sondern wir beißen uns da durch“, so Schlickenrieder. Katharina Hennig hatte schon auf der ersten Halbrunde den Anschluss an die Carl-Gruppe verloren und lag nach der Hälfte der Distanz an 17. Stelle mit knapp zwei Minuten Rückstand auf Johaug. In der zweiten Rennhälfte tat sie sich immer schwerer und war auf den letzten Kilometern ziemlich blau, so dass sie die Anfeuerung des Trainers brauchte: „Du bist eine Kämpferin, komm Katha, das bringst du hoam!“ Schließlich erreichte sie als 21. mit sechs Minuten Rückstand das Ziel. Langsamstarterin Pia Fink lag während des gesamten Rennens um Platz 25 und brachte dieses Ergebnis auch schließlich ins Ziel. „Es ist Pias erste Weltmeisterschaft und auch sie ist in den Top30. Sie kämpft um jeden Platz und wird dann noch 25. Das passt, absolut respektabel“, lobte Schlickenrieder.
=> Ergebnis 30 km FT Massenstart Damen